Erſcheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feiertage.
Pe is vierteljährlich nur Mk. 1.20 bei der Po ſt 150
holt, von der Poſt täglich in's Haus gebracht Mk. 1,
Redaktion und Verlag von Joſ. Cremer tus,
füt Stadt
Anzeige ⸗Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin?⸗
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Walldürn ꝛe.
Druck von Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr.7
Bwingerkraße 1
Nr. 20
H Etwas aus dem Leben des
„ fälzer Bote“.
Von der Kocher, 22. Dez.
Das Jahr geht zu Ende und — ein neues
Quartal 1 . für den „Pfälzer Boten“. Bei
Ausbruch des Culturkampfes vor 30 Jahren haben
einſichtige Männer unter Aufgebot von ſchweren Geld-
und perſönlichen Opfern durch die Herausgabe dieſes
hervorragend kath. Blattes das Volk auf den drohen-
den Anſturm der Kirchenfeinde vorbereitet. Die Selbſt-
loſen unter jenen Vertheidigern halten heute noch in ihren
während dieſer oder jener, weil er an den Rockſchößen
der kath. Partei ſeinen zeitlichen Vortheil nicht fand,
abſplitterte und Beförderung in dem Lager fand, wo
man erfahrungsgemäß Ueberläufer zu lohnen ver-
ſteht. — A
. } b‚ßin dau — wer kennt nicht den Namen dieſes
geborenen Volksmannes, des berühmten Redners,
jenes unerſchrockenen Parlamentariers, der als Be-
gründer der kathol. Volkspartei — des bad. Cen-
trums — alleir im Kampfe ſtand gegen den grimmen
Miniſter Jolly und deſſen nationalliberale Armee?
Wer darf ſich wundern, wenn dieſer heldenmüthige
Kämpe unter dem unerbittlichen Kommando ſeiner
durch den Kampf für die kath. Sache ſo angegriffenen
Nervenſeiner parteipolitiſchen Thätigkeit entſagen mußte,
zu einer Zeit, wo ſeine erprobte Arbeitskraft ſchwer
vermißt wurde! . .
Ein Doktor L. Fiſcher, — deſſen Puls um ſo
raſcher ſchlug, je mehr die kath. Kirche in Baden
ſeufzte unter dem Drucke der Verfolgung; der nicht
die Judenangſt eines Phyſikus, Oberamtmanns oder
Apothekers theilte, als in Walldürn die Cho,
lera (1866) graſſierte, ſondern, weil dieſe Helden
das Haſenpanier ergriffen, in Walldürn Samariter-
dienſte leiſtete, — Dr. Fiſcher verſieht zwar un-
ter Aufgebot ſeiner moraliſchen und phyſiſchen Kraft
ſeinen Beruf, aber die Leiden der Kulturkampfszeit
haben deutliche Spuren an dieſer vornehmen Geſtalt
zurückgelaſſen. Und die anderen Wackeren, Benz,
Dr. Schulz dc. ꝛc. ſie haben viel gelitten im offenen
Kampfe wie in der dumpfen Gefängnißluft. ;
Rheine bis zum Maine als Berather in heiliger
Sache ſchickten — es hat auch manchen Und an kgeern-
et. Ich denke nicht an die Koncurrenz blätter, die
(Nachdruck
; 17) verboten.)
Eine Irrfahrt im Imnibus.
Von H. von Veltheim.
Er ſprach dieſe Worte mit einer außerordentlichen
Raſchheit und mit einer unangenehmen, heiſeren Stimme.
Dabei nam das Zucken ſeiner Geſichtsnerven, ſowie das
Blinzeln ſeiner Augen mehr zu, als ab, ſo daß mi
abſcheuliche Beweglichkeit ſeines Geſichtsausdruckes faſt
ganz aus meiner ohnehin ſo mühſam errungenen Faſſung
brachte. Ich hätte Alles auf der Welt darum gegeben, wenn
er mir den Rücken gekehrt und mir Zeit gelaſſen hätte,
mich von dem erſten Eindrucke,
wieder zu erholen 1 . 5
„Es freut mich, Herr Sherwin,“ erwiderte ich auf
ſeine zuvorkommenden Artigkeiten, „daß Ihnen meine Fa-
milie nicht ganz unbekannt iſt; es wird mir dadurch meine
Aufgabe bedeutend erleichtert und ich kann ohne weitere
Unmſchweife auf die eigentliche Urſache meines Beſuches
übergehen 5 .
