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JUNGSTEINZEIT

ALLGEMEINES

Zahlreiche Funde treten in Unterfranken erst-
mals in der Jungsteinzeit entgegen, besonders
reichhaltig bereits in der ältesten neolithischen
Kultur Mitteleuropas, in der B andkeramik.
Die durch Scherben ausgewiesenen Plätze sind
so zahlreich, daß der andernorts ermittelte Le-
benscharakter des Wanderbauern mit öfterem
Wohnplatzwechsel auch für Mainfranken wahr-
scheinlich wird. Wie unsere Karte 3 schon zeig-
te, bevorzugte man zwar den Lößboden, mied
jedoch die großen Lößflächen (vgl. S. 16).
Was die Siedlungsreste der Ausgrabungen an
bandkeramischen Plätzen betrifft, so zeigen die
lückenhaften Fundberichte, sowie die erhalte-
nen Photos und Zeichnungen die bekannten
mehr oder weniger umfangreichen Gruben oder
Grubensysteme, die heute nicht mehr als die
Wohnstellen betrachtet werden können55. Ob
moderne Grabungen in Unterfranken zu
brauchbaren Ergebnissen führen, ist nicht im-
mer sicher, weil hier eine oft tiefreichende
Verwitterungsdecke des Lösses die Beobach-
tung von Pfostenlöchern unmöglich zu ma-
chen scheint56.
Unter den Belegen sind Hinweise auf umfang-
reiche Siedlungen vom Schlage eines Köln-Lin-
denthal in Pflaumheim-Großostheim-Mömlin-
g en und Estenfeld-Kürnach vorhanden. Wie
weit andere Siedlungsspuren gemeinsam zu grö-
ßeren Dörfern gehören, muß erst sorgfältige
Geländearbeit ergeben.
Sog. Hüttenbewurf ist z. T. mit guten Stangen-
abdrücken erhalten. G. Bersu macht aber wahr-
scheinlich, daß er, wenn er nur in mäßiger
Menge auftritt, von den Flechtwerkkuppeln von
Back- und Kochherden stammt, die nach gewis-
ser Zeit erneuert werden müssen und deren
Lehmbewurf dann in die Gruben gelangte57.
So große Mengen von Bewurf, wie sie er-
fahrungsgemäß bei Zerstörung eines lehmver-

schmierten Fachwerkhauses entstehen müssen,
liegen von keiner unterfränkischen Fundstelle
vor.
Wie andernorts sind auch in Unterfranken die
bandkeramischen Bestattungen den Siedlungen
gegenüber in der Minderzahl (vgl. Karte 3). W.
Buttler vermutet, daß sie wohl meist unbeachtet
zerstört wurden, zumal sie, z. B. in Mittel- und
Süddeutschland oft beigabenlos sind58. Das
könnten die Reste eines Grabes unter Grube
XIII in Pflaumheim bestätigen. Aber auch sonst
sind die Beigaben so spärlich (Hohestadt: Hak-
ke, Klopfstein; Hettstadt: Scherben, Steinbeil(?)-
fragment), daß unbeobachtete Zerstörungen
nur zu wahrscheinlich sind. Die wenigen be-
kannt gewordenen Gräber sind auch leider nur
ungenügend beobachtet (Estenfeld, Pflaumheim,
Schweinfurt). Neben zwei links liegenden Hok-
kern in Hohestadt und Oberaltertheim, wie sie
für die Bandkeramik typisch sind58, beide von
Westen nach Osten orientiert, gibt es aus Pros-
selsheim einen auf der rechten Seite liegenden
Hocker. Alle diese Toten zeigen — soweit Skiz-
zen und Photos vorhanden sind — keine extre-
me, auf Fesselung zurückgehende Lage, wie sie
Buttler auch nur vereinzelt aus Mitteldeutsch-
land kennt59, sondern eine wohl als Schlafstel-
lung zu deutende Bettung.
In Hohestadt fand sich der Hocker im Bereich
einer Siedlung, in Oberaltertheim und Prossels-
heim sogar in Gruben. Ob hier Teile von
Wohnbauten, etwa Keller, vorliegen, ist heute
nicht mehr zu entscheiden (vgl. S. 71). W. Butt-
ler warnt auf alle Fälle davor, ohne weiteres
eine „Bestattung im Haus" anzunehmen. Es sei
wahrscheinlicher, daß die Toten in der Kultur-
schicht in aufgegebenen Gruben beigesetzt wur-
den 60.
Neolithische Hortfunde sind in Mitteleuropa,
zumal zeitlich nicht einschichtig, recht selten

55) O. Paret, Das neue Bild der Vorgeschichte, 1946, 54 ff. — 33. Ber. RGK 1943/50, 1951, 61 ff. (A. Stieren),
89 ff. (E. Sangmeister).

56) G. Hock, Rössen, 6.

57) Germania 18, 1934, 134 f. (G. Bersu).

58) W. Buttler, Der donauländische u. der westische Kulturkreis der jüngeren Steinzeit. Handbuch der Urge-
schichte Deutschlands 2, 1938, 19.

59) Vgl. D. Dahlke, Die Bestattungssitten des Donauländischen Kulturkreises der jüngeren Steinzeit Teil I.
Linienbandkeramik, (1954), 121.

60) W. Buttler a. a. O. 20.

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