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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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Häupter entblößten sich als der Herzog unter dem Hurrah sei-
ner Truppen langsam die Reihen herunter ritt, schmerzlich und
freundlich zugleich seinen Soldaten zuwinkend. Die Haltung
und das Aussehen der Truppen war ein vortreffliches, bei dem
Defiliren brach jede Division in neue stürmische Hurrahs aus,
während der Herzog mit Mühe nach Fassung rang. Kein Auge
blieb trocken, als derselbe vor der Front der Brigade von seinen
Offizieren Abschied nahm. Schluchzend umstanden ihn dieselben,
drückten noch einmal seine Hand, und als sich dann der Herzog,
von Schmerz fast übermannt, zum Scheiden wandte, da drang
ein lauter Ruf: „Mit Gott!" durch die Reihen, die Truppe
aber brach unter den Klängen des Oraniermarsches in einen
enthusiastischen Abschiedsgruß aus, der erst endete, als der un-
glückliche Fürst nut seinem kleinen Gefolge in weiter Ferne ver-
schwunden war. Das war der Abschied Herzogs Adolf von
seiner Truppe.
In Hof sind in der Nacht vom 4. auf den 5. Sept, von
Seite preußischer Soldaten die rohesten Excesse und schwere Ver-
wundungen wehrloser Bürger vorgekommen, deren Einem der
Arm abgenommen werden mußte. Die Hauptveranlassung
war, nach dem Nürnb. Corresp., daß nach dem Friedens-
schluß, zufolge einer Bekanntmachung des Stadtmagistrats, die
dortige preußische Commandantur angeordnet hatte, daß nun-
mehr die einquartierten Soldaten blos (nach dem Bundesver-
pflegungsreglement) 1/2 Pfund Fleisch, weniger Bier und keine
Cigarren mehr zu bekommen brauchten, was natürlich von den
ärmeren Quartiergebern um so mehr befolgt wurde, als Hof
seit 5 Monaten von Einquartierung nicht frei wurde. Die Sol-
daten verlangten jedoch nach wie vor ihre Cigarren re., die
Quartiergeber verweigerten dies und so kam es Nachts zu höchst
tumultuarischen Auftritten. Es wurden zwar viele Soldaten ver-
haftet, aber die Offiziere waren erst nach 2 Uhr im Stande, die
Ruhe gänzlich wiederherzustellen. Am 5. Mittags wurden nun
diese Soldaten, meist dem 14. Linien-Jnsanterie-Regiment ange-
hörig, per Bahn nach Leipzig befördert. (Pf. Ztg.)
München, 6. Sept. Bisher war das Urtheil einstimmig
darüber, daß unsere Truppen sich bei jeder Gelegenheit brav ge-
schlagen und daß ihre tapfere Haltung selbst vom Feinde laut
anerkannt wurde. Daß keine besseren Resultate erzielt wurden,
hat man eben so einstimmig der' Führung, insbesondere dem
Generalstab und dessen Chef zugeschrieben. Nun hat aber nicht
nur eine unverhältnißmäßig große Anzahl Generalstabsoffiziere
den Militärverdienstorden erhalten, sondern durch Tagesbefehl
des Prinzen Karl wurde auch der Generalstabschef, General-
lieutenant Ludwig Frhr. v. d. Tann, durch das Großkreuz jenes
Ordens ausgezeichnet! Und doch ist es notorisch, daß General
v. d. Tann sich nach dem Treffen von Kissingen bei einem Pfarrer
eine Karte leihen mußte und daß der General st ab Mitte
Juli noch aus seine erst Ende Juni von München abgesen-
deten, statt mitgenommenen Karten wartete und in Er-
mangelung derselben sich in Buchläden gewöhnliche Karten
kaufte! Und ferner ist es notorisch, daß man im Hauptquartier
nicht nur nicht nicht wußte, wo die Preußen, sondern auch
nicht, wo die eigenen Leute stehen; daß die Verproviantirung
sehr viel, die Organisirung der Feldpost, die rechtzeitige und
vollständige Veröffentlichung der Verlustlisten Alles zu wünschen
übrig ließ, kurz, daß die Unfähigkeit der generalstablichen Lei-
tung sprichwörtlich geworden war. Und dennoch erhält jetzt der
Generalstabschef das Großkreuz des Militär-Verdienstordens!
