/ int täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feierta e
%cgcie;ig niertgeliäßrfich Mk. 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſt-
gufſchlag. Beſtellungen bei den
( oſtanſtalten u. bei der
Expedition Zwingerſtraße 7
für Stall
r
Anzeige⸗ Blatt für die Amtsbezirke Heidelber
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach Buch !
Tauberbiſchofsheim, Walldürn ꝛc.
. Ar ;
Redakteur: Jof. Eremer ius Hauptſtr. 121, Heidelberg. Z
Heidelberg, Dienstag, den 6. Januar 1605
30. Jaht
* Ein neuer Skandal in Irankreich.
; Das alte Jahr hat mit Skandalen, bei welchen
gerade der ſog. beſſere Theil der Menſchheit ſich
furchtbar bloßgeſtellt hat, geendet; das neue Jahr
will hinter ſeinem Vorgänger nicht zurückſtehen und
beginnt ebenfalls mit Skandalen. Die ſchon lange
ſchwebende Südbahn⸗Affaire iſt endlich an dem
entſcheidenden Wendepunkt angelangt. Die erſten
Verhaftungen ſind erfolgt, weitere ſtehen bevor. Man
ſpricht bereits von einem neuen Panama. So
große Ausdehnungen wird der Südbahn ⸗Skandal
wohl kaum annehmen, obwohl er im Kleinen dieſelben
Züge zeigt: ein Bündniß zwiſchen ſchlimmem Finanz-
lichen Stellungen) und Parlamentariern, um die kleinen
Leute — Steuerzahler, Aktionäre ꝛc. — zu heſteh-
blen. Man findet ſogar einige der Namen, die durch
Panama zur wohlverdienten „Berühmtheit“ gelangt
geendet hat und den heut' nur der Tod verhindert, an
weiteren betrügeriſchen Unternehmungen theil zu nehmen,
figurirte als Präſident des Verwaltungsrathes der
Südbahn. Einige der bewährten e im
Panama ⸗ Strafverfahren ſtehen ihm zur S
ſich in den Büchern der Eiſenbahn⸗Geſellſchaft. Ob
es gelingen wird, an die Letzteren heranzukommen, iſt
immer einige von den alten Parlamentariern, die es
nun einmal nicht laſſen können, an Geſchäften aller
Art theilzunehmen; aber Panama hat wenigſtens in-
ſie vorſichtiger geworden ſind.
; Die „Chemins de fer du Sud de la France“
(„ Franzöſiſche Südbahnen“) ſind, wie die Frankfurter
Zeitung ausführt, eine Sekundärbahn im Südoſten,
welche größere Städte des Binnenlandes theis mit
der an der Küſte laufenden Hauptlinie des großen
Eisenbahnnetzes Paris⸗Lyon⸗Mittelmeer, theils dieſe
Städte unter ſich verbindet. Außerdem beſitzt ſie
ceeinige Linien in der Provinz Cote⸗d Or. Die Aus-
dehnung des Netzes beträgt etwas mehr als 300 Kilo-
meter. Die Bahn könnte bei gutem Betriebe eine ge-
wiſſe Wichtigkeit für den Verkehr haben. Auch hat
man ihr, offenbar um das Parlament zu beeinfluſſen,
eine ſtrategiſche Bedeutung zugeſchrieben, da die
an der Küſte ;
Luyon⸗Mittelmeer unter Umſtänden dem Bombardement
1 5—
9 elene (Nachdruck verboten)
+
Erzählung von Th. Küſter. .
