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Panofsky, Erwin; Michelangelo; Michelangelo [Editor]
Handzeichnungen Michelangelos — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 34: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.50964#0028
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geneität von Kon tur und Modellierung nicht aufkommen
läßt ■—• auf der andern Seite darin, daß das Verhältnis
zwischen Körper und Licht in einer besonderen Weise
bestimmt wird: modelliert die klassische Zeichnung vom
Hellen ins Dunkle, indem sie — die Dunkelheiten
hinzufügend'— die an und für sich hellen Körper stellen-
weise in Schatten legt, so modelliert die durchgeführte
Zeichnung Michelangelos vom Dunkeln ins Helle,
indem sie— die Helligkeiten aussparend — den an und
für sich dunklen Körper stellenweise ins Licht hinein-
wachsen läßt; dort hat das Licht die Fähigkeit, den
Raum zu durchstrahlen und die Dinge von außen her
zu „beleuchten“ (so daß wir deutlich eine Licht- von
einer Schattenseite unterscheiden können) — hier ist
das Licht gleichsam auf die Dinge lokalisiert und tritt,
gewissermaßen seiner Aktivität entkleidet, künstlerisch
nur insoweit in die Erscheinung, als es von jenen ge-
tragen wird. Es ist daher bei Michelangelo oft gar nicht
leicht zu sagen, von wo das Licht eigentlich „kommt“,
und man hätte sehr unrecht, wenn man das Unlineare
seiner Modelliertechnik im Sinne „malerischer“ Ten-
denzen interpretieren wollte.
Die hier gegebenen Andeutungen beziehen sich in
erster Linie auf die Federzeichnung; sie gelten aber
mutatis mutandis auch für die Kreide- und Rötel-
blätter, die seit dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts die überwiegende Mehrzahl bilden. Aus dem
Vergleich einer Federstudie von etwa 1505 (Abb. 4) mit
einer Federstudie von etwa 1515 (Abb. 7) erhellt bei
aller Ähnlichkeit der Darstellungsprinzipien ein wesent-
licher Unterschied der Formauffassung: der Gegensatz
von Hell und Dunkel hat sich vertieft, und die Mus-
keln oder Muskelgruppen, die dort als verhältnismäßig
isolierte Teilgebilde nebeneinander lagen, erscheinen j etzt
als Differenzierungen einer einzigen Masse, die sich
elastisch aus- und einwärts bewegt. Es ist von einem

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