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Panofsky, Erwin; Michelangelo; Michelangelo [Editor]
Handzeichnungen Michelangelos — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 34: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.50964#0026
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Hungen auf diese verschiedenen Klassen verteilen: bei
Rembrandt etwa ist, von den Kreide- und Rötelblättern
seiner Frühzeit abgesehen, der Typus der „Studie“ nur
in seltenen Ausnahmefällen vertreten-—-bei Michelangelo
fehlt umgekehrt so gut wie ganz der Typus des „Pen-
siero“. Er, dessen Phantasie fast monomanisch um das
Problem des plastisch-körperlichen Ausdrucks kreiste,
verhält sich relativ gleichgültig gegenüber der Frage,
ob und wie die bewegten Massen zu einem abgeschlos-
senen Flächenbilde, oder gar zu einem rational bestimm-
ten Raumganzen sich zusammenordnen möchten: wie
die Gestalten seines „jüngsten Gerichts“ in einem cItozoi;
tötzoz leben, für den die Gesetze der Perspektive keinerlei
Geltung besitzen, und wie er es verschmäht hat, die
riesige Fläche durch eingrenzende Rahmung zu einem
eigentlichen „Bildfeld“ zu machen — so enthalten auch
seine Handzeichnungen fast nie eine Andeutung dessen,
was die plastischen Gebilde zu einer räumlichen oder
flächenmäßigen Einheit zusammenschließen könnte. Es
sind im wesentlichen Körper oder Körpergruppen,
die bald in rapidester Skizzierung, bald in vollendetster
Durchbildung, bald in strenger Isolation, bald in wilden
Symplegmen sich darstellen. Selbst in den scheinbar
ganz bildmäßig durchgeführten disegni, wie Michelangelo
sie seinem heißgeliebten Freunde Cavalieri widmete, be-
schränkt sich die Wiedergabe der räumlichen Umgebung
auf einige Pflanzen oder Felsblöcke, die mehr als raum-
erfüllende Volumina denn als raum-eingeordnete Land-
schaftsmotive fungieren, und wo wirklich einmal eine
Szene „in den Rahmen komponiert“ erscheint (in dem
Blatt mit der Ehernen Schlange im Rundformat), da
zeigt sich, wie wenig dieser Rahmen in dem sonst üb-
lichen Sinne als Bildbegrenzung gedacht ist: es handelt
sich hier im Grunde weniger um den Entwurf einer
bildlichen Darstellung, die durch ein Rund begrenzt
wird, als um den Entwurf eines Rundes, das mit einer

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