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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, Ergänzungsband 1.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2775#0025
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Verdrängung und Konversion. 21

Vorganges selbst, und daß die Erinnerung an ein schmerzliches Er-
lebnis, welches ursprünglich die Ausleitung in lokomotorische Bahnen
hatte, später nur sekretorische Ausleitungen findet.

Die Annahme von Freud, daß es eine Verdrängung gebe, läßt
eine Erweiterung zu, welche dem Schöpfer der Bezeichnung kaum
willkommen wäre; mit demselben Rechte, mit dem wir von einer
Hinausverlegung eines Bewußtseinsinhalts in die außerbewußte Sphäre
sprechen, könnten wir auch bei der Seelenblindheit und bei der
Seelentanbheit von einer Verdrängung sprechen; denn auch hier
treten Vorstellungen nicht ins Bewußtsein ein, die Dinge werden gesehen
und die Worte werden gehört, die Kranken werden aber des Geschehenen
und des Gehörten nicht bewußt. Warum sprechen wir hier nicht
von einer Verdrängung? Für die Anhänger der Stöhr sehen An-
schauung ist die Seelenblindheit und die Seelentaubheit wirklich etwas
mit der Affektunterdrttckung Verwandtes; in beiden Fällen sind die
Leitungsbahnen für die Bewegungsreize gestört; es unterbleiben die
motorischen Reizausleitungen in den gewohnten Bahnen und damit die
zweckmäßigen Reaktionen, die rückläufigen Reizungen, in der Sinnes-
peripherie; infolge dessen fehlen die an das Sehen und Hören asso-
ziiert gewesenen Vorstellungen, und damit fehlt wiedernm das Ver-
ständnis des Gesehenen und Gehörten.

Der verdrängte Affekt soll nach Freud zur Neubesetzung früher
erlebter körperlicher krankhafter Zustände benutzt werden; diese
Neubesetzung wird mit dem Ausdruck der Konversion ins Körperliche
belegt. Auch nach der Anschauung von Stöhr gibt es eine Kon-
version ins Körperliche, aber Stöhr operiert nicht mit dem meta-
physischen Begriffe der unterbewußt aufgespeicherten Vorstellungen,
sondern nimmt an, daß der Bewegungsreiz rückläufig aus dem vaso-
motorischen System in die Sinnesperipherie gelangen kann, und daß
sich so der Affekt in Form eines halluzinierten und in diesem Sinne
echt empfundenen Schmerzes zu entladen vermag. Normalerweise
gelangt ein grober Reiz zur Empfindungszelle an der Peripherie von
außen her und ruft Schmerzen hervor; aber es kommt auf das gleiche
hinaus, wenn ein intensiver rückläufiger Bewegungsreiz dieselbe Emp-
findungszelle trifft; wir sprechen zwar im letzteren Falle von einer
eingebildeten Schmerzempfindung, aber sie ist nicht eingebildet, sondern
wirklich vorhanden, nur auf abnorme Weise erzeugt. Gelingt es
 
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