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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 3.1914-1919

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Drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2777#0359
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Beitrag zur Psychopathologie und Psychologie des Zeitsinns. 353

Darin zeigt sieb, eine Grenze der Wirksamkeit der psycho-
energetischen Zeitschätzung: in sehr kleinen Zeiten kann
sich offenbar ein Tätigkeitsgefühl nicht entwickeln. .

Hier seien noch einige experimentelle Ergebnisse besprochen, die
für die Präge der Zurückfuhrung der Zeitgrößenwahrnehmung auf Aufmerksam-
keitsvorgänge von Wichtigkeit sind:

Schumann [31] stellte fest, daß psychische Ermüdung die wahrgenom-
menen Zeiten kürzer erscheinen läßt und erklärt diese Verkürzung der sub-
jektiven Zeit aus der geringeren Aufmerksamkeitsspannung t. Weiterhin ist
allgemein anerkannt, daß starke Erwartungsaffekte zu stärkerer Anstrengung
der Aufmerksamkeit und zu einer Verlängerung des subjektiven Zeitwertes
führen.

Nach Beobachtungen Meumanns werden gleichschnell sich folgende gleich-
artige Reize als schneller empfunden, wenn es viele sind, als wenn es
wenige sind. Schumann2 erklärt .dies aus einem Nachlassen der Erwartungs-
spannung bei öfterer Wiederholung eines Reizes; damit ist natürlich ein Nach-
lassen der Aufmerksamkeitsspannung verbunden3. Unlustgefühle richten die
Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße auf den Ablauf der Zeit und wirken dadurch
verlängernd auf den subjektiven Zeitwert*. Die Tatsache, daß durch stärkere
Grenzreize eingeleitete Intervalle als kürzer empfunden werden, erklärt
Schumann5 damit, daß die Aufmerksamkeit dann länger am Initialreiz hafte
und sich erst später den intervallären Erlebnissen zuwenden könne; das auf
letztere verwendete Aufmerksamkeitsquantum diene aber allein der Vergleichung
der Zeitstrecken«. In ähnlicher Weise spricht sieh Benussi aus7.

Nach Peststellung Schumanns [31] wird bei überraschend vorzeitig eintreten-
dem Schlußreiz das Intervall unterschätzt. Schumanns Erklärung, daß infolge
der Überraschung die Erwartungsspannung eine geringere sei, erscheint mir nicht

1 Man könnte allerdings dabei auch an eine andere Erklärung dieser Experi-
mente denken: Schumann machte diese Versuche mit sehr schnell sich folgenden
gleichartigen Reizen. (Striche auf einer rotierenden Trommel.) Bei sehr häufigen
Wiederholungen könnten sich die zentralen physiologischen Prozesse infolge Er-
schöpfung langsamer abspielen. Dadurch würde das Abklingen des primären
Erinnerungsbildes verlangsamt, und nach dem S. 334 ff. Gesagten würden dann die
entsprechenden Intervalle als kürzer empfunden werden müssen. Auch die Ver-
kürzung der subjektiven Zeit bei von vornherein bestehender psychischer Er-
müdung (Schümann [31]) kann in dieser Weise aus einer Verlangsamung des
Ablaufs der physiologischen Prozesse erklärt werden. Cf. auch S. 369.

2 Schumann [34] S. 42 ff.

3 Auch hier könnte man aber analog dem in der vorletzten Anmerkung Ge-
sagten an die Wirkung zentraler Ermüdungsprozesse denken.

1 Benussi [2] S. 128.

5 Schumann [34] S. 47.

6 Diese Tatsache ist aber auch aus dem Einfluß des stärkeren Grenzreizes
*uf die Entwicklung des sensoriellen Temporalzeichens erklärt worden und ent-
«chieden auch auf diese Weise deutbar («. S. 334).

7 Benussi [2] S. 139.

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