»Er wäre nun vielleicht verſöhnlicher geſtimmt,“ ſagte
Frau Gerhard trüb lächelnd, „wenn ich ihm doch noch einen
Erben brächte — einen Erben, den er gar nicht verleugnen
kann, denn eine größere Aehnlichkeit zwiſchen Vater und
11 als zwiſchen ihm und Manx kann es ja gar nicht
eben!“ — ;
Sie hatte ſinnend, wie zu ſich ſelbſt geſprochen;
105 1 Nachdenken fuhr ſie fort, indem ſie erregt
— Ypradh : '
„Aber er wird mir doch nicht, trotz alledem nicht
glauben! — Wie damals, ſo würde er mich auch jetzt von
ſich jagen — und ſolche Schmähungen wie damals
könnte ich zum zweiten Male nicht ertragen; ich fühle
mich nach all' dem Leid, das ich bereits erduldet, jetzt
nicht mehr ſtark genug dafür; ſo mag es denn Max über-
laſſen bleiben, mich, meine Ehre und ſein gutes Recht zu
ſchützen!“ —
„Das wird allerdings ſehr lange dauern, bemerkte die
Amme. „Und bis dahin müſſen Sie ſich abmühen und
quälen und Ihre Geſundheit untergraben, nur um Max
die nothwendige Erziehung geben zu können, während ſein
Vater im Reichthum und Ueberfluß lebt! — Er könnte
ſtolz ſein auf einen Erben wie unſer Max! — Der iſt ge-
ſund und lebensfroh und friſch und wird einſt ein Pracht-
menſch werden! — Sein Herz iſt ſo edel und er hat ſo
große Gottesgaben und iſt ſo fleißig — zu fleißig faſt, ein
echter Freiherr von Wittenhoff!“ —
Die alte Amme, deren Herzblatt der Knabe war, hatte
ſtolz, mit blitzenden Augen geſprochen. Und ſie hatte auch
recht: Max war ein Kind, das Jedem, der es kannte,
32)
daß die Mutter, die ihn unter Leid und Entbehrungen ge
boren, und gewiſſermaßen zum Rächer ihrer Ehre erzog,
ſich nicht ſchuldbewußt fühlen konnte, ſie hätte ſich ſonſt,
bei den Grundſätzen, welche ſie ihm einimpfte, an ihm
icht einen Rächer, ſondern einen Richter großgezogen
werden könne, den Truppenransport im Innern des
Landes zu bewerkſtelligen. Es ſind ſogar vor einigen
Jahren Geleiſe zu militäriſchen Zwecken ſeitens
der Geſellſchaft gelegt worden; nur hat ſie
geſſen, die Verbindung dieſer Geleiſe mit den Haupt-
linien herzuſtellen, offenbar um dem Feinde die Mühe
zu erſparen, dieſe Verbindungen abzubrechen.
Das iſt nur eine kleine Einzelheit zur Kennzeich-
nung der Verwaltung. Aber es bedarf ſolcher Bei-
ſpiele fürs Erſte nicht; ſchon ein oberflächlicher Blick
auf derer Hauptzüge lehrt, daß die ganze Unternehm-
ung ein Betrug von ſelteuer Maßloſigkeit und Unver-
ſchämtheit war.
dem Staate und der Südbahn⸗Geſellſchaft
Jahre 1885 vom Parlament genehmigt.
Vertrag ſtammt aus dem Jahre 1889.
Antheil an ihrer Durchbringung hatte Herr Yves
Guyot, der dazumal im Miniſterium der öffeutlichen
Arbeiten ſaß, wo er ſich vollſtändig unmöglich gemacht
hat. Der Staat bewilligte der Geſellſchaft
Der zweite
unbegreiflich hohe Zinsgarantie von fünf Prozent.
ie Geſellſchaft ließ ſich das nicht zweimal ſagen.
erſter Gedanke war, nicht elwa den Bau zu be-
ginnen, ſondern einen großen Börſen⸗Jobber zu unter-
nehmen. Sie veraus gabte ihre Obligationen mit einem
gemacht. Zum Zweck der Verausgabung wurden
Syndikate gebildet. Man kennt von dem Panama-
Skandal her dieſe famoſen Garautie⸗Syndikate, welche
gewiſſen außerhalb des Unternehmens ſtehenden Leuten
einen unerlaubten Profit zuzuwenden. ;
Wie viel dieſe Syndikate bei der Verausgabung
verdient haben, wer ihre Mitglieder waren, ob ſich
auch, wie bei Panama, Parlamentarier darunter be-
fanden, das iſt zur Zeit das Geheimniß des
Unterſuchungsrichters, dem die Bücher der Geſellſchaft
vorliegen. Es iſt nicht unmöglich, daß der Skandal
gerade an dieſen Umſtand ſchon in den nächſten Ta-
gen anknüpfen wird. Dieſe Garantie⸗Syndikate haben
aber nicht allein bei der Verausgabung profitirt. 1
ie
Baukoſten ausgeworfenen Gelder an ſich gebracht
haben. Nur ſo iſt es wenigſtens zu erklären, daß
die Voranſchläge für die Baukoſten, die bereits an
ſich zu hoch gegriffen waren, an mehreren Stellen
noch um ein Bedeutendes über ſchritten wurden.
