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gen, seien sie staatlicher oder kirchlicher Natur, ihre eigenen Wege
gehen mögen, in der einen Hauptsache aber strikt und sest über-
einstimmen müssen: wir wollen keine preußische Vor-
herrschaft, wir verlangen die Verbindung mit Oe-
sterreich offen gehalten zu haben, wir verlangen
zunächst d ie Herstellu ng eines süddeutschen Bundes
und werden dann überlegen, welches föderative Band auf dem
Princip der Gleichbcrichügung errichtet und ohne Unterordnung
unter preußische Vormundschaft uns mit dem Bundesstaate Preu-
ßens verknüpfen soll.
Die Errichtung dieser „deutschen" Partei müßte aber um
so rascher in Angriff genommen werden, als bereits die Mini-
ster und Diplomaten da und dort sich schwankend zeigen oder
von Schwäche übermannt, im Geheimen mit Bismarck einver-
standen sind. Es sind das gerade zum Theil solche Leute, die
früher am meisten gegen Preußen und Bismarck intriguirt, ge-
hetzt und geschwatzt haben, ein Beweis weiter, daß das Volk
immer mehr auf sich allein zu vertrauen hat und den Mächtigen
und Vornehmen den Rücken kehren muß. Denn so traurig es
kliugt, so ist es doch die bitterste Wahrheit, daß es große Her-
ren genug gibt, die lieber die Vasallen und knechtischen Steig-
bügelhalter Bismarcks sein wollen, als daß sie dem Volke, dem
sie angehören, die wahre und volle Freiheit gewähren. Sie
wissen, daß der süodeulsche Bund nur ein Bund der Freiheit
sein kann, sie wissen, daß sie die freiheitlichen Zustände schaffen
müssen, wenn er Bestand haben und das Volk ihm anhangen
soll. Aber das ist es gerade, was sie 'nicht wollen, was sie
fürchten. Deut eigenen Volke verweigern sie die nothwenoigsten
Concessionen; dem Grafen Bismarck, der sie gegen das Volk
wenigstens in Schutz nimmt, gewähren sie alles mit vollen Hän-
den. Oder tvas soll man dazu sagen, wenn das Ministerium
des Herrn v. der Pfordten dem preußischen Premier den höch-
sten bayerischen Orden verleiht, nachdem dieser eben erst Bayern
um Land und Leute geschwächt und eine hohe Kriegscontribution
erpreßt hat?
Also auf, ihr verschiedenen Führer bisher getrennt arbei-
tender, auf dasselbe Ziel hinsteuernder deutscher Richtungen,
nehmt gemeinsam die große Arbeit in sie Hand! Es gilt vor
allem jetzt, das Volk aus der auf große Katastrophen naturge-
mäß folgenden Lethargie und Schläfrigkeit herauszureißen und
es zu wohlorgauisicten deutschen Vereinen zusammenzu-
schaareu! Süddeutscher Bund mit freiheitlichen, volkSthüm-
lichcn Institutionen, Annäherung an Oesterreich und die Schweiz,
keine preußische Gewaltherrschaft — das müssen die Ziele sein!
Gaden.
" Heidelberg, 18. Sept. Die Karlsr. Zeitung hat end-
lich ihr Schweigen gebrochen und eine Antwort gebracht auf
die den Prinzen Wilhelm und die badische Kriegführung an-
klagende Schrift, die bekanntlich unter dem Titel: „At'tenmäßige
Enthüllungen über den badischen Verrath" u. s. m. in Wien
erschienen ist. Wir fühlen keinen Berus, diese Antwort abzu-
ralen Schriften zu lesen steht, beide Parteien zum Anhören
vorgeführt werden, damit jeder Unbefangene sein Urtheil sich
zu bilden vermag. So lange dies nicht erlaubt ist, wäre es
unbillig und unvernünftig, nur die Behauptungen der einen
Partei bekannt zu geben. Das Geschwätz der Landesbase über
diesen Gegenstand vollends besprechen zu wollen, das lediglich in
Schimpfereien und Gemeinheiten besteht, würde sich nicht der
Mühe lohnen.
