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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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x Bom Neckar, 30. Aug. Die N. D. Ztg. und mit
ihr also wahrscheinlich die Demokratie überhaupt kommt setzt
endlich auch zur Einsicht, daß unsere II. Kammer nicht mehr
der Ausdruck der Wlllensmeinung des Volkes ist und daß man
sie daher auflösen und völlig neu wählen solle. Dies haben
wir längst schon in vielen Artikeln gesagt, freilich noch unter
dem Ministerium Lamcy, während das demokratische Blatt erst
seit den: Eintritt des neuen Ministeriums die Nothwendigkeit
der Auflösung befürwortet. Wir machten unsre Ansicht weniger
von Personen abhängig, vielmehr gingen wir längst von der
Thatsache aus, daß das System der Partialerneuerungen nichts
tauge uud daß wenn man dieses einmal nicht abschaffen wolle, man
doch durch häufigere Kammerauflösungen einen lebendigeren Um-
lauf des Bluts iu die Volksvertretung unseres Landes bringen
müsse. In keinem constitutionellen Lande der Welt dürfte aber
wohl der Fall vorliegen, daß eine Volkskammer seit mehr als
20 Jahren nicht völlig, sondern nur theilweise erneuert wurde.
Daß wir die Sympathien der N. D. Ztg. für Lamey nicht
theilen versteht sich von selbst.
* Heidelberg, 30. Aug. Wir haben in der letzten Num-
mer des Boten von der Nothwendigkeit gesprochen, setzt wieder, i
nachdem der Friede abgeschlossen, unfern Blick auf die innern
Zustände Zu werfen, die aus gewissen Rücksichten in letzter Zeit
allzu sehr vernachlässigt werden mußten. Wir ersuchen daher
auch unsere auswärtigen Herren Correspoudenten uns wie vor
dem Ausbruch des Krieges hierin fleißig an die Hand gehen zu
wollen. Vor allem glauben wir, daß es hohe Zeit ist, in dem
für so frei geltenden Baden ein wahrhaft freisinniges Preßge-
setz in's Leben zu rufen, das alle Verwaltungs- und Polizei-
maßregelungen, Coneessionscntziehungen u. dergl. Ueberbleibsel
einer reactionären Vergangenheit unmöglich macht und nur die
Gerichte als maßgebend betrachtet.
Die Kämpfe um die Preßfreiheit sind sehr alt in uuserm
badischen Ländchen, fast kein Landtag verging seit dem Bestehen
unserer Verfassung, auf welchem nicht ein Abgeordneter in einer
brillanten Motion eine Lanze für dieselbe eingelegt hätte. So
hat namentlich auch der Abg. Mathy in der Sitzung vorn 20.
December 1843 „eine glänzende Motion aus Herstellung des freien
Gebrauchs der Presse" gehalten nnd ist in der Sitzung vom 13.
Jan. 1845, als über diese Motion Bericht erstattet wurde, in
einer noch glänzenderen Rede, die nach dem Kammerprotokoll
allgemeines Bravo hervorrief und den tiefsten Eindruck hinterließ, -
für die Preßfreiheit in oie Schranken getreten.
„In unsrer Zeit", heißt es u. A. in der Rede des jetzigen I
Herrn Ministerpräsidenten, „ist es nicht mehr politisch klug, in !
der Dunkelheit Schutz zu suchen; man muß zum Lichte, zum !
vollere Lichte der Oeffeutlichkeit sich wenden, in ihm muß man i
alle Erscheinungen prüfen, aus ihn: ihre Natur uud ihren Werth
erkennen lernen. Wer sich jetzt noch bemüht, die Läden ver- i
schlossen zu halten, alle die Spalten zu verkleben, durch welche
Licht in den Wohnraunr der Gesellschaft dringt — der beweist
nur seine Ohnmacht uud seine Unfähigkeit. Was hilft all das
ängstliche Streichen, Verbieten, Wegnehmeu von Schriften aller
Art? Vergebliche Arbeit, eitles Bemühen! Heut zu Tage findet
die Wahrheit mehr und mehr offene Ohren und warme Herzen;
ihre Verkünder finden allgenreinere Theilnahme und Hülfe ge- !
gen Verfolgung. Heut zu Tage erzeugt der Preßzwang nicht
mehr Spott und Aergerlichkeiten allein, wie Schlözer von den !

Zeiten vor der Revolution sie schilderte, nein, er treibt auch
strebende Gemüther, begabte Dichter zum unbedingten Verneirren
alles Bestehenden, weil das Bestehende den Gedanken und seine
Berechtigung ebenfalls verneint."