Die Art und Weiſe, in welcher die Geſellſchaft beim
222 AaAlr g Bn n rmn
müſſen, daß,
Mutter zu glauben ſich genöthigt geſehen, er ſie verachten
würde. —
Das ſollte ihr Stolz und ihre edle Rache ſein gegen
ihn, der vorſchnell verdammt hatte, daß ſie, unter den
ſchwerſten und drückendſten Sorgen ringend und im fort-
währenden Kampfe mit dem Leben, ſeinen Sohn zu einem
rechten und echten Wittenhoff erzog.
Sie liebte ihn — den Gatten — noch immer; ſie be-
klagte ihn nur um ſeiner Verblendung, um des öden, troſt-
loſen Daſeins willen, das er ſelbſt ſich geſchaffen, bemit-
leidete ihn, daß er ſo leicht ſich hätte täuſchen laſſen: denn
ſie wußte recht gut, welches Maß von Herzeleid auch er
erduldet haben mußte und wie einſam es nun um ihn
ward, wenn auch ſeine einzige Tochter ſich verheirathete.
„Sie auch hält mich für todt, wie die Andern alle,“
murmelte ſie vor ſich hin. „Nur einige von den alten
Dienern des Hauſes wiſſen beſſer, aber ſie ſchweigen —
müſſen wohl ſchweigen über die vermeindliche Schande
ihres Herrn! — Wie glücklich bin ich bei alledem, daß der
Zufall mir Kunde gebracht hat von Wittenhoff; das liebe
Mädchen ahnt nicht, wer ich bin und warum ich mich ſo
für ihre Freundin intereſſire. Ich wünſchte wohl, ich könnte
Helene einmal ſehen! — Nun, vielleicht kommt ſie einmal
hierher, um Marie zu beſuchen.“ — ;
VIII.
Wiederum einige Tage ſpäter war Herr Frohmann an-
gekommen und hatte, geſtützt auf ſeine brillanten genhoſ
und die warme Empfehlung des Freiherrn von Wittenhoff,
die erledigte Stelle als ordentliches Mitglied des Lehrer-
Collegiums am Gymngſium der Vaterſtadt Marie Achten s
erhalten. Er zeigte ſich dem jungen Mädchen ſehr dank-
bar und war hocherfreut, nun mit ihr in derſelben Stadt
lehen zu können. Sie hatte ihn ihren Eltern vorgeſtellt
funden. Frohmann verkehrte nun viel im Achten'ſchen
ſie liebten ſich innig — wie nur ſolch gute, rechte Men-
ſchen ſich lieben können; er ſprach jedoch nie von ſeiner
ee
Betriebe von der Zinsgarantie des Staates Gebrauch
machte, iſt eine ewig denkwürdige. Der Staat
garantirte pro Kilometer eine Mindeſt⸗Einnahme vo
4500 Francs. Falls alſo die Einnahmen der Bah
dieſe Höhe nicht erreichten, ſchoß der Staat da
Mitteln (Steuern ꝛc.) zu. Das Ziel der Verwaltun
beziehen. In der Regel haben allerdings wohl di
Eiſenbahnen zur Erzieſung von Einnahmen ander
Mittel in der Hand, zum Beiſpiel: möglichſt vi
Züge abzulaſſen und recht viele Perſonen und Güte
zu befördern. Die Südbahn⸗Geſellſchaft fand, da
das zu gewagt ſei; die Staatsgarantie war vi
ſicherer. Das Ablaſſen von Zügen ließ ſich zwa
nicht gut völlig umgehen — es war ein nothwendiges
Uebel —, aber die Geſehlſchaft brachte es dahin, dieſe
läſtige Obliegenheit auf das kleinſte Maß einzuſchrän
ken. So wurden große „Erſparniſſe“ an Perſo
nal und Material erzielt. Die Einnahmen ware
denn auch danach. Im Jahre 1888 betrugen ſi
pro Kilometer, 1889 2432 Fres. un
1890 nur noch 2345 Fraucs. Die Ausgaben beliefe