x Heidelberg, 18. Sept. Die Base hat schon wieder
gelogen! Sie hat nämlich berichtet, der Bad. Beobachter werde
von jetzt an in hiesiger Stadt erscheinen, und als dieser mit-
theilte, daß er nach Freiburg übersiedeln werde, hat die ehr-
same alte Jungfer erzählt, sie wisse, daß es im Plan gewesen
sei, den Beobachter hierher zu verpflanzen und daß diese Ab-
sicht nur daran gescheitert sei, daß kein hiesiger Drucker den-
selben hätte übernehmen wollen. Liebe Base! Wenn man doch ein-
mal lügen will, muß man wenigstens gescheider lügen; denn
Jedermann weiß doch, daß der Pfälzer Bote in Heidelberg ge-
druckt wird, und zwar recht schön und gefällig gedruckt wird,
warum sollte denn also derselbe Drucker den weit größere pecu-
niüre Vortheile bietenden Beobachter verschmähen wollen? Wir
wissen recht wohl, daß Herr Leop. Schweiß höchlich damit einver-
standen gewesen wäre, wenn der Beobachter zu ihm hätte verlegt
werden können und an Raum hätte es in den beiden aneinander-
stoßenden Häusern eines unserer Parteigenossen nicht gefehlt.
* Heidelberg, 18. Sept. Je unglücklicher Oesterreich im
i Kriege gewesen ist, mit desto größerer Liebe halten wir fest an
z ihn: und wünschen unsere deutschen Brüder im Kaiserreiche vor
. dem jetzt kühn emporschauendeu Slaventhum gerettet zu sehen,
l Es ist unstreitig viel Verkehrtes in Oesterreich geschehen und die
! Zustände sind vielfach innerlich faul und verrottet, aber trotzdem
! vermögen wir nicht in das allgemeine Verdammungsurtheil ein-
! zustimmen und haben die beste Hoffnung, daß patriotische Mün-
j ner noch genug an der Donau vorhanden sind, die alle Kräfte
j aufbieten werden, das Werk der Reorganisation und des inneren
Aufbaues unverdrossen zur Hand zu nehmen. Mögen Andere in
Hellen Schaaren zum bisherigen Gegner reuig und huldigend hin-
überlaufen, — wir halten fest an der alten Liebe, und gerade
unsere Feinde werden uns im Stillen dafür achten müssen. — Vor
allem thut es jetzt Noch die Armee gründlich zu reformiren; denn
nur wenige Lichtblicke sind uns aus österreichischer Seite den Preu-
ßen gegenüber erkennbar. Als der frühere österreichische Kriegs-
minister Graf Degenseld im preußischen Hauptquartier den mi-
litärischen Theil der Fäiedensstipulationen leitete, sprach er dem
! Chef des preußischen Generalstabs, dem genialen Moltke, seine
! Bewunderung der preußischen Kriegführung und der von Moltke
z geleiteten Operationen aus. Aber letzterer wies die aus Feiu-
' desmnnd ihn ehrenden Lobsprüche zurück und erwiderte: „Nicht
ich, Herr General, habe den Ruhm in Anspruch zu nehmen, viel-
mehr sind es unsere Hauptleute und Lieutenants, welche Ihre
' Armee geschlagen haben". Und in der That, so ist es! Jeder
der preußischen Offiziere hat nicht blos das gethan, was ihm
aufgetragen mar und was seine gemessenen Befehle ihm. zu thun
vorschrieben, nein! er ist viel weiter gegangen — er hat noch
weit mehr gethan und als intelligenter Mann, da wo er ohne
Befehl aus sich selbst angewiesen war, nicht ruhig auf weitere
drucken oder auch nur einen Auszug aus derselben zu geben,
weil die angeklagte Schrift in Baden coufiseirt und verboten
ist und wir Ulstern Lesern unmöglich zumutheu können, eine
Vertheidigung zu lesen, wenn ihnen polizeilich die Anklage vor-
enthalten wird. Das Volk ist heut zu Tage reis, wie dieser
oder jener Träger des jetzigen Regimes schon vor mehr als 20
Jahren in der Kammer mit Pathos gesagt hat, und das urthei-
lende Publikum besteht nicht mehr aus unmündigen Kindern;
die öffentliche Meinung darf daher beanspruchen, daß ihr, wie
dem Richter, und Zwar dem obersten Richter, wie in allen libe- i
Ordres gewartet, sondern selbstständig das zu thun verstanden,
was für den Allgenblick das Angemessenste schien. Derartige
Proben glänzender Selbstthntigkeit vermißten wir leider in der
österreichischen Armee, — um so mehr ist es Pflicht, einen Mann
helworzuheben, von dem wir freilich, da er uns persönlich als
Freund nahe steht und wir daher seine hohen Fähigkeiten zu ken-
hohlenem Erstaunen, daß ich jetzt noch lachen muh, wenn ich mir das alte
runzlige Gesicht, die kleine, krumme Gestalt, die wndenlosen Beine und
das mit einem blauen baumwollenen Taschentuch umwickelte Gewehrschloß
des wahrscheinlich längst in Gott entschlafenen Jägers vergegenwärtige.
