[Kapitel8] Motive als Konstanten im Bildprozeß: Die Bilder von Dörnach
vor der sichtbaren Natur. - Deren Erscheinungsbild ist zum einen gegen-
ständlich, zum anderen für sich genommen bereits wandelbar. Strindberg
sucht sich seine Motive sorgfältig aus, damit sie im Allgemeinen bleiben.
Durch ihre Einfachheit können sie sich allen Alterationen der Einbildung,
»der Verkleidung des Irrealen, den Verzauberungen des Nichtexistierenden«
hingeben.76 Sie kommen Strindbergs Tendenz, das Seelische in Analogie
zum Physischen zu setzen,77 sehr entgegen. Robinson faßt es so zusammen:
»Die launische Kreativität legt hier ganz deutlich nahe, daß Phänomene nicht
mehr als passive Objekte anzusehen sind, die auf die Entdeckung durch den
wahrnehmenden Künstler warten, sondern lebhaft im Drama des Geistes
agieren, der sie freigesetzt hat.«78 Voraussetzung für den >Naturalisten< August
Strindberg ist, daß die Welt nicht stillsteht, »eine Welt von Einzelheiten, stän-
dig abhängig von variierenden Verhältnissen, von der Perspektive, von dem,
der sieht.«79 Der nächste Schritt im Bildprozeß ist dann derjenige von der
Kunst zurück in die Welt.
6. Siebtes Zwischenspiel
Durch die Motivwahl ist der realistische Impuls Strindbergs befriedigt.
Strindberg trennt sich nicht vom Gegenstand, sucht sich aber solche aus, die
seinem dynamischen Impuls entgegenkommen, wie Sturm und Wolken. Er
hat seine beweglichen Landschaften gefunden. Der Skogssnuvismus als rekur-
sive Ästhetik begreift damit auch die Motivebene ein. Form und Inhalt sind
bildprozessual bis zu einem hohen Grad komplementär. Wo der Symbolcha-
rakter stärker betont wird, verweist er wiederum auf Elemente der Verände-
rung. Die Ausdeutung des Bildgegenstandes als solcher, beispielsweise durch
psychologische oder mythengeschichtliche Fragestellungen, wird durch die
Offenheit der Sujets erleichtert.
In Strindbergs auf der Motivebene vorgenommener Grenzüberschrei-
tung zwischen Diesseits und Jenseits ist - durch den Tagebuchhinweis auf
Plato - sein moralischer Impuls wirksam, der die Uneindeutigkeit des Lebens
einmal resignierend auffaßt (Inferno), einmal als paradiesische Vision (Die
grünende Insel, Alpenlandschaft, Wunderland). Er wird auch bei dem Aus-
griff dieses in der Kunst erprobten Konzeptes der fast vollständigen Einheit
(von Entstehungs- und Wahrnehmungsprozeß, Künstler und Betrachter,
Kunst und Natur, Motiv und >Technik<) in die Welt außerhalb der Kunst von
großer Bedeutung sein.80
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vor der sichtbaren Natur. - Deren Erscheinungsbild ist zum einen gegen-
ständlich, zum anderen für sich genommen bereits wandelbar. Strindberg
sucht sich seine Motive sorgfältig aus, damit sie im Allgemeinen bleiben.
Durch ihre Einfachheit können sie sich allen Alterationen der Einbildung,
»der Verkleidung des Irrealen, den Verzauberungen des Nichtexistierenden«
hingeben.76 Sie kommen Strindbergs Tendenz, das Seelische in Analogie
zum Physischen zu setzen,77 sehr entgegen. Robinson faßt es so zusammen:
»Die launische Kreativität legt hier ganz deutlich nahe, daß Phänomene nicht
mehr als passive Objekte anzusehen sind, die auf die Entdeckung durch den
wahrnehmenden Künstler warten, sondern lebhaft im Drama des Geistes
agieren, der sie freigesetzt hat.«78 Voraussetzung für den >Naturalisten< August
Strindberg ist, daß die Welt nicht stillsteht, »eine Welt von Einzelheiten, stän-
dig abhängig von variierenden Verhältnissen, von der Perspektive, von dem,
der sieht.«79 Der nächste Schritt im Bildprozeß ist dann derjenige von der
Kunst zurück in die Welt.
6. Siebtes Zwischenspiel
Durch die Motivwahl ist der realistische Impuls Strindbergs befriedigt.
Strindberg trennt sich nicht vom Gegenstand, sucht sich aber solche aus, die
seinem dynamischen Impuls entgegenkommen, wie Sturm und Wolken. Er
hat seine beweglichen Landschaften gefunden. Der Skogssnuvismus als rekur-
sive Ästhetik begreift damit auch die Motivebene ein. Form und Inhalt sind
bildprozessual bis zu einem hohen Grad komplementär. Wo der Symbolcha-
rakter stärker betont wird, verweist er wiederum auf Elemente der Verände-
rung. Die Ausdeutung des Bildgegenstandes als solcher, beispielsweise durch
psychologische oder mythengeschichtliche Fragestellungen, wird durch die
Offenheit der Sujets erleichtert.
In Strindbergs auf der Motivebene vorgenommener Grenzüberschrei-
tung zwischen Diesseits und Jenseits ist - durch den Tagebuchhinweis auf
Plato - sein moralischer Impuls wirksam, der die Uneindeutigkeit des Lebens
einmal resignierend auffaßt (Inferno), einmal als paradiesische Vision (Die
grünende Insel, Alpenlandschaft, Wunderland). Er wird auch bei dem Aus-
griff dieses in der Kunst erprobten Konzeptes der fast vollständigen Einheit
(von Entstehungs- und Wahrnehmungsprozeß, Künstler und Betrachter,
Kunst und Natur, Motiv und >Technik<) in die Welt außerhalb der Kunst von
großer Bedeutung sein.80
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