„In der That, mein ſehr ehrenwerther Herr,“ entgeg-
nete Herr Sherwin mit lächerlichem Eigendünkel, „unter
Bekannten ſchließen ſich Geſchäfte noch einmal ſo leicht ab
. auch beſprechen ſich ernſte Angelegenheiten (und eine
ſolche führt Sie doch zu mir) viel gemüthlicher bei einem
Glaſe 0 7 ich daher ſo frei ſein, Ihnen ein Glas
Keres anzubieten?“ ; © „ .
. „Ich danke verbindlichſt, Herr Sherwin, ich trinke nie
vor Tiſch. Doch erlauben Sie mir jetzt, daß ich zur Sache
komme.“ a
© „Alſo keinen Wein? Nun, wie Sie wollen
aher beginnen Sie, ich bin ganz Ohr“) .
„Vor Allem, Herr Sherwin, muß ich Sie bitten, die
Eröffnungen, welche ich Ihnen zu machen habe, als voll-
kommen vertrauliche zu betrachten, wie immerhin Ihre
Antwort auf dieſelben lauten mag. 3
&v„„fSeien Sie deſſen gewiß, mein ſehr ehrenwerther Herr,
verſicherte Sherwin. „Das abſolute Geheimniß. . Ver-
ſchwiegenheit unter alen Umſtänden! Aber ich bitte, fah-
ren Sie fort . laſſen Sie hören. 0 .
Er rückte ſeinen Stuhl mir etwas näher. Trotz ſeines
den er auf mich gemacht
J. Sahen-
des Kulturkampfes leicht Wurzel ſchlagen konnten,
nein ich denke an jene Herren, welche in ihrer Ge-
meinde mit einem Machtworte den Pfälzer Boten ver-
abſchiedeten — zu Gunſten jüngerer Blätter. Auf
manchen Katholikenverſammlungen wurde das pil z⸗
artige Aufſchießen neuer kathol. Blätter ſchwer ge-
tadelt und Concentrieren um feuererprobte
Doch das iſt noch zu ertragen; aber kaum zu
rechtfertigen iſt in unſerer kath. Gegend das Halten
fremder Blätter und wenn es auch der gute „Ipf“
iſt. Was nützt unſeren Leuten das württemberger
Blatt, wenn badiſche Wahlen vor der Thüre ſtehen
und der Boden zum guten Gedeihen vorbereitet wer-
den muß. Oder gar wenn jagſtwänts, wo der Haupt ⸗
mitbegründer des „Pfälzer Bote“, Dr. L Fiſcher ſo
Katholiken, leibliche Freunde von Geiſtlichen,
Agenturen halten fär den farbloſen (1) Heil-
bronner Generalanzeiger! Zur Zeit der
Wahl ergeht dann der Ruf an den Steinsberg:
Dieterich von Bern
Erſcheine aus der Fern
. ; Und halte doch dem Herrn
eine Rede, wie der kath. Mann wählen ſoll.
Und wenn er auch über die Preſſe, welche
den Wahlkreis zunächſt angeht, geſprochen hat, ſie hat doch
nur ſpärliche Leſer gefunden, dafür aber manchen
„Kritiker“ nach dem Ausſpruche eines einwand-
freien Mannes:
Parteifreunden ſo engherzig bekritelt, als eine Zeit-
mit einem praktiſchen Rathe dem Blatte zur Hand
oder beſſer: verbreite es bei Nachbarn, inſeriere, oder
ſchreibe bisweilen dem Blatte einen Artikel.
zum Abonniren gerade die höchſte Zeit! — Biſt
du ein Taubergründer lies das Biſchemer Centrums-
blatt; gehörſt du zum Bauland, Odenwald,
Neckarhügelland, zur Pfalz: Nimm den
alten „Pfälzer Boten“, er hat ſich als echtes
Centrumsblatt im Kampfe ſolange bewährt und gibt
dir vermöge ſeiner Organiſation die beſte Garantie
jetzt und in der Zukunft, daß er ein richtiges und
ganzes Centrumsblatt ſein und bleiben wird.