Er nahm seine kleine kurze Pfeife, die er fönst nur beim Essen weglegte,
aber mit den letzten Bissen wieder zwischen die Zähne steckte, aus dein
Munde, wischte sich niit der braunen knöchernen Hand die Lippen und
sagte: „Ew. Gnaden wollen a Hoahn derschießen?" mit so viel sittlicher
Entrüstung, solchem Abscheu, so intensivem Zweifel und mit so unverkenn-
barem Verlangen sich von mir zu entfernen, daß nur ein vollendeter Komi-
ker im Stande sepn würde, seine Stimme und sein Mienenspiel einigerma-
ßen nachzuahmen.
Einen Augenblick betrachtete ich ihn mit wollüstiger Freude; meine
Seele nahm seine Photographie, und als ich sein Bild in das Album mei-
nes Herzens gesteckt, griff ich in die Tasche, zog eine Hand voll Zwanziger
hervor, die bekanntlich damals noch Silberzwanziger hießen, und — waren,
— und bot ihm ein Trinkgeld, wie es noch kein Kaiser gegeben hat, wenn
er seinem Herzen Gewalt anthun und mir zur Ausführung meines Hahnen-
mordes behilflich sepn wollte.
Der Neichensperger Joseph war ein praktischer Mann; er überzählte,
so gut es gehen wollte, meine Silberlinge, spuckte ein paarmal aus, kratzte
sich hinter den Ohren, maß mich von oben bis unten, lächelte pfiffig,
scheuerte mit dem Fuß hin und her und nickte mir endlich beistimmend zu. Er
hätte nicht für alle Schätze der Welt „Ja" gesagt; für zehen Zwanziger
konnte er aber auch nicht „Nein" sagen; er nickte nur, blies aber gleich
darauf die Backen aus, wie jemand, der sich in der innersten Seele über
seine ebene begangene That Vorwürfe macht.
Sepp hatte genickt und die Zanziger in die Tasche gesteckt; es schienen
auf seinen Lippen Worte zu schweben, es war mir, als wenn er mich an-
reden wollte; er kämpfte aber vergebens gegen seinen Abscheu, spuckte aus,
steckte die Pfeife zwischen die Zähne und wandte sich ab, indem er wie ein
überführter Raubmörder „Bhüt Ihne Gott, gestrenger Herr" stöhnte.
(Fortsetzung folgt.)
sEine liebende Gattin.) In Ulm erzählt man sich einen schönen
Zug vom König Wilhelm von Württemberg. Als nach Ulm die Nachricht
kam, daß Hauptmann Otto Roschmann im Kampfe bei Tauberbischofsheim
schwer verwundet nach Würzburg gebracht worden sei, machte sich seine
Gattin auf den Weg, um ihn zu pflegen. Die Reise war mit den größten
Schwierigkeiten verknüpft, die Eisenbahnschienen waren aufgerissen, Mieth-
wagen nicht aufzutreiben, die Ortschafteil mit feindlichen Truppen besetzt.
Trotz aller Schwierigkeiten kam sie endlich auf einem Kanonenwagen vor
Würzburg an, wo sie den traurigen Trost hatte, ihrem Gatten die L-chmer-
zen etiles mehrwöchigen Lagers durch ihre Gegenwart zu lindern. Ihrer
aufopfernden, unermüdeten Pflege gelang es aber nicht, den Gatten am
Leben zu erhalten; sie brachte ihn als Leiche heim. Der König bestimmte
nun, daß das Ritterkreuz des Mtlitürverdienstordens, das der Heldenmuth
des Gatten sich erworben hat, der Gattin als heiliges Vermächtniß über-
lassen bleibe, und daß sie der Vortheile, die mit dem Besitz dieses Ordens
verknüpft siild, tbeilbaftig bleibe.
gen, seien sie staatlicher oder kirchlicher Natur, ihre eigenen Wege
gehen mögen, in der einen Hauptsache aber strikt und sest über-
einstimmen müssen: wir wollen keine preußische Vor-
herrschaft, wir verlangen die Verbindung mit Oe-
sterreich offen gehalten zu haben, wir verlangen
zunächst d ie Herstellu ng eines süddeutschen Bundes
und werden dann überlegen, welches föderative Band auf dem
Princip der Gleichbcrichügung errichtet und ohne Unterordnung
unter preußische Vormundschaft uns mit dem Bundesstaate Preu-
ßens verknüpfen soll.
