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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 2.1913 - 1914

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Erstes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2778#0009
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Zur Phänomenologie a. Morphologie d. path. Wahrnehmungstäuschungen. 5

die Tatsachen so zu beschreiben, wie sie unmittelbar gegeben sind.
Wir werden später, in dem zweiten morphologischen Teil dieser Arbeit
sehen, daß die heute immer noch herrschende, von Johannes Müller
überkommene, Theorie der natürlichen Wahrnehmung und desgleichen
die von ihr entlehnte physiologische Theorie der Halluzinationen nur
dadurch möglich wurde, daß sie das Zeugnis der unmittelbaren Er-
fahrung beiseite setzte und den auf induktivem Wege gefundenen
Abhängigkeitsbeziehungen, die zwischen den Sinnesorganen und dem
Gehalt an äußerer Wahrnehmung bestehen, einen höheren Geltungs-
wert beilegte als den unmittelbar gegebenen letzten Tatsachen.
Wenn wir es demgegenüber uns und der pathopsychologischen For-
schung überhaupt zur Aufgabe machen, vor allem die phänomeno-
logischen Tatsachen zu Worte kommen zu lassen, so muß dazu aber
bemerkt werden, daß die folgenden phänomenologischen Unter-
suchungen weder in bezug auf die Wahrnehmung noch in bezug auf
die pathologischen Wahrnehmungstäuschungen erschöpfend sein wollen.
Bei der Beschreibung der Wahrnehmung werden wir eine Reihe von
Tatsachen kennen lernen, die für die Frage nach der Beschaffenheit
der Halluzinationen von Bedeutung sind. Die Phänomenologie der
Wahrnehmung soll also nur soweit durchgeführt werden, als es für
den Zweck der vorliegenden Untersuchung wünschenswert erscheint.
Aber auch in dieser Umgrenzung sind wir uns angesichts der Schwie-
rigkeit phänomenologischer Analysen bewußt, daß manche Fragen
zurückbleiben, die erst in späteren Einzelbehandlungen hinreichend
geklärt werden können. Bei der Beschreibung der Wahrnehmung
werden weiter aber auch eine Reihe von Fragen auftauchen, die bei
einer auch nur einigermaßen erschöpfenden Behandlung der Phäno-
menologie der pathologischen Wahrnehmungstäuschungen an diese
notwendig gestellt werden müßten und die in der vorliegenden Arbeit
eine Beantwortung nicht erfahren. Worauf es in erster Linie ab-
gesehen ist, ist die Untersuchung jenes Phänomens, das man-als das
Zusammenhalluzinieren der verschiedenen Sinne zu benennen pflegt.
Daneben soll von der Illusion gehandelt werden. Es sind also nur
Ausschnitte aus dem ganzen Gebiet der pathologischen Wahrnehmungs-
täuschungen, die in den folgenden Untersuchungen eine Beleuchtung
erfahren sollen. Wenn wir trotzdem und angesichts der kaum über-
sehbaren Literatur über die Halluzinationen unsere Einsicht in sie
 
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