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gilt. Wenn auch die neuere Kritik im Einzelnen vieles ändern
muss, so ist doch die Auffassung im Ganzen, die Art, wie er
der Kunst ihre Stellung, ihr Verhältnis zur übrigen Kultur zu-
weist, bis jetzt unerreicht. Der Mystik schenkt er eingehende
Berücksichtigung. Ihr widmet er ein besonderes Kapitel und
betont auf das Ausdrücklichste ihre Bedeutung für die Kunst,
ohne aber im Einzelnen den Vergleich durchzuführen und Zu-
sammenhänge klarzulegen. Er meint, dass «die Motive und
Schicksale der Kunst durch die Vergleichung mit den mystisch-
religiösen Regungen eine unerwartete Klarheit erlangen».
Wenn es der vorliegenden Arbeit gelingen sollte, zur Ver-
schaffung dieser Klarheit beizutragen, und, 'bescheiden an den
grossen Forscher anknüpfend, hier in diesem Punkte eine Er-
gänzung zu ihm zu liefern, so würde der Verfasser in diesem
Gefühle seine volle Befriedigung finden. — Geht Schnaase’s Be-
gabung und demgemäss seine Art der Auffassung mehr nach
der Seite des Historischen, so bewegt sich H. G. Hotho im All-
gemeinen mehr auf dem Gebiete des Kunstphilosophischen. In
seiner «Geschichte der deutschen und niederländischen Malerei»
(1842) geht auch er bei seinen Betrachtungen aus von dem
tiefen Bedauern, dass es ihm unmöglich ist, in der bildenden
Kunst seines Jahrhunderts eine wahre grosse Kunst zu sehen;
auch er weist hin auf die vergangenen grossen Kunstepochen
des deutschen Mittelalters und der Renaissance, und entwickelt,
auf welchen Voraussetzungen geistiger und kultureller Art jene
Kunst beruhte, Voraussetzungen, die seiner Zeit durchaus
fehlten, — und die, so müssen wir Modernen hinzufügen, uns
heutzutage erst recht fehlen. Vom Kreise des täglichen Lebens,
des endlichen Daseins, kurz von alledem, was er mit einem
Worte das «Prosaische» nennt, will er die Kunst streng ge-
schieden sehen, will ihr ebenso wie Religion und Philosophie
eine Stellung zugewiesen sehen, der man nur durch höchste
Erhebung von Geist und Seele sich nahen könne. Zum Kunst-
schaffen wie zum Kunstgeniessen und zum Kunstverständnis
bedarf es nach ihm eines «göttlichen Funkens» — bewusst oder
unbewusst bedient er sich desselben Bildes, das auch verschie-
dene Mystiker, besonders Meister Eckhart benützten, um das
Innere der Seele zu bezeichnen — jenes göttlichen Funkens,
gilt. Wenn auch die neuere Kritik im Einzelnen vieles ändern
muss, so ist doch die Auffassung im Ganzen, die Art, wie er
der Kunst ihre Stellung, ihr Verhältnis zur übrigen Kultur zu-
weist, bis jetzt unerreicht. Der Mystik schenkt er eingehende
Berücksichtigung. Ihr widmet er ein besonderes Kapitel und
betont auf das Ausdrücklichste ihre Bedeutung für die Kunst,
ohne aber im Einzelnen den Vergleich durchzuführen und Zu-
sammenhänge klarzulegen. Er meint, dass «die Motive und
Schicksale der Kunst durch die Vergleichung mit den mystisch-
religiösen Regungen eine unerwartete Klarheit erlangen».
Wenn es der vorliegenden Arbeit gelingen sollte, zur Ver-
schaffung dieser Klarheit beizutragen, und, 'bescheiden an den
grossen Forscher anknüpfend, hier in diesem Punkte eine Er-
gänzung zu ihm zu liefern, so würde der Verfasser in diesem
Gefühle seine volle Befriedigung finden. — Geht Schnaase’s Be-
gabung und demgemäss seine Art der Auffassung mehr nach
der Seite des Historischen, so bewegt sich H. G. Hotho im All-
gemeinen mehr auf dem Gebiete des Kunstphilosophischen. In
seiner «Geschichte der deutschen und niederländischen Malerei»
(1842) geht auch er bei seinen Betrachtungen aus von dem
tiefen Bedauern, dass es ihm unmöglich ist, in der bildenden
Kunst seines Jahrhunderts eine wahre grosse Kunst zu sehen;
auch er weist hin auf die vergangenen grossen Kunstepochen
des deutschen Mittelalters und der Renaissance, und entwickelt,
auf welchen Voraussetzungen geistiger und kultureller Art jene
Kunst beruhte, Voraussetzungen, die seiner Zeit durchaus
fehlten, — und die, so müssen wir Modernen hinzufügen, uns
heutzutage erst recht fehlen. Vom Kreise des täglichen Lebens,
des endlichen Daseins, kurz von alledem, was er mit einem
Worte das «Prosaische» nennt, will er die Kunst streng ge-
schieden sehen, will ihr ebenso wie Religion und Philosophie
eine Stellung zugewiesen sehen, der man nur durch höchste
Erhebung von Geist und Seele sich nahen könne. Zum Kunst-
schaffen wie zum Kunstgeniessen und zum Kunstverständnis
bedarf es nach ihm eines «göttlichen Funkens» — bewusst oder
unbewusst bedient er sich desselben Bildes, das auch verschie-
dene Mystiker, besonders Meister Eckhart benützten, um das
Innere der Seele zu bezeichnen — jenes göttlichen Funkens,