Die Errichtung dieser „deutschen" Partei müßte aber um
so rascher in Angriff genommen werden, als bereits die Mini-
ster und Diplomaten da und dort sich schwankend zeigen oder
von Schwäche übermannt, im Geheimen mit Bismarck einver-
standen sind. Es sind das gerade zum Theil solche Leute, die
früher am meisten gegen Preußen und Bismarck intriguirt, ge-
hetzt und geschwatzt haben, ein Beweis weiter, daß das Volk
immer mehr auf sich allein zu vertrauen hat und den Mächtigen
und Vornehmen den Rücken kehren muß. Denn so traurig es
kliugt, so ist es doch die bitterste Wahrheit, daß es große Her-
ren genug gibt, die lieber die Vasallen und knechtischen Steig-
bügelhalter Bismarcks sein wollen, als daß sie dem Volke, dem
sie angehören, die wahre und volle Freiheit gewähren. Sie
wissen, daß der süodeulsche Bund nur ein Bund der Freiheit
sein kann, sie wissen, daß sie die freiheitlichen Zustände schaffen
müssen, wenn er Bestand haben und das Volk ihm anhangen
soll. Aber das ist es gerade, was sie 'nicht wollen, was sie
fürchten. Deut eigenen Volke verweigern sie die nothwenoigsten
Concessionen; dem Grafen Bismarck, der sie gegen das Volk
wenigstens in Schutz nimmt, gewähren sie alles mit vollen Hän-
den. Oder tvas soll man dazu sagen, wenn das Ministerium
des Herrn v. der Pfordten dem preußischen Premier den höch-
sten bayerischen Orden verleiht, nachdem dieser eben erst Bayern
um Land und Leute geschwächt und eine hohe Kriegscontribution
erpreßt hat?
Also auf, ihr verschiedenen Führer bisher getrennt arbei-
tender, auf dasselbe Ziel hinsteuernder deutscher Richtungen,
nehmt gemeinsam die große Arbeit in sie Hand! Es gilt vor
allem jetzt, das Volk aus der auf große Katastrophen naturge-
mäß folgenden Lethargie und Schläfrigkeit herauszureißen und
es zu wohlorgauisicten deutschen Vereinen zusammenzu-
schaareu! Süddeutscher Bund mit freiheitlichen, volkSthüm-
lichcn Institutionen, Annäherung an Oesterreich und die Schweiz,
keine preußische Gewaltherrschaft — das müssen die Ziele sein!
Gaden.
" Heidelberg, 18. Sept. Die Karlsr. Zeitung hat end-
lich ihr Schweigen gebrochen und eine Antwort gebracht auf
die den Prinzen Wilhelm und die badische Kriegführung an-
klagende Schrift, die bekanntlich unter dem Titel: „At'tenmäßige
Enthüllungen über den badischen Verrath" u. s. m. in Wien
erschienen ist. Wir fühlen keinen Berus, diese Antwort abzu-
ralen Schriften zu lesen steht, beide Parteien zum Anhören
vorgeführt werden, damit jeder Unbefangene sein Urtheil sich
zu bilden vermag. So lange dies nicht erlaubt ist, wäre es
unbillig und unvernünftig, nur die Behauptungen der einen
Partei bekannt zu geben. Das Geschwätz der Landesbase über
diesen Gegenstand vollends besprechen zu wollen, das lediglich in
Schimpfereien und Gemeinheiten besteht, würde sich nicht der
Mühe lohnen.