ſich in dieſer Zeit auf höchſtens 3600 Francs pr
Kilometer. Da nun der Staat 4500 Francs zahlt
Einfall, ihre Bahnhöfe den Reiſenden zu verſchließe
eine Profit von 1300 Franes pro Kilometer. D
hält man als Geſammt⸗Profit die runde Summe vo
390.000 Francs, welche die Geſellſchaft aus den Te
ſchen der Steuerzahler bezog dafür, daß ſie ihr
Linien gegen die Benutzung durch das Publiku
„ſchützte“, d. h. dem Publikum die Benutzung der
Bahn erſchwerte und faſt unmöglich machte. 1
Dieſe Einnahmen genügten aber nicht. Die
jämmerliche Seitenbahn, die nichts leiſtete, hatte trotz
dem ein Ausgaben⸗Budget, als wäre ſie ein
Hauptbahn erſter Klaſſe. In letzter Zeit muß
die Eiſenbahn⸗Geſellſchaft, um dem Bankerott zu en
gehen, zu verzweifelten Mitteln die Zuflucht nehmen
Die Dividenden der Aktionäre wurden um zwei Dri
tel herabgeſetzt, dagegen iſt das Aktien⸗Capital heut
zum Theil aufgebraucht. Die Ausgaben wurden abe
nicht zum Betriebe verwandt! Wozu denn ſonſt
Es ſcheint, daß die Südbahn, gleich wie ſeinerze
Pauama, eine offene Kaſſe für allerhan
Leute zu allerhand Zwecken war. Man erinnert ſich
wie freigebig der Baron Reinach die kleinen Dame
vom Opernballet aus den Geldern der Panama⸗Aktio
NT SN
Liebe, er war zu zartfühlend, um Marie zu werben, den
was konnte er ihr bieten? — Sie gehörte einer reiche
für ſie als einen armen Gymnaſiallehrer, der no
das böſe Augenleiden hatte. } 9 b%
Jein. — ;
Bei ihr ſtand es anders, ſie dachte wohl, daß Fro
mann ihr Erwählter ſei, daß ſie an ſeiner Seite güte ;
würde und die feſte Abſicht habe, ihm das Leben zu ve
ſchönen; doch das Alles konnte ſie ihm doch nicht ſage
obwohl ſie wußte, daß auch er ſie gewiß gern zur Fra
haben möge. — Sie kannte auch recht gut die Bewe
gründe, welche ihn ſchweigen ließen, und achtete ihn des
halb um ſo höher; ſie hoffte, es werde doch einmal
Stunde kommen, welche ſie zuſammenführte. Sie fürchte
auch ein wenig, daß ihre Eltern nicht 0 ganz einverſtar
den ſein würden mit ihrer Wahl, ihr Vater war K
mann und ſchätzte den materiellen Beſitz über Alles. —
lieb und werth Herr Frohmann Maries Eltern auch ba
geworden, ſo waren dieſe doch weit entfernt, an die M
lichkeit intimerer Beziehungen zwiſchen ihm und ihrer To
ter auch nur zu denken. „„
Fran Gerhard hatte ſich mit Herrn Frohmann bal
herzlich befreundet. Sie Beide verſtanden ſich ſehr gut
und er hatte kaum noch eine Frau gekannt, welche ihm
mehr Ehrerbietung eingeflößt als des kleinen Max Mut-
ter. — Daß ein Unglück herbſter Art ſie in die abnorm
Sphäre gebracht, in der ſie jetzt ſich bewegte, die ih
e
DE
unter keinen Umſtänden, ſeit er di
geglaubt haben. A ' 15
ortſetzung folgt.)
N nie,
rau näher kannte,
%cgcie;ig niertgeliäßrfich Mk. 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſt-
gufſchlag. Beſtellungen bei den
( oſtanſtalten u. bei der
Expedition Zwingerſtraße 7
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r
Anzeige⸗ Blatt für die Amtsbezirke Heidelber
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach Buch !