Welchen Eindruck mag dies in der Armee und auf das Gefühl
des Volkes machen! Aber weit bedenklicher erscheint die Sache
von einer anderen Seite. Man mußte hoffen, daß die gemach-
ten, uns so theuer zu stehen gekommenen Fehler erkannt, daß
der alte Schlendrian und seine Träger beseitigt, daß mit den
Unfähigkeiten und deut Nepotismus aufgeräumt und die rechten
Männer an die rechte Stelle gesetzt würden. Aber nach den
Auszeichnungen zu schließen, hätte es gar keine Unfähigkeiten,
sondern nur große Feldherrn gegeben. Große Feldherrn und
tapfere Soldaten — und dennoch den Feind im Lande! Der
Rest ist Schweigen! (Pf. Ztg.)
München, 6. Sept. Die Umwandlung unserer Heeres-
versassung ist beschlossene Thatsache. Die Loosung soll weg-
fallen, ebenso der Loskauf, resp. das Ersatzmanuswesen. Jeder
waffenfähige Mann ist auch dienstpflichtig. Die Dienstzeit soll
eine dreijährige seilt, mit verschiedenen Präsenzzeiten je nach
den einzelnen Jahrgängen. Hieran reiht sich eine Reserve bis
zum 40. Lebensjahre in zwei Aufgeboten, deren erstes noch le-
dige Leute umfassen soll. Auch wird das Institut der einjäh-
rigen Freiwilligen eingeführt werden. (Frk. Kur.)
München, 7. Sept. Bei unserm Kriegsministerium soll
die Absicht bestehen, bei der neuen Organisation des bayerischen
Heerwesens, das in dem letzten Feldzug so glänzend bewährte

preußische Wehrsystem, natürlich mit den Modificationen, welche
die besondern Verhältnisse unseres Landes und Volks nöthig machen,
zum Muster zu nehmen. Wie es heißt, ist man im Kriegsmi-
nisterium bereits mit den Vorarbeiten zu den seiner Zeit dem
Landtag zu machenden Vorlagen dieses Betreffs beschäftigt.
München, 9. Sept. (MH.J.) Dem Vernehmen nach wird
der Graf von Bismarck den Hausorden des heiligen Hubertus,
Bayerns höchsten Orden, erhallen. (Das würde der schmählichen
bayerischen Kriegführung noch die Krone aufsetzen.)
Berlin, 6. Sept. Bis Zum 3. Sept, waren 6669 Per-
sonen an der Cholera erkrankt; seitdem sind vom 3. bis 4. Sept.
48, vom 4. bis 5. 36, vom 5. bis 6. September 38 neue
Erkrankungen gemeldet worden, von denen innerhalb derselben
Zeit bezüglich 19, 14 und 17 tödtlich endeten. Die Gesammt-
zahl aller Erkrankten beträgt jetzt 6791. Genesen sind 1435,
gestorben 2101, noch in Behandlung geblieben 1235 Erkrankte.
(Nat. Ztg).
Berlin, 7. Sept. Es sollen diejenigen deutschen Regie-
rungen, welche vom Beginne des Krieges zu Preußen hielten
und Bundestruppen stellten, auch einen Theil voll den Kriegs-
entschädigungsgeldern empfangen.
Berlin, 8. Sept., Abends. Die „Kreuzzeitung" erklärt
eine Pariser Mittheilung der „Jndependence Beige," wonach der
Kaiser Napoleon dem Könige von Preußen für die Schonung der
Integrität Sachsens gedankt und erklärt hätte, der König Wilhelm
würde dem Kaiser mit weiteren Zugeständnissen für die Souve-
ränetät des Königs von Sachsen einen unendlichen Dienst er-
weisen, — für vollständig unbegründet. — Die „Norddeutsche
Allgemeine Ztg." meldet: Aus Nordschleswig sind Zahlreiche Kund-
gebungen gegen die Wiederabtretung an Dänemark eingegangen.