x Heidelberg, 18. Sept. Die Base hat schon wieder
gelogen! Sie hat nämlich berichtet, der Bad. Beobachter werde
von jetzt an in hiesiger Stadt erscheinen, und als dieser mit-
theilte, daß er nach Freiburg übersiedeln werde, hat die ehr-
same alte Jungfer erzählt, sie wisse, daß es im Plan gewesen
sei, den Beobachter hierher zu verpflanzen und daß diese Ab-
sicht nur daran gescheitert sei, daß kein hiesiger Drucker den-
selben hätte übernehmen wollen. Liebe Base! Wenn man doch ein-
mal lügen will, muß man wenigstens gescheider lügen; denn
Jedermann weiß doch, daß der Pfälzer Bote in Heidelberg ge-
druckt wird, und zwar recht schön und gefällig gedruckt wird,
warum sollte denn also derselbe Drucker den weit größere pecu-
niüre Vortheile bietenden Beobachter verschmähen wollen? Wir
wissen recht wohl, daß Herr Leop. Schweiß höchlich damit einver-
standen gewesen wäre, wenn der Beobachter zu ihm hätte verlegt
werden können und an Raum hätte es in den beiden aneinander-
stoßenden Häusern eines unserer Parteigenossen nicht gefehlt.
* Heidelberg, 18. Sept. Je unglücklicher Oesterreich im
i Kriege gewesen ist, mit desto größerer Liebe halten wir fest an
z ihn: und wünschen unsere deutschen Brüder im Kaiserreiche vor
. dem jetzt kühn emporschauendeu Slaventhum gerettet zu sehen,
l Es ist unstreitig viel Verkehrtes in Oesterreich geschehen und die
! Zustände sind vielfach innerlich faul und verrottet, aber trotzdem
! vermögen wir nicht in das allgemeine Verdammungsurtheil ein-
! zustimmen und haben die beste Hoffnung, daß patriotische Mün-
j ner noch genug an der Donau vorhanden sind, die alle Kräfte
j aufbieten werden, das Werk der Reorganisation und des inneren
Aufbaues unverdrossen zur Hand zu nehmen. Mögen Andere in
Hellen Schaaren zum bisherigen Gegner reuig und huldigend hin-
überlaufen, — wir halten fest an der alten Liebe, und gerade
unsere Feinde werden uns im Stillen dafür achten müssen. — Vor
allem thut es jetzt Noch die Armee gründlich zu reformiren; denn
nur wenige Lichtblicke sind uns aus österreichischer Seite den Preu-
ßen gegenüber erkennbar. Als der frühere österreichische Kriegs-
minister Graf Degenseld im preußischen Hauptquartier den mi-
litärischen Theil der Fäiedensstipulationen leitete, sprach er dem
! Chef des preußischen Generalstabs, dem genialen Moltke, seine
! Bewunderung der preußischen Kriegführung und der von Moltke
z geleiteten Operationen aus. Aber letzterer wies die aus Feiu-
' desmnnd ihn ehrenden Lobsprüche zurück und erwiderte: „Nicht
ich, Herr General, habe den Ruhm in Anspruch zu nehmen, viel-
mehr sind es unsere Hauptleute und Lieutenants, welche Ihre
' Armee geschlagen haben". Und in der That, so ist es! Jeder
der preußischen Offiziere hat nicht blos das gethan, was ihm
aufgetragen mar und was seine gemessenen Befehle ihm. zu thun
vorschrieben, nein! er ist viel weiter gegangen — er hat noch
weit mehr gethan und als intelligenter Mann, da wo er ohne
Befehl aus sich selbst angewiesen war, nicht ruhig auf weitere
drucken oder auch nur einen Auszug aus derselben zu geben,
weil die angeklagte Schrift in Baden coufiseirt und verboten
ist und wir Ulstern Lesern unmöglich zumutheu können, eine
Vertheidigung zu lesen, wenn ihnen polizeilich die Anklage vor-
enthalten wird. Das Volk ist heut zu Tage reis, wie dieser
oder jener Träger des jetzigen Regimes schon vor mehr als 20
Jahren in der Kammer mit Pathos gesagt hat, und das urthei-
lende Publikum besteht nicht mehr aus unmündigen Kindern;
die öffentliche Meinung darf daher beanspruchen, daß ihr, wie
dem Richter, und Zwar dem obersten Richter, wie in allen libe- i
Ordres gewartet, sondern selbstständig das zu thun verstanden,
was für den Allgenblick das Angemessenste schien. Derartige
Proben glänzender Selbstthntigkeit vermißten wir leider in der
österreichischen Armee, — um so mehr ist es Pflicht, einen Mann
helworzuheben, von dem wir freilich, da er uns persönlich als
Freund nahe steht und wir daher seine hohen Fähigkeiten zu ken-
hohlenem Erstaunen, daß ich jetzt noch lachen muh, wenn ich mir das alte
runzlige Gesicht, die kleine, krumme Gestalt, die wndenlosen Beine und
das mit einem blauen baumwollenen Taschentuch umwickelte Gewehrschloß
des wahrscheinlich längst in Gott entschlafenen Jägers vergegenwärtige.
