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Panofsky, Erwin; Michelangelo; Michelangelo [Hrsg.]
Handzeichnungen Michelangelos — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 34: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.50964#0027
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bildlichen Darstellung geschmückt ist — weniger um
den „pensiero“ für ein zu malendes Bild, als um die
Skizze für ein zu skulpierendes Medaillon (Abb. 5).'—•
Die durchgeführten Zeichnungen Michelangelos zeigen
sich bis in die dreißiger Jahre hinein von einem eigen-
tümlichen Dualismus beherrscht: auf der einen Seite
wird der Außenkontur (in dessen Führung die konvexe
Kurve der konkaven gegenüber vorherrscht) aufs Ent-
schiedenste akzentuiert — auf der anderen erscheinen
die Linien der Innenzeichnung ihrer eigentlich „linearen“
Bedeutung fast völlig entkleidet: die Modellierung wird
nicht, wie etwa bei einer Raffaelzeichnung, durch ein-
zelne Linien bewirkt, die wesentlich kraft ihrer Länge
und Bewegung das An- und Abschwellen der Form
zum Ausdruck bringen, sondern durch Linien-Kom-
plexe, deren formbezeichnender Wert auf der Rich-
tung und der Dichtigkeit der Strichlagen beruht.
Es ist eine gleichsam kupferstecherische Technik, die
meist mit ziemlich kurzen, wenig gekrümmten, einander
häufig kreuzenden Schraffuren arbeitet, und die sich
auch insofern mit dem Verfahren des Stechers berührt,
als die Figur weniger durch wiederholentliches Über-
gehen des Ganzen, als durch die immer weiter getriebene
Durchführung von Teilstücken dem Abschluß nahege-
bracht wird, so daß neben gänzlich vollendeten Partien
solche stehen bleiben können, die kaum im Umriß an-
gedeutet sind (Abb. 4, 7, 16).
Der Sinn — oder jedenfalls das Ergebnis ■—• dieses
eigentümlichen Gegensatzes zwischen der strengen Li-
nearität des Umrisses und dem scheinbar regellosen
Wogen der Innenzeichnung (deren divergierende und oft
einander überschneidende Strichlagen gewissermaßen die
immanente Spannung der Muskeln und Sehnen aus-
deuten) besteht auf der einen Seite darin, daß inner-
halb der Figur etwas wie ein Konflikt zwischen Form
und Bewegung zustande kommt, den eine Flomo-

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