Ansicht der Zeitgenossen
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Aussprüche über seine beiden Rivalen, Äschylus und Euripides,
allbekannt sind, und dem einige 20 Jahre jüngeren Plato, der einzige
Zeitgenosse, der sich, zu unserer Kenntnis gelangt, eingehender mit
ihm befasst hat. Wenigstens die Aufführungen aus Euripides’ letzten
10 bis 20 Jahren hat er ohne Zweifel mit angesehen und mit
scharfer Aufmerksamkeit verfolgt. In dreien seiner Komödien, den
Acharnern vom Jahre 425, den Thesmophoriazusen von 411', und
vor allen in den Fröschen von 405 hat er den Tragiker zur Ziel-
scheibe seines Spottes gemacht. Überall ist es der Dichter, den
Aristophanes angreift, im Grunde weniger die Person als der neu-
modische Stil seiner Bühnenkunst. Das wird besonders an der
witzigen Gegenüberstellung des alten Aeschylischen und des neuen
Euripideischen Stils in den Fröschen klar. Drastisch übertreibend,
wie es die groteske Manier der 'alten3 Komödie war, lässt er die
beiden Stile sich aneinander messen. Gerade weil die hohe Ver-
ehrung, die Aristophanes augenscheinlich für den grossen Altmeister
hegt, ihn nicht abhält, auch über die altertümliche Herbigkeit seiner
ins Grosse malenden Kunst und ihre Vorliebe für volltönendes, ge-
waltiges Wort sich lustig zu machen, lässt die schonungslose Bitter-
keit würdigen, mit der er den Neumodischen, nach seiner Meinung
einen Kunstverderber, angreift. Wieviel Berechtigung er hatte, wird
unsere Analyse dartun.
Deutlich spüren wir in dieser Bitterkeit auch noch ein Persön-
liches, d. h. nicht etwas, das in Aristophanes’, sondern in Euripides’
Persönlichkeit lag. Keineswegs etwa dem Philosophen gilt es,
sondern dem Menschen Euripides, seinem Charakter. Nicht die
Anspielungen auf dessen Abkunft, auf seine Mutter, die Krauthökerin,
oder die auf sein eheliches Missgeschick sind gemeint. Ohne dem
Aristophanes und der antiken Komödie zu nahe zu treten, darf man
behaupten, dass der erste Vorwurf nichts zu bedeuten hat, und dass
der zweite vielleicht keine andere tatsächliche Unterlage hat als
Stadtklatsch und die nicht allzu günstigen Schilderungen, die Euri-
pides den Ehefrauen seiner Dramen angedeihen lässt, die indes im
Grunde kaum schlechter wegkommen als seine Männer. Nein, der
eigene, ganz persönliche Charakter des Dichters ist gemeint, der in
den Fröschen so ganz unvereinbar ist mit dem Bilde, das moderne
Beurteiler sich von dem edlen Weisen machen, der an dem Nieder-
gang seiner Vaterstadt schwer getragen und an den letzten Fragen
der Welt und des Menschenlebens sich zerquält haben soll. Dies
Bild beruht durchaus auf der hier bekämpften unrichtigen Wertung
Euripideischer Poesie. Auf das bekannte Bildnis des Dichters, das
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Aussprüche über seine beiden Rivalen, Äschylus und Euripides,
allbekannt sind, und dem einige 20 Jahre jüngeren Plato, der einzige
Zeitgenosse, der sich, zu unserer Kenntnis gelangt, eingehender mit
ihm befasst hat. Wenigstens die Aufführungen aus Euripides’ letzten
10 bis 20 Jahren hat er ohne Zweifel mit angesehen und mit
scharfer Aufmerksamkeit verfolgt. In dreien seiner Komödien, den
Acharnern vom Jahre 425, den Thesmophoriazusen von 411', und
vor allen in den Fröschen von 405 hat er den Tragiker zur Ziel-
scheibe seines Spottes gemacht. Überall ist es der Dichter, den
Aristophanes angreift, im Grunde weniger die Person als der neu-
modische Stil seiner Bühnenkunst. Das wird besonders an der
witzigen Gegenüberstellung des alten Aeschylischen und des neuen
Euripideischen Stils in den Fröschen klar. Drastisch übertreibend,
wie es die groteske Manier der 'alten3 Komödie war, lässt er die
beiden Stile sich aneinander messen. Gerade weil die hohe Ver-
ehrung, die Aristophanes augenscheinlich für den grossen Altmeister
hegt, ihn nicht abhält, auch über die altertümliche Herbigkeit seiner
ins Grosse malenden Kunst und ihre Vorliebe für volltönendes, ge-
waltiges Wort sich lustig zu machen, lässt die schonungslose Bitter-
keit würdigen, mit der er den Neumodischen, nach seiner Meinung
einen Kunstverderber, angreift. Wieviel Berechtigung er hatte, wird
unsere Analyse dartun.
Deutlich spüren wir in dieser Bitterkeit auch noch ein Persön-
liches, d. h. nicht etwas, das in Aristophanes’, sondern in Euripides’
Persönlichkeit lag. Keineswegs etwa dem Philosophen gilt es,
sondern dem Menschen Euripides, seinem Charakter. Nicht die
Anspielungen auf dessen Abkunft, auf seine Mutter, die Krauthökerin,
oder die auf sein eheliches Missgeschick sind gemeint. Ohne dem
Aristophanes und der antiken Komödie zu nahe zu treten, darf man
behaupten, dass der erste Vorwurf nichts zu bedeuten hat, und dass
der zweite vielleicht keine andere tatsächliche Unterlage hat als
Stadtklatsch und die nicht allzu günstigen Schilderungen, die Euri-
pides den Ehefrauen seiner Dramen angedeihen lässt, die indes im
Grunde kaum schlechter wegkommen als seine Männer. Nein, der
eigene, ganz persönliche Charakter des Dichters ist gemeint, der in
den Fröschen so ganz unvereinbar ist mit dem Bilde, das moderne
Beurteiler sich von dem edlen Weisen machen, der an dem Nieder-
gang seiner Vaterstadt schwer getragen und an den letzten Fragen
der Welt und des Menschenlebens sich zerquält haben soll. Dies
Bild beruht durchaus auf der hier bekämpften unrichtigen Wertung
Euripideischer Poesie. Auf das bekannte Bildnis des Dichters, das