Auch die Heidelberger Katholiken, die ſo
zahlreich nach Miſſionären verlangen, ſei der „Pfälzer“
warm empfohlen, denn, ſagte ein deutſcher Centrums-
führer: „Die kath. Preſſe iſt der Kaplan des Pfarrers!“
e war die regſte Neugierde und ein mißtrau-
iſches Lächeln auf ſeinem Geſichte zu leſen, als erwarte er
von mir irgend eine Mittheilung oder einen Antrag, wo-
durch er ſich unangenehm berührt fühlen würde.
»Ich muß Sie ferner bitten, Herr Sherwin,“ fuhr ich
fort, „mich ohne Unterbrechung ganz ausſprechen zu laſſen.
Meine Mittheilungen werden Sie im erſten Momente viel-
leicht überraſchen, aber hören Sie mich mit Geduld ganz
1 ohne weitere Vorrede, mein Beſuch betrifft Ihre
ochter.“ ;
„Meine Tochter!“ rief Herr Sherwin überraſcht, „Ihr
Beſuch bezieht ſich auf meine Tochter? In der That, mein
Herr, ich begreife nicht aber ſprechen Sie! . ich bin,
auf Ehre, ſehr begierig.“
„Es wird nun bald acht Tage, begann ich, „daß ich
zufällig in einem Omnibus mit Miß Sherwin, die von
einer älteren Dame begleitet wurde, zuſammentraf .“
„Miſtreß Sherwin, meine Frau, fiel mir Martha's
Vater in die Rede, indem er wegwerfend mit den Achſeln
ſwahn als ſei es nicht der Mühe werth, ihrer zu er-
ähnen.
„ Ich ſah Miß Sherwin,“ fuhr ich fort, „und es
kann Sie nicht befremden, wenn ich Ihnen geſtehe, daß
mich die Schönheit der Miß entzückte. Aber es iſt nicht
Bewunderung allein, was ich für Mis Sherwin empfand,
ſondern .. doch erlauben Sie mir vorerſt eine Frage:
haben Sie je ſchon gehört, daß ein einziger Blick ſchon
en kann, die heftigſte leidenſchaftlichſte Liebe zu ent-
zünden?“ ; ;
„Ich habe wohl ſo Etwas ſchon wohl in Büchern ge-
leſen“, erwiederte er, indem er auf einige Bände deutete,
die auf dem Tiſche vor uns lagen und deren Neuheit offen-
bar zeigte, daß ſie nie aufgeſchlagen worden waren, „ob
an der Sache aber etwas Wahres iſt“, fügte er mit einem
grinſenden Lächeln hinzu, „kann ich wenigſtens aus eigener
Erfahrung nicht beurtheilen “
„Wenn Sie meinen Worten einigen Glauben beimeſſen,
ſo dürfen Sie die Sache als gewiß annehmen,“ entgegnete
ich. „Betrachren Sie mich, Herr Sherwin; ſo wie Sie
mich hier vor ſich ſehen, habe ich an mir ſelbſt erfahren,
Deutſches Reich. e
Berlin, 22. Dezember.