„Ja, wären wir, wofür böswillige oder bethörle Gegner
uns erklären, wären wir eine Partei des Umsturzes, wir könn-
ten nichts Besseres thun, als uns jenen Herolden des Manda-
rinenstaates anschließen, welche mit dem Löschhorn hinter jedem
Geistesfunken herlaufen, durch fortgesetzte Unterdrückung des Lichts
ein unterirdisches Feuer schüren und diejenigen verfolgen, welche
die Gefahr verkünden, um Hülfe zu schaffen. Weil wir aber
nicht den Untergang, sondern die Wohlfahrt des Vaterlandes
wünschen, darum begehren mir den freien Gebrauch der Presse
zurück."
Karlsruhe, 29. August. Die Eisenbahn-Strecke Engen-
Singen (3 Stunden lang) wird in der nächsten Woche, wahr-
scheinlich 5. Sept., für den regelmäßigen Betrieb eröffnet wer-
den. Auch die für den Bahndienst sehr wichtige Eiumündungs-
curve bei Appenweier ist vollendet und wird sofort befahren
werden. (Krlsr. Ztg.)
Karlsruhe, 29. Aug. Diejenigen preußischen Trup-
pentheile, welche bisher in Württemberg standen, passiren
v. 30. Aug. bis I. Septbr. auf ihrem Rückmarsch den badischen
Odenwald. (Kalsr. Ztg.)
Leutschla u d.
* Stuttgart, 28. Aug. Von hier schreibt die N. Deutsche
Ztg.: „Heute ist uns von der Poft das für Mainz bestimmte
Zeitungspacket zurückgegeben worden, mit der Benachrichtigung,
daß seit den: Einmarsch der Preußen der Neuen Deutschen
Zeitung in Mainz der Postdebit entzogen sei. Es geht daraus
hervor, daß es sich in Mainz vorerst nicht blos um eine mili-
tärische Besetzung handelt, sondern daß sofort nach dem Einzug
auch die Civilverwaltungin die Hände der preußischen Militür-
behörden übergegaugen ist. Unser Blatt hatte in Mainz über
400 Abonnenten." In der That, ein sehr summarisches Verfahren,
das schlecht geeignet ist, Propaganda für den preußischen Bund zu
machen! Täuschen wir uns nicht: jede freie Aeußerung der Presse
wird künftig, so weit Bismarck's Arm reicht, völlig unterdrückt
werden. Glückliche Zeit für die Speichellecker! — In der letzten
Nnmmer der N. Deutschen Ztg. wird weiter mitgecheilt, daß auch
für die Provinz Rheinhessen auf preußischen Befehl hin ein Ver-
bot des Blattes ergangen sei. Es ist dies um so auffallender,
als Rheinhessen nicht unter preußischer Herrschaft steht, sondern
die Negierungsgewalt des Großherzogs über diese Provinz noch
von keiner Seite in Zweifel gezogen wurde. Wir haben also
hier wieder einen Akt der Willkühr vor uns, wie er iu Deutsch-
laud iu der Zukuuft nicht mehr zu den Seltenheiten gehören wird.
München, 17. Aug. Die Kammer der Abgeordneten hat
beschlossen, die ihr gemachten Vorlagen: über eine Anleihe von
30 Millionen und die Ermächtigung zur Ausgabe vou 15 Mill.
Papiergeld an den verstärkten Finanzausschuß zur Vorberath-
ung zu verweisen. Es wird versichert, daß der Stand unserer
Offiziere und Unteroffiziere auch nach dem Frieden mobil bleibt.
Die Mannschaft soll größtentheils entlassen werden; es haben
die drei hier liegenden Infanterie Bataillone die ersten Beur-
laubungen eintreten lassen und wurden je 60 Mann per Com-
pagnie in die Heimath entlassen. — Die Verpackung von 15
Millionen, welche als erste Zahlung der Kriegskosteil nach Berlin

lagen in der Stätte der Schmerzeri! Und wenn dann die unermüdlichen
Schwestern, welche Ruhe, Gesundheit und oft ihr Leben zum Opfer bringen
am Krankenbette, vou Lager zu Lager gingen und den Duldern die leisesten
Wünsche vom Munde abhorchten, dann unter ihren Vorräthen hantirten
und zuletzt dem einen Wasser, dein andern Wein, dem Limonade, jenem
Obstsaft, Himbeeren, Kirschen oder Birnen spendeten, da habe ich oft eine
Thräne der Rührung im Auge zerdrücken müssen.
