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I.WERKSTOFF UND LITERATUR

Je höher ein Naturreich steht, um so geringer ist sein Ehrgeiz, sich dem
Herrn der Schöpfung zur Verfügung zu stellen. Das Mineralreich gibt uns
in verschwenderischer Weise die meisten Werkstoffe, wie z. B. die große
Gruppe der Metalle und die der Steine und Erden, auf denen die keramische
und die Glasindustrie beruht; Nebensächlichkeiten, wie etwa der Meerschaum,
spielen so gut wie gar keine Rolle. Viel sparsamer ist schon das Pflanzenreich,
dem wir die allerdings recht wichtige Gruppe des Holzes verdanken, und für
die Textilindustrie Leinen und Baumwolle. Stoffe wie Stroh, Kokosnuß und
selbst der Bernstein sind von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung.
Relativ beschränkt sind, zum Ausgleich dafür, daß sie in anderer Beziehung
mehr herhalten müssen, die Rohstoffe aus dem Tierreich, wenigstens was die
gewerbliche und kunstgewerbliche Verarbeitung angeht. Wolle, Seide und
Leder sind hier eigentlich die Hauptartikel. Als ob sie einen Ersatj bieten
müßten, spenden jedoch die Tiere eine große Reihe andersartiger Stoffe, die
an sich nicht von besonderem Belang sein mögen, aber dennoch eine recht will-
kommene Abwechslung in das Register bringen: Haare, Felle und Knochen,
Gehörn und Geweih bis zum Steinbock und Nashorn, Federn und Schuppen,
Zähne und Klauen bis zum sagenhaften „Einkürn" des Narwals, der „Nattern-
zunge" des Haifisches und der Adlerklaue, das Straußenei, sogar Bezoare,
Hummernscheren und Insektenflügel, vor allem die Koralle und ganz besonders
die drei schönsten Stoffe aus dem Tierreich: Elfenbein, Perlmutter und Schild-
patt. Die natürliche Schönheit solcher Materiale in Verbindung mit ihrer
leichten Bearbeitung bei einer doch erheblichen Widerstandsfähigkeit und
Haltbarkeit haben die Menschen seit jeher veranlaßt, diese nicht lebens-
notwendigen Stoffe nicht ungenütjt liegen zu lassen, wenn auch die bescheidenen
Ausmaße, in denen sie sich darbieten, ihrer Verwendungsmöglichkeit enge
Grenzen zieht. Des Phidias chryselephantiner Zeus von Olympia oder seine
Parthenon-Athena waren von Natur dazu verurteilt, nicht viele Jahrhunderte
zu überdauern, und — abgesehen von einigen ephemeren Diadochen-Repliken —
blieben sie ohne nennenswerte Nachfolge, zumal man in der Plastik den Belag
eines großen Holzkernes mit kleinen Elfenbeinstücken und Gold doch nicht zur
Regel werden lassen durfte. Übrigens hat das Elfenbein ungleich größere
Dimension wie die Perlmutter, die uns nur in verhältnismäßig dünnen und
obendrein noch gekrümmten Stücken von fast nur Handgröße zur Verfügung
steht. Weil die Perlmutter in ihrer chemischen Zusammensetzung nur ein
Calciumcarbonat, das heißt kohlensaurer Kalk, mit etwa einem Drittel orga-
nischer Substanz ist, kann sie für die Dauer wohl den Atmosphärilien ziemlich

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