— Theure Staatspenſionäre ſind alle ab-
gehenden Miniſter. Ueber Herrn v. Köllers Abgang wird
gegenwärtig ſo viel Ueberflüſſiges geſchrieben, daß man
meinen könnte, Köllers Opfer wäre rieſig. Aber wir mei-
nen, mit 24,000 Mark Penſion dürfte es dem Herrn nicht
allzuſchwer fallen, ſich über das Mißglücken ſeines Feld ⸗
zuges gegen die Sozialdemokraten zu tröſten. Die Zeche
bei Miniſterwechſeln zahlen alſo die deutſchen Steuer-
z Unter dem Ehrenvorſitze der Fürſtin Hohenlohe
trat im Reichskanzlerpalais eine zahlreiche Geſellſchaft von
Herren und Damen zuſammen, die einen Verein zur Er-
richtung von Volksheilſtätten gründeten. Der Verein
will das innige Zuſammenwirken mit anderen Vereinen
für Volksheilſtätten pflegen 5
— Die Berliner Stadtverordnetenverſammlung hat
den zwiſchen der Stadt und den Erben des verſtorbenen
Geheimen Commerzienrath v. Bleichröder vereinbarten Ver-
trag über die Exxichtung einer Stiftung zur Heilung und
Pflege von Schwindſüchtigen einſtimmig abge-
lehnt und zwar, weil die Erben Bleichröders darauf be
harrten, daß dieſe Anſtalt, für die ſie eine Million
geben, einem der ſtädtiſchen Krankenhäuſer eingegliedert
werden ſoll. 85 S „„
— Der Kaiſer empfing am Freitag den aus Kon
ſtantinopel und dem türkiſchen Militärdienſt zurückgekehrte
General⸗Lieutenant Freiherr v. d. Gol tz K
22 22
Thümmel — der Lümmel. Prediger T
mel hat, wie es ſcheint, das Vorrecht, ſich
ſtraft die größten Schmähungen und
ſchimpfungen katholiſcher Dinge erlauben
dürfen. In Breslau hatte er die Meſſe, das Altar
ſakrament u. ſ. w. mit Schimpfworten wie „Götzen-
dienſt“, „Schwindel“ u. ſ. w. bedacht, aber das Gerich
fand darin keinen Verſtoß gegen § 166 des Straf-
geſetzbuches. Jetzt hat er im Anſchluß an den Mellagea
proceß wieder eine Schmähſchrift veröffentlicht, in der
er die katholiſche Kirche und ihre Einrichtungen mit
ſeinen Lieblingsſchimpfereien bedenkt und die Aachener
Reliquien „Lappenbündel“ und „Plunder“
nennt. Er will natürlich nur das „Syſtem“ im Auge
Das Gericht in Hagen i. W. ſprach ihn frei; er habe
das Recht, an der Reliquienverehrung „Kritik“ zu
üben. Das Wort „Plunder“ war dem Gerichtshof
Herr Thümmel darf Alles ſagen. Als aber
der Redakteur der „Germania“ von dem „Jammerbild
des Proteſtantismus“ ſprach, das in einer prote-
ſtantiſchen kirchlichen Zeitſchrift entworfen war,
erhielt er 8 Tage Gefängniß. Das iſt auch Parität.
Die Kirche und ihre Einrichtungen darf man nach
Herzensluſt beſchimpfen, nicht aher einen Menſchen
was Sie nur aus der Romanliteratur kennen. Ohn
Ihnen die Sache pſychologiſch erklären zu können, ſo vie
ſteht nun einmal feſt, daß ich Miß Sherwin le denſchaft:
lich liebe, und zwar ſo leidenſchaftlich, daß ich mir bereits
erlaubte, ſie davon in Kenntniß zu ſetzen. ;
„Bei Gott, mein Herr,“ rief Sherwin mit wirklicher
5 auch nur erdichteter Entrüſtung, „ich finde,
5 ” \
Unterbrechen Sie mich nicht, ich bitte,“ entgegnete ich
gelaſſen. „Hören Sie mich ruhig an; ich bin 92 1
Sie werden dann mein Benehmen weniger verwerflich
finden, als es Ihnen im erſten Augenblicke vielleicht er-
ſcheinen mag“ . .
Er murmelte einige mir unverſtändliche Worte vor
ſich hin, wobei der gemeine Ausdruck ſeines Geſichtes etwas
Drohendes annahm. Ich ſah ein, daß es unmöglich ſei,
mit ihm wie mit einem Gentleman zu unterhandeln, denn
abſcheulichſten Vermuthungen gebracht. Ich eröffnete mich
ihm demnach in einer direkten Weiſe, um unſer „Geſchäft“,
8 er es genannt hatte, zum ſchnellen Abſchluſſe zu
ringen.
So war es denn ausgeſprochen das inhaltsſchwere
Wort, welches über meine Zukunft entſchied.