Berlin, 9. Sept. Malaret, bisher französischer Gesandter
in Florenz, ist als der Nachfolger Benedetti's am hiesigen Hof
designirter Nachfolger. — An dem gestrigen parlamentarischen
Diner des Grafen Bismarck nahmen Theil cGe Minister, mit
Ausnahme des Cultus-Ministers, die drei Kammer-Präsidenten,
die Abgeordneten Twesten, v. Unruh, Löwe, Michaelis re. (Ach
wie rührend! Und sogar du, Löwe-Calbe, letzter Präsident des
deutschen Rumpfparlaments!)
Berlin, 10. Sept. Die Anleihecommission beschloß
die definitive Ablehnung der 60-Millionen-Anleihe und entschied
sich für eine Vereinbarung des Gesetzes. Der Finanzminister
erklärte das Gesetz für unannehmbar.
Berlin, 10. Sept. Der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge ist
der Bündnißvertrag mit Oldenburg, Weimar, Braunschweig,
Anhalt, Altenburg, Schwarzburg, Lippe, Koburg, Reuß j. L.,
den Hansestädten und Mecklenburg heute ratificirt worden.
Berlin, 10. Sept. Sitzung des Herrenhauses. Annexions-
vorlage. Die Commission empfiehlt die unveränderte Regierungs-
vorlage. Graf Maltzahn stellt den allseitig unterstützten Verbesser-
ungsantrag : Annahme des Entwurfes in der vom Abgeordneten-
hause beschlossenen Fassung. Vor dem Eintritt in die Debatte
protestirt Busche-Streithorst (hannoverscher Kammerherr) gegen
die Annexion Hannovers; er schließt mit den Worten: „Mag
auch Hannover jetzt der Gewalt weichen, immer wird es seinem
Herrscherhause treu bleiben und auf Gott hoffen, der zur
rechten Zeit hilft." (Anhaltendes Stillschweigen). Daniels re-
ferirt. Während dessen ist Gras Bismarck eingetreten. Brünneck-
Jacobau hält den 1. Oktober 1867 für die Einführung der
preußischen Verfassung für einen zu nahen Termin. Klützow
wünscht Schonung der Eigenthümlichkeiten. Hasfelbach weist den
Protest Busche's zurück; ebenso Dhyrn. Die Annexionsvorlage
wird schließlich in der vom Abgeordnelenhause beschlossenen Fas-
snng mit großer Majorität angenommen.
Bon der Wupper, 7. Sept., enthält die Köln. Ztg. gegen
Belgien eine Hinweisung auf das Schicksal Frankfurts, d. h. eine
Drohung mit Annexion, weil die „Jndependance belge" gegen
Preußen einen feindlichen Ton einhalle! (Oho! Bismarck scheint
die ganze Welt fressen zu wollen! Wer weiß, ob ihm nicht ein-
mal ein Knochen im Hals stecken bleibt!)
Wien, 5. Sept. Im Kriegsministerium ist eine Com-
mission von Generalen und Obersten zusammengetreten, welche
auf Grund der im letzten Krieg gemachten Erfahrungen die
etwa erforderlichen Aenderungen in der Organisation zunächst
der Infanterie und der Jäger zu berathen und vorzu-
schlagen hat. Sie hat wesentlich die Aufgabe zu lösen, eine
Organisation aufzustellen, welche mit dem möglichst geringen
Geldaufwand im Frieden die Heranbildung einer zugleich zahl-
reichen und tüchtigen Truppe für den Krieg zuwegebringt und
vor allen Dingen auch dem besonders dringend hervorgetretenen
Bedürfniß eines intelligenten Nachwuchses der Chargen Rech-
nung trägt.— F.M.L. Graf Neipperg ist Zum Adlatus beim
10. Armeecorps ernannt worden.
 
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