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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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Viertes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0569
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Die Erinnerungstäuschungen der »reduplizierenden Paramnesia« usw. 565

von Coriat, der erst 1904 unter dem Titel »Reduplicative Param-
nesia« weitere Fälle brachte. Diese sollen kurz berichtet werden.
Den ersten dieser Fälle diagnostiziert Coeiat als »excessive al-
coholic indulgence : several attacks of Delirium tremens; Koesakows
psychosis with multiple neuritis; marked memory disorder; redupli-
cative Paramnesia«.

Als der Arzt dem Patienten J. L. (im Laufe eines Examens) sagt, daß er sich
im Irrenhause von Worcester befindet, behauptet der Patient ein Freund von
ihm, der ebenso wie er (der Pat.) heiße, sei vor 9 Jahren in diesem Irrenhause
unter denselben Umständen gewesen, wie er (Pat.) jetzt. Der erstere J. L. sei
jetzt schon gestorben. Nach dem Aussehen des früheren J. L. befragt, erzählt
er von ihm, der rechte Kleinfinger habe ihm gefehlt, während dem Patienten
tatsächlich der linke Kleinfmger fehlt; er glaubt den Patienten damals im Irren-
haus besucht zu haben. Im weiteren Verlauf entwickelt sich bei ihm die Idee,
er sei nicht nur im Irrenhaus von Worcester sondern auch in einem »Taunton
Insane Hospital« gewesen »doctors are supposed to go around to different hospitals«.
Einige Tage später befragt, wo er sei, gibt er an im »Taunton Insane Ho-
spital« sei er ebenfalls und zwar vor 12—15 Jahren gewesen.

Auch an diesem Fall beobachten wir die Grundzüge der von Pick
beschriebenen Störung, nur ist ihr Inhalt wechselnder, er wird auch,
wie aus der Arbeit Coriats hervorgeht, mehr durch Fragen aus dem
Patienten herausgeholt, und dann vom Patienten oft in konfabulie-
render Weise ausgeschmückt. Durch die Merkfähigkeitsstörung ist
Patient ohnehin darauf angewiesen, ein länger dauerndes Erlebnis
nur aus den übriggebliebenen Stücken seiner Erinnerung als etwas
Kontinuierliches zu erkennen, bleibt nun die Identifikation dieser
Stücke (als gleichartige Teile eines Ganzen) aus, so muß notwendiger-
weise ein Zerfall in einzelne persistierende Erinnerungsgruppen daraus
hervorgehen, denen nur noch das Merkmal der Ähnlichkeit als etwas
Gemeinsames anhaftet. In das Milieu dieser Erinnerungsgruppen
konfabuliert außerdem der Kranke verschiedene durch Fragen ange-
regte Ideengänge hinein, und bringt dadurch die einzelnen Erinne-
rungsteile in falschen Zusammenhang, so daß ein buntes Flickwerk
entsteht, in welchem nur durch die Ähnlichkeit erkennbar, das zer-
stückelte Material eines jeden Erlebnisses als etwas früher Zusammen-
hängendes erkannt werden kann.

Weit interessanter ist der zweite Fall Cokiats, ebenfalls ein
Alkoholiker (»Alcoholic Deterioration«, »Reduplicative Paramnesia,
marked disturbance of the Sense of familiarity«).
 
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