; Fortſetzung folgt.) S
Pe is vierteljährlich nur Mk. 1.20 bei der Po ſt 150
holt, von der Poſt täglich in's Haus gebracht Mk. 1,
Redaktion und Verlag von Joſ. Cremer tus,
füt Stadt
Anzeige ⸗Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin?⸗
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Walldürn ꝛe.
Druck von Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr.7
Bwingerkraße 1
Nr. 20
H Etwas aus dem Leben des
„ fälzer Bote“.
Von der Kocher, 22. Dez.
Das Jahr geht zu Ende und — ein neues
Quartal 1 . für den „Pfälzer Boten“. Bei
Ausbruch des Culturkampfes vor 30 Jahren haben
einſichtige Männer unter Aufgebot von ſchweren Geld-
und perſönlichen Opfern durch die Herausgabe dieſes
hervorragend kath. Blattes das Volk auf den drohen-
den Anſturm der Kirchenfeinde vorbereitet. Die Selbſt-
loſen unter jenen Vertheidigern halten heute noch in ihren
während dieſer oder jener, weil er an den Rockſchößen
der kath. Partei ſeinen zeitlichen Vortheil nicht fand,
abſplitterte und Beförderung in dem Lager fand, wo
man erfahrungsgemäß Ueberläufer zu lohnen ver-
ſteht. — A
. } b‚ßin dau — wer kennt nicht den Namen dieſes
geborenen Volksmannes, des berühmten Redners,
jenes unerſchrockenen Parlamentariers, der als Be-
gründer der kathol. Volkspartei — des bad. Cen-
trums — alleir im Kampfe ſtand gegen den grimmen
Miniſter Jolly und deſſen nationalliberale Armee?
Wer darf ſich wundern, wenn dieſer heldenmüthige
Kämpe unter dem unerbittlichen Kommando ſeiner
durch den Kampf für die kath. Sache ſo angegriffenen
Nervenſeiner parteipolitiſchen Thätigkeit entſagen mußte,
zu einer Zeit, wo ſeine erprobte Arbeitskraft ſchwer
vermißt wurde! . .
Ein Doktor L. Fiſcher, — deſſen Puls um ſo
raſcher ſchlug, je mehr die kath. Kirche in Baden
ſeufzte unter dem Drucke der Verfolgung; der nicht
die Judenangſt eines Phyſikus, Oberamtmanns oder
Apothekers theilte, als in Walldürn die Cho,
lera (1866) graſſierte, ſondern, weil dieſe Helden
das Haſenpanier ergriffen, in Walldürn Samariter-
dienſte leiſtete, — Dr. Fiſcher verſieht zwar un-
ter Aufgebot ſeiner moraliſchen und phyſiſchen Kraft
ſeinen Beruf, aber die Leiden der Kulturkampfszeit
haben deutliche Spuren an dieſer vornehmen Geſtalt
zurückgelaſſen. Und die anderen Wackeren, Benz,
Dr. Schulz dc. ꝛc. ſie haben viel gelitten im offenen
Kampfe wie in der dumpfen Gefängnißluft. ;
Rheine bis zum Maine als Berather in heiliger
Sache ſchickten — es hat auch manchen Und an kgeern-
et. Ich denke nicht an die Koncurrenz blätter, die
(Nachdruck
; 17) verboten.)
Eine Irrfahrt im Imnibus.
Von H. von Veltheim.
Er ſprach dieſe Worte mit einer außerordentlichen
Raſchheit und mit einer unangenehmen, heiſeren Stimme.
Dabei nam das Zucken ſeiner Geſichtsnerven, ſowie das
Blinzeln ſeiner Augen mehr zu, als ab, ſo daß mi
abſcheuliche Beweglichkeit ſeines Geſichtsausdruckes faſt
ganz aus meiner ohnehin ſo mühſam errungenen Faſſung
brachte. Ich hätte Alles auf der Welt darum gegeben, wenn
er mir den Rücken gekehrt und mir Zeit gelaſſen hätte,
mich von dem erſten Eindrucke,
wieder zu erholen 1 . 5
„Es freut mich, Herr Sherwin,“ erwiderte ich auf
ſeine zuvorkommenden Artigkeiten, „daß Ihnen meine Fa-
milie nicht ganz unbekannt iſt; es wird mir dadurch meine
Aufgabe bedeutend erleichtert und ich kann ohne weitere
Unmſchweife auf die eigentliche Urſache meines Beſuches
übergehen 5 .
