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Conze, Alexander ; Humann, Carl; Bohn, Richard
Die Ergebnisse der Ausgrabung zu Pergamon 1880-1881: Vorläufiger Bericht, in: Jahrbuch der Königlich-Preußischen Kunstsammlungen, 3.1882, S. 47-90 — Berlin, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.912#0033
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VON ALEXANDER CONZE 79

jährigen Ausgrabungen zur Wiederherstellung des letzteren an Ergänzungsstücken
geliefert haben.

Von den Reliefs sind es zwei ganze Platten, eine der Gigantomachie, eine des
kleinen Frieses, beide in ziemlich beschädigtem Zustande; aber die des kleinen Frieses
enthält die Gestalt eines bei einer Ceremonie Fackeln tragenden Mädchens, von
höchster Anmut im Sinne der hellenistischen Kunst, und ist damit sogar von selbst-
ständigem Werte. Die Gigantomachieplatte aber, mit einer nach links hin gewandten
Göttin, ist eine Eckplatte und als solche für die Herstellung des Ganzen besonders
wichtig. Wir besitzen bereits von zwei Ecken des Baus, von der südöstlichen und
von der links am Treppenaufgange befindlichen beide zugehörige Reliefplatten, ausser-
dem von drei Ecken je eine Platte: den Dionysos (rechtshin gewandt), die Kybele
(rechtshin gewandt), die über Gigantenleiber hinschreitende Göttin (ebenfalls rechtshin
gewandt). Von den sechs Ecken, welche den Bau bilden, waren also fünf ganz oder
zur Hälfte vorhanden. Die neu gefundene kann der Richtung der Figur nach an
eine der drei bisher vereinzelten Eckplatten gehören oder auch die eine Hälfte der
sechsten Ecke sein.1) Kurz, wir kommen der Vollständigkeit der Kombinations-
elemente einigermassen näher. Und darin liegt der grosse Wert auch der reichlich
tausend jetzt neu hinzugefundenenen kleinen und kleinsten Bruchstücke, auch der
unansehnlichsten oft, dass sie für die Herstellung nicht nur beschädigter Einzelheiten,
sondern oft auch des Ganzen der Komposition Hülfe bringen können. Ein Beispiel
dafür mag genügen. Schon wenige Tage nach dem Eintreffen der ersten Kisten mit
Gigantomachie-Fragmenten im Königlichen Museum ist es Herrn Freres, dem treff-
lichen Verwalter dieses Theiles der Arbeiten, gelungen, in einem von Steinmetzen
schon bis fast zur Unkenntlichkeit entstellten Plattenreste das Bindeglied zwischen
den beiden, uns so glücklich erhaltenen Hauptgruppen zu erkennen. Der Steinmetz
muss die Absicht gehabt haben, den Marmor etwa zu Treppenstufen oder türkischen
Grabsteinen zurechtzuhauen; er hatte zu dem Zwecke die erhabenen Reliefteile aus
dem Groben abgemeisselt und die ganze Platte der Länge nach in drei gleiche Streifen
geteilt; für den Streifen links ist er damit zu Stande gekommen, er fehlt; die Trennung
der andern beiden erscheint erst mit Meisselhieben in einer Längslinie markiert;
bei der rohen Prozedur des Weiterdurcharbeitens dieser Linie ist dann aber der
Marmor quer durchgesprungen, für die Zwecke der Steinmetzen damit unbrauchbar
geworden und in verschiedenen Stücken liegen geblieben, deren fünf sich jetzt wieder
zusammengefunden haben. Auf dem einen ist die Spitze des linken Flügels des von
Athena überwältigten Giganten, auf zwei andern die Windung der zum Bisse nach
der Brust desselben Giganten sich richtenden Schlange, auf dem untern Reste endlich
ein formlos gewordener Teil eines hingestreckt liegenden Giganten vom Scharfblick
des Herrn Freres erkannt. Wir haben den unmittelbaren Anschluss an die linke Seite
der Athenagruppe und höchst wahrscheinlich, wie hier nicht weiter im Einzelnen aus-
einandergesetzt werden kann, schloss die verstümmelte Platte andererseits mit ihrem
jetzt verlornen linken Rande unmittelbar rechts an die Zeusgruppe an. So, wie sie
in der Rotunde des Königlichen Museums neben einander aufgestellt sind, Athena
rechts, Zeus links, gehörten dann also die Gruppen, deren Korrespondenz von

') Während des Druckes dieser Zeilen stellt sich heraus, dass sie mit der Kybele eine
Ecke und zwar die Südwest-Ecke bildete. Ein grosser Schritt vorwärts ist damit in der
Rekonstruktion des Ganzen geschehen.
 
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