Tauberbiſchofsheim, Walldürn ꝛc.
. Ar ;
Redakteur: Jof. Eremer ius Hauptſtr. 121, Heidelberg. Z
Heidelberg, Dienstag, den 6. Januar 1605
30. Jaht
* Ein neuer Skandal in Irankreich.
; Das alte Jahr hat mit Skandalen, bei welchen
gerade der ſog. beſſere Theil der Menſchheit ſich
furchtbar bloßgeſtellt hat, geendet; das neue Jahr
will hinter ſeinem Vorgänger nicht zurückſtehen und
beginnt ebenfalls mit Skandalen. Die ſchon lange
ſchwebende Südbahn⸗Affaire iſt endlich an dem
entſcheidenden Wendepunkt angelangt. Die erſten
Verhaftungen ſind erfolgt, weitere ſtehen bevor. Man
ſpricht bereits von einem neuen Panama. So
große Ausdehnungen wird der Südbahn ⸗Skandal
wohl kaum annehmen, obwohl er im Kleinen dieſelben
Züge zeigt: ein Bündniß zwiſchen ſchlimmem Finanz-
lichen Stellungen) und Parlamentariern, um die kleinen
Leute — Steuerzahler, Aktionäre ꝛc. — zu heſteh-
blen. Man findet ſogar einige der Namen, die durch
Panama zur wohlverdienten „Berühmtheit“ gelangt
geendet hat und den heut' nur der Tod verhindert, an
weiteren betrügeriſchen Unternehmungen theil zu nehmen,
figurirte als Präſident des Verwaltungsrathes der
Südbahn. Einige der bewährten e im
Panama ⸗ Strafverfahren ſtehen ihm zur S
ſich in den Büchern der Eiſenbahn⸗Geſellſchaft. Ob
es gelingen wird, an die Letzteren heranzukommen, iſt
immer einige von den alten Parlamentariern, die es
nun einmal nicht laſſen können, an Geſchäften aller
Art theilzunehmen; aber Panama hat wenigſtens in-
ſie vorſichtiger geworden ſind.
; Die „Chemins de fer du Sud de la France“
(„ Franzöſiſche Südbahnen“) ſind, wie die Frankfurter
Zeitung ausführt, eine Sekundärbahn im Südoſten,
welche größere Städte des Binnenlandes theis mit
der an der Küſte laufenden Hauptlinie des großen
Eisenbahnnetzes Paris⸗Lyon⸗Mittelmeer, theils dieſe
Städte unter ſich verbindet. Außerdem beſitzt ſie
ceeinige Linien in der Provinz Cote⸗d Or. Die Aus-
dehnung des Netzes beträgt etwas mehr als 300 Kilo-
meter. Die Bahn könnte bei gutem Betriebe eine ge-
wiſſe Wichtigkeit für den Verkehr haben. Auch hat
man ihr, offenbar um das Parlament zu beeinfluſſen,
eine ſtrategiſche Bedeutung zugeſchrieben, da die
an der Küſte ;
Luyon⸗Mittelmeer unter Umſtänden dem Bombardement
1 5—
9 elene (Nachdruck verboten)
+
Erzählung von Th. Küſter. .