„In der That, mein ſehr ehrenwerther Herr,“ entgeg-
nete Herr Sherwin mit lächerlichem Eigendünkel, „unter
Bekannten ſchließen ſich Geſchäfte noch einmal ſo leicht ab
. auch beſprechen ſich ernſte Angelegenheiten (und eine
ſolche führt Sie doch zu mir) viel gemüthlicher bei einem
Glaſe 0 7 ich daher ſo frei ſein, Ihnen ein Glas
Keres anzubieten?“ ; © „ .
. „Ich danke verbindlichſt, Herr Sherwin, ich trinke nie
vor Tiſch. Doch erlauben Sie mir jetzt, daß ich zur Sache
komme.“ a
© „Alſo keinen Wein? Nun, wie Sie wollen
aher beginnen Sie, ich bin ganz Ohr“) .
„Vor Allem, Herr Sherwin, muß ich Sie bitten, die
Eröffnungen, welche ich Ihnen zu machen habe, als voll-
kommen vertrauliche zu betrachten, wie immerhin Ihre
Antwort auf dieſelben lauten mag. 3
&v„„fSeien Sie deſſen gewiß, mein ſehr ehrenwerther Herr,
verſicherte Sherwin. „Das abſolute Geheimniß. . Ver-
ſchwiegenheit unter alen Umſtänden! Aber ich bitte, fah-
ren Sie fort . laſſen Sie hören. 0 .
Er rückte ſeinen Stuhl mir etwas näher. Trotz ſeines
den er auf mich gemacht
J. Sahen-
des Kulturkampfes leicht Wurzel ſchlagen konnten,
nein ich denke an jene Herren, welche in ihrer Ge-
meinde mit einem Machtworte den Pfälzer Boten ver-
abſchiedeten — zu Gunſten jüngerer Blätter. Auf
manchen Katholikenverſammlungen wurde das pil z⸗
artige Aufſchießen neuer kathol. Blätter ſchwer ge-
tadelt und Concentrieren um feuererprobte
Doch das iſt noch zu ertragen; aber kaum zu
rechtfertigen iſt in unſerer kath. Gegend das Halten
fremder Blätter und wenn es auch der gute „Ipf“
iſt. Was nützt unſeren Leuten das württemberger
Blatt, wenn badiſche Wahlen vor der Thüre ſtehen
und der Boden zum guten Gedeihen vorbereitet wer-
den muß. Oder gar wenn jagſtwänts, wo der Haupt ⸗
mitbegründer des „Pfälzer Bote“, Dr. L Fiſcher ſo
Katholiken, leibliche Freunde von Geiſtlichen,
Agenturen halten fär den farbloſen (1) Heil-
bronner Generalanzeiger! Zur Zeit der
Wahl ergeht dann der Ruf an den Steinsberg:
Dieterich von Bern
Erſcheine aus der Fern
. ; Und halte doch dem Herrn
eine Rede, wie der kath. Mann wählen ſoll.
Und wenn er auch über die Preſſe, welche
den Wahlkreis zunächſt angeht, geſprochen hat, ſie hat doch
nur ſpärliche Leſer gefunden, dafür aber manchen
„Kritiker“ nach dem Ausſpruche eines einwand-
freien Mannes:
Parteifreunden ſo engherzig bekritelt, als eine Zeit-
mit einem praktiſchen Rathe dem Blatte zur Hand
oder beſſer: verbreite es bei Nachbarn, inſeriere, oder
ſchreibe bisweilen dem Blatte einen Artikel.
zum Abonniren gerade die höchſte Zeit! — Biſt
du ein Taubergründer lies das Biſchemer Centrums-
blatt; gehörſt du zum Bauland, Odenwald,
Neckarhügelland, zur Pfalz: Nimm den
alten „Pfälzer Boten“, er hat ſich als echtes
Centrumsblatt im Kampfe ſolange bewährt und gibt
dir vermöge ſeiner Organiſation die beſte Garantie
jetzt und in der Zukunft, daß er ein richtiges und
ganzes Centrumsblatt ſein und bleiben wird.
