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Petri, Grischka; Strindberg, August
Der Bildprozeß bei August Strindberg — Köln: Seltmann & Hein, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.75392#0033
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2. Anfänge und Anlagen

sammenhang mit Strindbergs Malerei oft zitierte Stelle21 im Sohn der Magd
stellt - vierzehn Jahre später geschrieben - für den ersten Malversuch nun
selbst diese Verbindung her:
Als er nun am niedergeschlagensten war, ging er zu seinem Freund dem Naturforscher
hinauf. Es munterte ihn auf, dessen Herbarien und Mikroskope zu sehen, seine Aquarien
und physiologischen Präparate. [...] Der Kamerad hatte jedoch einen alten Hang zur
Ästhetik in sich, und er malte in Öl. Das interessierte nun Johan wunderbar. Denk nur,
eine grünende Landschaft jetzt mitten in den furchtbaren Nebeln des Frühlingswinters
pinseln und sie an seine Wand hängen zu können! // - Ist es schwer zu malen? fragte er.
// - Nein, bewahre, es ist leichter als zu zeichnen. Versuch es nur! // Johan, der schon
ganz furchtlos ein Lied mit Gitarrenbegleitung komponiert hatte, fand das mit dem Ma-
len gar nicht so unmöglich, und er lieh sich Staffelei, Farben und Pinsel. Und dann ging er
nach Hause und schloß sich ein. Er nahm aus einer illustrierten Zeitung eine Zeichnung,
die eine Schloßruine darstellte, und die kopierte er. Als er zu sehen bekam, wie die blaue
Farbe wie ein klarer Himmel wirkte, wurde er von Sentimentalität ergriffen, und als er
dann grüne Büsche und einen Rasen hervorzauberte, wurde er unsagbar glücklich, als ob
er Haschisch gegessen hätte. Der erste Versuch war gelungen. Aber dann wollte er ein
Gemälde kopieren. Das ging nicht. Alles wurde grün und braun; er konnte seine Farben
nicht auf die Töne des Originals abstimmen. Da verzweifelte er tief.22
2.1 Mimesis als Aufgabe und Aufgabe
der Mimesis
Aus dieser Passage aus dem Sohn der Magd geht hervor, daß Strindberg von
Anfang an Probleme mit der Umsetzung seiner malerischen Vorstellungen ins
Bildprodukt hatte. Sein Bildprozeß ist gestört, mißt man ihn an Strindbergs ei-
genen Vorstellungen. Er stellt seinen Malversuch als Scheitern an einer selbst-
zugedachten Aufgabe dar: der farblichen Umsetzung eines Vor-Bildes. Daß es
ihm um eine solche »optische Mimesis< ging, ist an den erhaltenen Zeichnun-
gen aus den Sommern 1872 und 1873 auf Kymmendö ablesbar. Sie sind Skiz-
zen vor der Natur, die Vorstudien für Gemälde darstellen. Auch die Ölbilder,
die in diesem Zusammenhang entstanden, sind nach Strindbergs Selbstver-
ständnis eher als Studien anzusehen. Ein Beispiel dafür ist Strandpartie,
Kymmendö I, wo die Vorzeichnung der Zwillingskiefer als Motiv übernom-
men wird.23 Seine Bestrebungen, das Malen »richtig« zu können (aber natür-
lich nicht zu lernen), ergibt sich auch ganz unmittelbar ohne jeden ästhetisch-


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1August Strindberg
Zwillingskiefer
Kymmendö 1873


2 August Strindberg
Strandpartie, Kymmendö I
Kymmendö 1873

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