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Conze, Alexander ; Humann, Carl; Bohn, Richard
Die Ergebnisse der Ausgrabung zu Pergamon 1880-1881: Vorläufiger Bericht, in: Jahrbuch der Königlich-Preußischen Kunstsammlungen, 3.1882, S. 47-90 — Berlin, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.912#0023
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VON RICHARD BOHN 6q

führend, während der Eingang zu dem grossen Platze durch eine energische westliche
Biegung erreicht wird.

Auf der Westseite des Plateaus ist die alte Stützmauer nur teilweise erhalten,
und zwar da, wo wohl in römischer Zeit zwei durch einen Bogen verbundene vor-
gelegte Pfeiler dem drohenden Sturz Einhalt tun sollten. Nord- und Ostseite endlich
des Platzes waren, wie die Untersuchung ergab, einst durch Hallen eingefasst, über
welche ich später das Nähere angeben werde.

Die Breiten-Ausdehnung des so umschlossenen Platzes beträgt im Süden etwas
über 90, nördlich dagegen nur 74, die Tiefe nahezu 70 Meter. Seine natürliche
Gestaltung war die eines von Nord-Ost nach Süd und nach West sich neigenden
Felsbodens; die jetzige vollständig horizontale Gestalt erhielt er teils durch An-
füllung eben jener tieferen Partien, teils durch Abarbeitung des gewachsenen Felsens,
wie man noch jetzt in den vertikal ansteigenden Trachytmassen längs jenes vor-
erwähnten Hauptweges unweit des Quellbaus erkennen kann. Ob diese Herrichtung
des Platzes erst im zweiten Jahrhundert v. Chr. zugleich mit den Hallenbauten
entstanden, oder wenigstens zum Teil schon älteren Ursprungs ist, muss vorläufig
dahin gestellt bleiben. Denn die Anlage, welche wir vorfanden, stammt sicherlich aus
verschiedenen Zeiten.

Der ältesten Epoche, nicht allein dieses Platzes, sondern der Burg überhaupt,
so weit solche bis jetzt bekannt, gehören ansehnliche Fundamentreste nahe der süd-
westlichen Ecke an. Direkt auf den dazu geebneten Fels gestreckt, hat sich dort eine
wenn auch unterbrochene Reihe von Platten erhalten und parallel mit ihr westlich
davon eine zweite, welche aber dem unregelmässig fallenden Terrain folgend noch
bis zu vier Schichten Tiefe vorhanden ist. Beide sind untereinander an ihren
Enden in gleicher Weise verbunden, so dass die vier Fundamentmauern also ein
längliches Rechteck umschlossen. Die sorgfältige Reinigung dieser Reste ergab nun,
dass die nach aussen gekehrten Seiten sämmtlicher Plinthen fluchtrecht waren, während
die inneren eine unregelmässige Linie bildeten. Es lag also, gleich als sie sichtbar
wurden, nahe, darin einen Tempelstereobat zu erkennen, dessen Dimensionen bei
einer Breite von i3,02 Meter eine Länge von 22,53 Meter ergaben. Bei fortgesetzter
Reinigung des in solcher Weise umgrenzten Abschnittes Hessen sich noch weitere
Anhaltspunkte für die Raumeinteilung gewinnen; zunächst die Reste der westlichen
Cellawand, zum Teil als Platten, zum Teil als nur roh zugehauene Blöcke zur Aus-
gleichung des unebenen Felsbodens; ferner aber auch einige unter sich korrespon-
dierende Felsbearbeitungen, welche die Bettungen für die Fundierung der Pronaos-
bezüglich Opisthodom-Säulen kennzeichnen.

Die allgemeine Disposition als die eines Peripteraltempels war hierdurch gegeben.
Schwieriger gestaltete sich die Frage nach dem Aufbau; denn diese konnte nur durch
die vergleichende Messung sämmtlicher in der Nähe und weiter hinab an den Hängen
zerstreuten Bauglieder gelöst werden. Die bereits während der ersten Campagne aus-
gesprochene Vermutung, dass diese Reste dorischer Ordnung aus dem schlichten
Material, wie es der Trachyt der Burg selbst bot, hierher gehören möchten, fand, wie
die Fundstellen jener Stücke sie nahe legten, ihre feste Bestätigung namentlich darin,
dass die sich ergebende Triglyphenaxe von 0,79 Meter genau in der Teilung der noch
in situ befindlichen Fundamentplinthen wiederkehrte.

In Nachfolgendem gebe ich eine Erläuterung zu dem beigefügten Holzschnitt,
welcher die Rekonstruktion des Frontsystems giebt; ich entnehme sie einem der
 
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