Auch die Heidelberger Katholiken, die ſo
zahlreich nach Miſſionären verlangen, ſei der „Pfälzer“
warm empfohlen, denn, ſagte ein deutſcher Centrums-
führer: „Die kath. Preſſe iſt der Kaplan des Pfarrers!“
e war die regſte Neugierde und ein mißtrau-
iſches Lächeln auf ſeinem Geſichte zu leſen, als erwarte er
von mir irgend eine Mittheilung oder einen Antrag, wo-
durch er ſich unangenehm berührt fühlen würde.
»Ich muß Sie ferner bitten, Herr Sherwin,“ fuhr ich
fort, „mich ohne Unterbrechung ganz ausſprechen zu laſſen.
Meine Mittheilungen werden Sie im erſten Momente viel-
leicht überraſchen, aber hören Sie mich mit Geduld ganz
1 ohne weitere Vorrede, mein Beſuch betrifft Ihre
ochter.“ ;
„Meine Tochter!“ rief Herr Sherwin überraſcht, „Ihr
Beſuch bezieht ſich auf meine Tochter? In der That, mein
Herr, ich begreife nicht aber ſprechen Sie! . ich bin,
auf Ehre, ſehr begierig.“
„Es wird nun bald acht Tage, begann ich, „daß ich
zufällig in einem Omnibus mit Miß Sherwin, die von
einer älteren Dame begleitet wurde, zuſammentraf .“
„Miſtreß Sherwin, meine Frau, fiel mir Martha's
Vater in die Rede, indem er wegwerfend mit den Achſeln
ſwahn als ſei es nicht der Mühe werth, ihrer zu er-
ähnen.
„ Ich ſah Miß Sherwin,“ fuhr ich fort, „und es
kann Sie nicht befremden, wenn ich Ihnen geſtehe, daß
mich die Schönheit der Miß entzückte. Aber es iſt nicht
Bewunderung allein, was ich für Mis Sherwin empfand,
ſondern .. doch erlauben Sie mir vorerſt eine Frage:
haben Sie je ſchon gehört, daß ein einziger Blick ſchon
en kann, die heftigſte leidenſchaftlichſte Liebe zu ent-
zünden?“ ; ;
„Ich habe wohl ſo Etwas ſchon wohl in Büchern ge-
leſen“, erwiederte er, indem er auf einige Bände deutete,
die auf dem Tiſche vor uns lagen und deren Neuheit offen-
bar zeigte, daß ſie nie aufgeſchlagen worden waren, „ob
an der Sache aber etwas Wahres iſt“, fügte er mit einem
grinſenden Lächeln hinzu, „kann ich wenigſtens aus eigener
Erfahrung nicht beurtheilen “
„Wenn Sie meinen Worten einigen Glauben beimeſſen,
ſo dürfen Sie die Sache als gewiß annehmen,“ entgegnete
ich. „Betrachren Sie mich, Herr Sherwin; ſo wie Sie
mich hier vor ſich ſehen, habe ich an mir ſelbſt erfahren,
Deutſches Reich. e
Berlin, 22. Dezember.