Sollte doch einmal eure Schwester noch etwas für ihre Kranken bedür-
fen, so ist gewiß alsbald eine Dame Würzburgs bei der Hand und schafft
es zur Stelle in kürzester Zeit. Wie viele Namen, die nur dem Ewigen
bekannt, sind da noch in keine Zeitung gedruckt worden und werden cs auch
nie werden ! Dazu kommt die eifrigste Bemühung der Aerztc Tag und Nacht,
zu thun, was menschliche Kunst und Erfahrung vermag zur Rettung und
Heilung; hier, wenn es geboten ist, ein Glied abzutrennen, das des Kran-
ken Leben gefährdet, dort eine Kugel zu holen, die ihren Träger peinigt,
im Fuß, im Schenkel, in der Brust — es ist ein aufopfernder Beruf, reich
an Mühsal und Beschwernis), aber segensreich und tröstlich für die arme
Menschheit, besonders in solchen Tagen der Noth und des Elends. Nicht
minder erfrig und thätig sind die Männer Würzburgs, die in den Verpflegs-
comitos wirken und mit Allem bei der Hand sind, wo es gilt zu Helsen
und zu wachen, daß nichts Nothwendiges versäumt rind nichts Unnöthiges
begonnen werde; zudem, daß sieden größten Theil ihrer Zeit der Sorge für
die Verwundeten widmen, sind sie häufig auch noch in der Lage pecuniäre
Opfer bringen zu müssen, damit der Gang des Ganzen nicht gestört und
nichts Förderliches außer Acht gelassen werde. Es können daher alle An-
gehörigen der Verwundeten in den Lazarethen Würzburgs die festeste Ueber-
zeugung haben, daß diese besser und erfolgreicher verpflegt werden, als es
oft im väterlichen Hause möglich wäre, und daß eine möglichst baldige
Heilung gewiß erzielt wird, wenn es die Umstände gestatten.! (Forts, f.)

— (G.-L. v. Steinmetz über die österreichische Armee.) Am 10.
Juli saß ich, erzählt der Correspondent eines böhmischen Provinzialblattes,
mit einem Genossen in der Bierhalle, als ein preußischer ältlicher Offizier,
in einen Mantel eingehüllt, aus dem Badhause trat und sich zu uns ge-
sellte. Wir sprachen von dem Kriege Verschiedenes, und da er sich sehr artig
benommen, auch ganz freimüthig über die Schlacht bei Königgrätz. Dabei
sagte er uns: „Meine Herren! Wenn Ihr Militär zurückkommen wird,
machen Sie ihm keine Vorwürfe; wir haben einen ehrenwerthen Feind vor
uns gehabt, der uns bis 3 Uhr geschlagen hat; wir waren halb verloren,
als ein großer Fehler auf Ihrem linken Flügel uns eine Lücke wies, welche
wir benützten, worauf wir in die Flanke und in den Rücken Ihrer Armee
fielen und den Sieg davontrugen." Als wir mit dem preußischen Offizier
noch weiter sprachen, kam ein zweiter Offizier herbei, trat salutrrend an
unseren Gesellschafter und sagte: „Excellenz! Diese Depesche ist einge-
lausen". Der bescheidene Offizier war — General v. Steinmetz. Als er
sich entfernte, bemerkte er: „Noch muß ich Ihnen sagen, daß Ihre Artil-
lerie und Ihre Jäger uns einen größern Schaden zugesügt haben, als unsere
Zündnadelgewehre Ihnen."
(Ein Wald brand.) Corsika ist in diesem Augenblicke der Schau-
platz eines bedeutenden Unglücks; ein Wald brennt dort schon seit mehr
als 8 Tagen, der Wald von Vizzavona, einer der schönsten dieses Landes,
das bekanntlich in dieser Hinsicht vorzüglich ausgestattet ist. Ein Wald, der
seit 8 Tagen brennt und fast nur aus Fichten besteht, die überreichlich
Harz geben, ist keine Feuersbrunst mehr, es ist ein Ocean von Flammen,
der seine ganze Umgebung zu verschlingen droht. Bevölkerung und Be-
hörden sind daher auf's Eifrigste mit der Bekämpfung dieses Unglücks be-
schäftigt, das schon Millionen in Asche verwandelt hat, und von dem sich
Corsika wohl erst nach Jahren erholen wird.
 
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