»Er wäre nun vielleicht verſöhnlicher geſtimmt,“ ſagte
Frau Gerhard trüb lächelnd, „wenn ich ihm doch noch einen
Erben brächte — einen Erben, den er gar nicht verleugnen
kann, denn eine größere Aehnlichkeit zwiſchen Vater und
11 als zwiſchen ihm und Manx kann es ja gar nicht
eben!“ — ;
Sie hatte ſinnend, wie zu ſich ſelbſt geſprochen;
105 1 Nachdenken fuhr ſie fort, indem ſie erregt
— Ypradh : '
„Aber er wird mir doch nicht, trotz alledem nicht
glauben! — Wie damals, ſo würde er mich auch jetzt von
ſich jagen — und ſolche Schmähungen wie damals
könnte ich zum zweiten Male nicht ertragen; ich fühle
mich nach all' dem Leid, das ich bereits erduldet, jetzt
nicht mehr ſtark genug dafür; ſo mag es denn Max über-
laſſen bleiben, mich, meine Ehre und ſein gutes Recht zu
ſchützen!“ —
„Das wird allerdings ſehr lange dauern, bemerkte die
Amme. „Und bis dahin müſſen Sie ſich abmühen und
quälen und Ihre Geſundheit untergraben, nur um Max
die nothwendige Erziehung geben zu können, während ſein
Vater im Reichthum und Ueberfluß lebt! — Er könnte
ſtolz ſein auf einen Erben wie unſer Max! — Der iſt ge-
ſund und lebensfroh und friſch und wird einſt ein Pracht-
menſch werden! — Sein Herz iſt ſo edel und er hat ſo
große Gottesgaben und iſt ſo fleißig — zu fleißig faſt, ein
echter Freiherr von Wittenhoff!“ —
Die alte Amme, deren Herzblatt der Knabe war, hatte
ſtolz, mit blitzenden Augen geſprochen. Und ſie hatte auch
recht: Max war ein Kind, das Jedem, der es kannte,
32)
daß die Mutter, die ihn unter Leid und Entbehrungen ge
boren, und gewiſſermaßen zum Rächer ihrer Ehre erzog,
ſich nicht ſchuldbewußt fühlen konnte, ſie hätte ſich ſonſt,
bei den Grundſätzen, welche ſie ihm einimpfte, an ihm
icht einen Rächer, ſondern einen Richter großgezogen
werden könne, den Truppenransport im Innern des
Landes zu bewerkſtelligen. Es ſind ſogar vor einigen
Jahren Geleiſe zu militäriſchen Zwecken ſeitens
der Geſellſchaft gelegt worden; nur hat ſie
geſſen, die Verbindung dieſer Geleiſe mit den Haupt-
linien herzuſtellen, offenbar um dem Feinde die Mühe
zu erſparen, dieſe Verbindungen abzubrechen.
Das iſt nur eine kleine Einzelheit zur Kennzeich-
nung der Verwaltung. Aber es bedarf ſolcher Bei-
ſpiele fürs Erſte nicht; ſchon ein oberflächlicher Blick
auf derer Hauptzüge lehrt, daß die ganze Unternehm-
ung ein Betrug von ſelteuer Maßloſigkeit und Unver-
ſchämtheit war.
dem Staate und der Südbahn⸗Geſellſchaft
Jahre 1885 vom Parlament genehmigt.
Vertrag ſtammt aus dem Jahre 1889.
Antheil an ihrer Durchbringung hatte Herr Yves
Guyot, der dazumal im Miniſterium der öffeutlichen
Arbeiten ſaß, wo er ſich vollſtändig unmöglich gemacht
hat. Der Staat bewilligte der Geſellſchaft
Der zweite
unbegreiflich hohe Zinsgarantie von fünf Prozent.
ie Geſellſchaft ließ ſich das nicht zweimal ſagen.
erſter Gedanke war, nicht elwa den Bau zu be-
ginnen, ſondern einen großen Börſen⸗Jobber zu unter-
nehmen. Sie veraus gabte ihre Obligationen mit einem
gemacht. Zum Zweck der Verausgabung wurden
Syndikate gebildet. Man kennt von dem Panama-
Skandal her dieſe famoſen Garautie⸗Syndikate, welche
gewiſſen außerhalb des Unternehmens ſtehenden Leuten
einen unerlaubten Profit zuzuwenden. ;
Wie viel dieſe Syndikate bei der Verausgabung
verdient haben, wer ihre Mitglieder waren, ob ſich
auch, wie bei Panama, Parlamentarier darunter be-
fanden, das iſt zur Zeit das Geheimniß des
Unterſuchungsrichters, dem die Bücher der Geſellſchaft
vorliegen. Es iſt nicht unmöglich, daß der Skandal
gerade an dieſen Umſtand ſchon in den nächſten Ta-
gen anknüpfen wird. Dieſe Garantie⸗Syndikate haben
aber nicht allein bei der Verausgabung profitirt. 1
ie
Baukoſten ausgeworfenen Gelder an ſich gebracht
haben. Nur ſo iſt es wenigſtens zu erklären, daß
die Voranſchläge für die Baukoſten, die bereits an
ſich zu hoch gegriffen waren, an mehreren Stellen
noch um ein Bedeutendes über ſchritten wurden.