— Theure Staatspenſionäre ſind alle ab-
gehenden Miniſter. Ueber Herrn v. Köllers Abgang wird
gegenwärtig ſo viel Ueberflüſſiges geſchrieben, daß man
meinen könnte, Köllers Opfer wäre rieſig. Aber wir mei-
nen, mit 24,000 Mark Penſion dürfte es dem Herrn nicht
allzuſchwer fallen, ſich über das Mißglücken ſeines Feld ⸗
zuges gegen die Sozialdemokraten zu tröſten. Die Zeche
bei Miniſterwechſeln zahlen alſo die deutſchen Steuer-
z Unter dem Ehrenvorſitze der Fürſtin Hohenlohe
trat im Reichskanzlerpalais eine zahlreiche Geſellſchaft von
Herren und Damen zuſammen, die einen Verein zur Er-
richtung von Volksheilſtätten gründeten. Der Verein
will das innige Zuſammenwirken mit anderen Vereinen
für Volksheilſtätten pflegen 5
— Die Berliner Stadtverordnetenverſammlung hat
den zwiſchen der Stadt und den Erben des verſtorbenen
Geheimen Commerzienrath v. Bleichröder vereinbarten Ver-
trag über die Exxichtung einer Stiftung zur Heilung und
Pflege von Schwindſüchtigen einſtimmig abge-
lehnt und zwar, weil die Erben Bleichröders darauf be
harrten, daß dieſe Anſtalt, für die ſie eine Million
geben, einem der ſtädtiſchen Krankenhäuſer eingegliedert
werden ſoll. 85 S „„
— Der Kaiſer empfing am Freitag den aus Kon
ſtantinopel und dem türkiſchen Militärdienſt zurückgekehrte
General⸗Lieutenant Freiherr v. d. Gol tz K
22 22
Thümmel — der Lümmel. Prediger T
mel hat, wie es ſcheint, das Vorrecht, ſich
ſtraft die größten Schmähungen und
ſchimpfungen katholiſcher Dinge erlauben
dürfen. In Breslau hatte er die Meſſe, das Altar
ſakrament u. ſ. w. mit Schimpfworten wie „Götzen-
dienſt“, „Schwindel“ u. ſ. w. bedacht, aber das Gerich
fand darin keinen Verſtoß gegen § 166 des Straf-
geſetzbuches. Jetzt hat er im Anſchluß an den Mellagea
proceß wieder eine Schmähſchrift veröffentlicht, in der
er die katholiſche Kirche und ihre Einrichtungen mit
ſeinen Lieblingsſchimpfereien bedenkt und die Aachener
Reliquien „Lappenbündel“ und „Plunder“
nennt. Er will natürlich nur das „Syſtem“ im Auge
Das Gericht in Hagen i. W. ſprach ihn frei; er habe
das Recht, an der Reliquienverehrung „Kritik“ zu
üben. Das Wort „Plunder“ war dem Gerichtshof
Herr Thümmel darf Alles ſagen. Als aber
der Redakteur der „Germania“ von dem „Jammerbild
des Proteſtantismus“ ſprach, das in einer prote-
ſtantiſchen kirchlichen Zeitſchrift entworfen war,
erhielt er 8 Tage Gefängniß. Das iſt auch Parität.
Die Kirche und ihre Einrichtungen darf man nach
Herzensluſt beſchimpfen, nicht aher einen Menſchen
was Sie nur aus der Romanliteratur kennen. Ohn
Ihnen die Sache pſychologiſch erklären zu können, ſo vie
ſteht nun einmal feſt, daß ich Miß Sherwin le denſchaft:
lich liebe, und zwar ſo leidenſchaftlich, daß ich mir bereits
erlaubte, ſie davon in Kenntniß zu ſetzen. ;
„Bei Gott, mein Herr,“ rief Sherwin mit wirklicher
5 auch nur erdichteter Entrüſtung, „ich finde,
5 ” \
Unterbrechen Sie mich nicht, ich bitte,“ entgegnete ich
gelaſſen. „Hören Sie mich ruhig an; ich bin 92 1
Sie werden dann mein Benehmen weniger verwerflich
finden, als es Ihnen im erſten Augenblicke vielleicht er-
ſcheinen mag“ . .
Er murmelte einige mir unverſtändliche Worte vor
ſich hin, wobei der gemeine Ausdruck ſeines Geſichtes etwas
Drohendes annahm. Ich ſah ein, daß es unmöglich ſei,
mit ihm wie mit einem Gentleman zu unterhandeln, denn
abſcheulichſten Vermuthungen gebracht. Ich eröffnete mich
ihm demnach in einer direkten Weiſe, um unſer „Geſchäft“,
8 er es genannt hatte, zum ſchnellen Abſchluſſe zu
ringen.
So war es denn ausgeſprochen das inhaltsſchwere
Wort, welches über meine Zukunft entſchied.
; Fortſetzung folgt.) S