[Kapitell] Fakten und Prozeßbeteiligte: Frühwerk und Bildkoordinaten
philosophischen Hintergrund aus zwei Briefausschnitten, die seine Verzweif-
lung über sein technisches Unvermögen ausdrücken - und sogleich erfolg-
reich dramatisieren:
Wenn ich schöne Bilder machen könnte oder Komiker wäre würde ich groß und glücklich
auf einmal werden [...] Jetzt ist das Essen alle, und deshalb scheiß ich auf das Leben!24
Ich bin ein höchst unglücklicher Mensch! [...] Ich habe eine Woche lang eine Leinwand
an der Staffelei aufgespannt gehabt. Ich wollte eine Frau malen, so schön wie noch keine
gewesen. Ich habe gemalt, und eine Mißgeburt nach der anderen erblickte das Tages-
licht und verschwand wieder. Ich bin gottseidank wohl schon wahnsinnig, so daß ich
nicht das Unsinnige in meinem Wunsch ersehe. // Dann wollte ich eine Landschaft
malen, natürlich mit Meer - und es wurde eines der Bilder, wie man sie auf Kegelbahn-
wänden sieht - und trotzdem glaube ich!25
Abseits aller Schicksalsdramatisierung - sein Stück Meister Olofwar ein-
mal mehr abgelehnt worden - wird klar: Strindberg hat versucht, >realistisch<,
das heißt mit mimetischer Intention,26 zu malen und scheiterte am mensch-
lichen Sujet und an mangelnden technischen Fähigkeiten, wie Farbe zu
mischen und Stofflichkeit wiederzugeben.27 Strindbergs Werke dieser frühen
Phase verraten denn auch nicht die emotionale Intensität, die später charakte-
ristisch für seine Malerei wurde.28 Teile der Forschung betrachten dies als
Problem bei der Umsetzung eines romantischen Programms: »Realist wollte
er [...] nicht sein. Er vermochte nur nicht richtig sein romantisches Programm
zu verwirklichen.«29 Ein romantisches Programm ist aus jener Zeit aber für
Strindberg nicht nachweisbar. Diese Konstruktion scheitert an beiden ihrer
Elemente: der >Romantik< und dem »Programme
Zur Romantik ist anzumerken, daß Strindberg damals in eine ganz ande-
re ästhetische Schule ging. Sein Professor in Uppsala, Carl Rupert Nyblom,
vertrat einen »gepflegt realistischen« Standpunkt. In der Kunst ginge es um
Naturwahrheit, ein Kunstwerk sollte eine (empirisch verwurzelte) Naturerfah-
rung wiedergeben und keine in Landschaftsformeln übersetzte (abstrakte)
Stimmung. Im - sich oft allerdings nicht ganz klar abzeichnenden - Unter-
schied zu seinem ebenfalls in Uppsala tätigen Kollegen Lorentz Dietrichson
lehnte er die Ansicht ab, daß sich im Kunstwerk ein Ewiges zeigen solle, son-
dern strebte eine »Befreiung von der leeren Rüstung des falschen Idealismus«
an.30 In seiner Abschlußarbeit für Nyblom, Hakon Jarl oder Idealismus und
Realismus, bezieht Strindberg auch klar gegen >die Romantik« Stellung für
den Realismus. Dieser steht hier nicht für eine agitatorische Motivemanzipa-
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philosophischen Hintergrund aus zwei Briefausschnitten, die seine Verzweif-
lung über sein technisches Unvermögen ausdrücken - und sogleich erfolg-
reich dramatisieren:
Wenn ich schöne Bilder machen könnte oder Komiker wäre würde ich groß und glücklich
auf einmal werden [...] Jetzt ist das Essen alle, und deshalb scheiß ich auf das Leben!24
Ich bin ein höchst unglücklicher Mensch! [...] Ich habe eine Woche lang eine Leinwand
an der Staffelei aufgespannt gehabt. Ich wollte eine Frau malen, so schön wie noch keine
gewesen. Ich habe gemalt, und eine Mißgeburt nach der anderen erblickte das Tages-
licht und verschwand wieder. Ich bin gottseidank wohl schon wahnsinnig, so daß ich
nicht das Unsinnige in meinem Wunsch ersehe. // Dann wollte ich eine Landschaft
malen, natürlich mit Meer - und es wurde eines der Bilder, wie man sie auf Kegelbahn-
wänden sieht - und trotzdem glaube ich!25
Abseits aller Schicksalsdramatisierung - sein Stück Meister Olofwar ein-
mal mehr abgelehnt worden - wird klar: Strindberg hat versucht, >realistisch<,
das heißt mit mimetischer Intention,26 zu malen und scheiterte am mensch-
lichen Sujet und an mangelnden technischen Fähigkeiten, wie Farbe zu
mischen und Stofflichkeit wiederzugeben.27 Strindbergs Werke dieser frühen
Phase verraten denn auch nicht die emotionale Intensität, die später charakte-
ristisch für seine Malerei wurde.28 Teile der Forschung betrachten dies als
Problem bei der Umsetzung eines romantischen Programms: »Realist wollte
er [...] nicht sein. Er vermochte nur nicht richtig sein romantisches Programm
zu verwirklichen.«29 Ein romantisches Programm ist aus jener Zeit aber für
Strindberg nicht nachweisbar. Diese Konstruktion scheitert an beiden ihrer
Elemente: der >Romantik< und dem »Programme
Zur Romantik ist anzumerken, daß Strindberg damals in eine ganz ande-
re ästhetische Schule ging. Sein Professor in Uppsala, Carl Rupert Nyblom,
vertrat einen »gepflegt realistischen« Standpunkt. In der Kunst ginge es um
Naturwahrheit, ein Kunstwerk sollte eine (empirisch verwurzelte) Naturerfah-
rung wiedergeben und keine in Landschaftsformeln übersetzte (abstrakte)
Stimmung. Im - sich oft allerdings nicht ganz klar abzeichnenden - Unter-
schied zu seinem ebenfalls in Uppsala tätigen Kollegen Lorentz Dietrichson
lehnte er die Ansicht ab, daß sich im Kunstwerk ein Ewiges zeigen solle, son-
dern strebte eine »Befreiung von der leeren Rüstung des falschen Idealismus«
an.30 In seiner Abschlußarbeit für Nyblom, Hakon Jarl oder Idealismus und
Realismus, bezieht Strindberg auch klar gegen >die Romantik« Stellung für
den Realismus. Dieser steht hier nicht für eine agitatorische Motivemanzipa-
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