610 Willy Mayer
Spontangedächtnis von dem motorischen, und somit von dem prag-
matischen Prinzip, beherrscht ist. —
Wir müssen uns im vorliegenden auf diese grundlegende, schema-
tische Darstellung der Bergson sehen Theorie beschränken und darauf
verzichten, in der Fülle des psychischen Geschehens das Zustande-
kommen der Einheit des seelischen Erlebnisses aus den beiden Grund-
bestandteilen zu schildern, das erst den einzelnen Funktionen ihren
konstruierten Charakter nimmt.
Wir müssen uns vielmehr dem speziellen Vorgang des Wieder-
erkennens (reconnaissance) zuwenden, den Bergson selbst zum
Prüfstein seiner Setzungen und zur Grundlage einer empirischen Be-
weisführung macht.
Zuvor aber noch einiges über die Aussichten einer solchen »Be-
weisführung aus Tatsachen« i. Das Problem des Verhältnisses von
Leib und Seele ist in seinen endgültigen Fragestellungen stets ein
metaphysisches und kein psychologisches Problem. Auch die vor-
liegende Lösung — wir haben das in unserer Darstellung zum Aus-
druck zu bringen versucht — ruht in ihrer letzten Motivierung auf
jenem »pragmatischen Prinzip«, auf einer Auffassung jedes Lebendigen
als »Aktionszentrum«, die jeder empirischen Erweisung transzendent
sein muß. Trotzdem kann eine solche Theorie, die doch empirische
Gegebenheiten zu ihrem Gegenstand hat, keineswegs der Erhärtung
an Tatsachen (im naturwissenschaftlichen Sinne) entbehren. Wenn
wir also im folgenden eine Reihe pathologischer Befunde, an denen
Bergson seine Lehre stützt, einer kritischen Betrachtung unterziehen,
wenn wir fernerhin den Versuch machen, an der Hand eigner Be-
obachtung die neugewonnenen Gesichtspunkte in die Wirklichkeit
umzusetzen, so dürfen wir uns über eines nicht täuschen: Es wäre
durchaus verfehlt, davon eine wesentliche Beeinflussung der Festigkeit
des genialen Ideengebäudes Bergson s, im fördernden oder im er-
schütternden Sinn, zu erhoffen2. Uns dient die Theorie allein als
» S. 252.
2 Vgl. Husserl: »Die Lösung eines jeden Problems, das der Naturwissen-
schaft als solcher anhaftet — also ihr durch und durch, von Anfang bis zu Ende
anhaftet —, von der Naturwissenschaft selbst erwarten zu wollen, .... das heißt
sich in einem widersinnigen Zirkel bewegen«. (Philosophie als strenge Wissen-
schaft, Logos 13.) Was hier von der Naturwissenschaft gesagt ist, gilt natürlich
auch für die Psychologie.
Spontangedächtnis von dem motorischen, und somit von dem prag-
matischen Prinzip, beherrscht ist. —
Wir müssen uns im vorliegenden auf diese grundlegende, schema-
tische Darstellung der Bergson sehen Theorie beschränken und darauf
verzichten, in der Fülle des psychischen Geschehens das Zustande-
kommen der Einheit des seelischen Erlebnisses aus den beiden Grund-
bestandteilen zu schildern, das erst den einzelnen Funktionen ihren
konstruierten Charakter nimmt.
Wir müssen uns vielmehr dem speziellen Vorgang des Wieder-
erkennens (reconnaissance) zuwenden, den Bergson selbst zum
Prüfstein seiner Setzungen und zur Grundlage einer empirischen Be-
weisführung macht.
Zuvor aber noch einiges über die Aussichten einer solchen »Be-
weisführung aus Tatsachen« i. Das Problem des Verhältnisses von
Leib und Seele ist in seinen endgültigen Fragestellungen stets ein
metaphysisches und kein psychologisches Problem. Auch die vor-
liegende Lösung — wir haben das in unserer Darstellung zum Aus-
druck zu bringen versucht — ruht in ihrer letzten Motivierung auf
jenem »pragmatischen Prinzip«, auf einer Auffassung jedes Lebendigen
als »Aktionszentrum«, die jeder empirischen Erweisung transzendent
sein muß. Trotzdem kann eine solche Theorie, die doch empirische
Gegebenheiten zu ihrem Gegenstand hat, keineswegs der Erhärtung
an Tatsachen (im naturwissenschaftlichen Sinne) entbehren. Wenn
wir also im folgenden eine Reihe pathologischer Befunde, an denen
Bergson seine Lehre stützt, einer kritischen Betrachtung unterziehen,
wenn wir fernerhin den Versuch machen, an der Hand eigner Be-
obachtung die neugewonnenen Gesichtspunkte in die Wirklichkeit
umzusetzen, so dürfen wir uns über eines nicht täuschen: Es wäre
durchaus verfehlt, davon eine wesentliche Beeinflussung der Festigkeit
des genialen Ideengebäudes Bergson s, im fördernden oder im er-
schütternden Sinn, zu erhoffen2. Uns dient die Theorie allein als
» S. 252.
2 Vgl. Husserl: »Die Lösung eines jeden Problems, das der Naturwissen-
schaft als solcher anhaftet — also ihr durch und durch, von Anfang bis zu Ende
anhaftet —, von der Naturwissenschaft selbst erwarten zu wollen, .... das heißt
sich in einem widersinnigen Zirkel bewegen«. (Philosophie als strenge Wissen-
schaft, Logos 13.) Was hier von der Naturwissenschaft gesagt ist, gilt natürlich
auch für die Psychologie.