Er nahm seine kleine kurze Pfeife, die er fönst nur beim Essen weglegte,
aber mit den letzten Bissen wieder zwischen die Zähne steckte, aus dein
Munde, wischte sich niit der braunen knöchernen Hand die Lippen und
sagte: „Ew. Gnaden wollen a Hoahn derschießen?" mit so viel sittlicher
Entrüstung, solchem Abscheu, so intensivem Zweifel und mit so unverkenn-
barem Verlangen sich von mir zu entfernen, daß nur ein vollendeter Komi-
ker im Stande sepn würde, seine Stimme und sein Mienenspiel einigerma-
ßen nachzuahmen.
Einen Augenblick betrachtete ich ihn mit wollüstiger Freude; meine
Seele nahm seine Photographie, und als ich sein Bild in das Album mei-
nes Herzens gesteckt, griff ich in die Tasche, zog eine Hand voll Zwanziger
hervor, die bekanntlich damals noch Silberzwanziger hießen, und — waren,
— und bot ihm ein Trinkgeld, wie es noch kein Kaiser gegeben hat, wenn
er seinem Herzen Gewalt anthun und mir zur Ausführung meines Hahnen-
mordes behilflich sepn wollte.
Der Neichensperger Joseph war ein praktischer Mann; er überzählte,
so gut es gehen wollte, meine Silberlinge, spuckte ein paarmal aus, kratzte
sich hinter den Ohren, maß mich von oben bis unten, lächelte pfiffig,
scheuerte mit dem Fuß hin und her und nickte mir endlich beistimmend zu. Er
hätte nicht für alle Schätze der Welt „Ja" gesagt; für zehen Zwanziger
konnte er aber auch nicht „Nein" sagen; er nickte nur, blies aber gleich
darauf die Backen aus, wie jemand, der sich in der innersten Seele über
seine ebene begangene That Vorwürfe macht.
Sepp hatte genickt und die Zanziger in die Tasche gesteckt; es schienen
auf seinen Lippen Worte zu schweben, es war mir, als wenn er mich an-
reden wollte; er kämpfte aber vergebens gegen seinen Abscheu, spuckte aus,
steckte die Pfeife zwischen die Zähne und wandte sich ab, indem er wie ein
überführter Raubmörder „Bhüt Ihne Gott, gestrenger Herr" stöhnte.
(Fortsetzung folgt.)
sEine liebende Gattin.) In Ulm erzählt man sich einen schönen
Zug vom König Wilhelm von Württemberg. Als nach Ulm die Nachricht
kam, daß Hauptmann Otto Roschmann im Kampfe bei Tauberbischofsheim
schwer verwundet nach Würzburg gebracht worden sei, machte sich seine
Gattin auf den Weg, um ihn zu pflegen. Die Reise war mit den größten
Schwierigkeiten verknüpft, die Eisenbahnschienen waren aufgerissen, Mieth-
wagen nicht aufzutreiben, die Ortschafteil mit feindlichen Truppen besetzt.
Trotz aller Schwierigkeiten kam sie endlich auf einem Kanonenwagen vor
Würzburg an, wo sie den traurigen Trost hatte, ihrem Gatten die L-chmer-
zen etiles mehrwöchigen Lagers durch ihre Gegenwart zu lindern. Ihrer
aufopfernden, unermüdeten Pflege gelang es aber nicht, den Gatten am
Leben zu erhalten; sie brachte ihn als Leiche heim. Der König bestimmte
nun, daß das Ritterkreuz des Mtlitürverdienstordens, das der Heldenmuth
des Gatten sich erworben hat, der Gattin als heiliges Vermächtniß über-
lassen bleibe, und daß sie der Vortheile, die mit dem Besitz dieses Ordens
verknüpft siild, tbeilbaftig bleibe.