Die Art und Weiſe, in welcher die Geſellſchaft beim
222 AaAlr g Bn n rmn
müſſen, daß,
Mutter zu glauben ſich genöthigt geſehen, er ſie verachten
würde. —
Das ſollte ihr Stolz und ihre edle Rache ſein gegen
ihn, der vorſchnell verdammt hatte, daß ſie, unter den
ſchwerſten und drückendſten Sorgen ringend und im fort-
währenden Kampfe mit dem Leben, ſeinen Sohn zu einem
rechten und echten Wittenhoff erzog.
Sie liebte ihn — den Gatten — noch immer; ſie be-
klagte ihn nur um ſeiner Verblendung, um des öden, troſt-
loſen Daſeins willen, das er ſelbſt ſich geſchaffen, bemit-
leidete ihn, daß er ſo leicht ſich hätte täuſchen laſſen: denn
ſie wußte recht gut, welches Maß von Herzeleid auch er
erduldet haben mußte und wie einſam es nun um ihn
ward, wenn auch ſeine einzige Tochter ſich verheirathete.
„Sie auch hält mich für todt, wie die Andern alle,“
murmelte ſie vor ſich hin. „Nur einige von den alten
Dienern des Hauſes wiſſen beſſer, aber ſie ſchweigen —
müſſen wohl ſchweigen über die vermeindliche Schande
ihres Herrn! — Wie glücklich bin ich bei alledem, daß der
Zufall mir Kunde gebracht hat von Wittenhoff; das liebe
Mädchen ahnt nicht, wer ich bin und warum ich mich ſo
für ihre Freundin intereſſire. Ich wünſchte wohl, ich könnte
Helene einmal ſehen! — Nun, vielleicht kommt ſie einmal
hierher, um Marie zu beſuchen.“ — ;
VIII.
Wiederum einige Tage ſpäter war Herr Frohmann an-
gekommen und hatte, geſtützt auf ſeine brillanten genhoſ
und die warme Empfehlung des Freiherrn von Wittenhoff,
die erledigte Stelle als ordentliches Mitglied des Lehrer-
Collegiums am Gymngſium der Vaterſtadt Marie Achten s
erhalten. Er zeigte ſich dem jungen Mädchen ſehr dank-
bar und war hocherfreut, nun mit ihr in derſelben Stadt
lehen zu können. Sie hatte ihn ihren Eltern vorgeſtellt
funden. Frohmann verkehrte nun viel im Achten'ſchen
ſie liebten ſich innig — wie nur ſolch gute, rechte Men-
ſchen ſich lieben können; er ſprach jedoch nie von ſeiner
ee
Betriebe von der Zinsgarantie des Staates Gebrauch
machte, iſt eine ewig denkwürdige. Der Staat
garantirte pro Kilometer eine Mindeſt⸗Einnahme vo
4500 Francs. Falls alſo die Einnahmen der Bah
dieſe Höhe nicht erreichten, ſchoß der Staat da
Mitteln (Steuern ꝛc.) zu. Das Ziel der Verwaltun
beziehen. In der Regel haben allerdings wohl di
Eiſenbahnen zur Erzieſung von Einnahmen ander
Mittel in der Hand, zum Beiſpiel: möglichſt vi
Züge abzulaſſen und recht viele Perſonen und Güte
zu befördern. Die Südbahn⸗Geſellſchaft fand, da
das zu gewagt ſei; die Staatsgarantie war vi
ſicherer. Das Ablaſſen von Zügen ließ ſich zwa
nicht gut völlig umgehen — es war ein nothwendiges
Uebel —, aber die Geſehlſchaft brachte es dahin, dieſe
läſtige Obliegenheit auf das kleinſte Maß einzuſchrän
ken. So wurden große „Erſparniſſe“ an Perſo
nal und Material erzielt. Die Einnahmen ware
denn auch danach. Im Jahre 1888 betrugen ſi
pro Kilometer, 1889 2432 Fres. un
1890 nur noch 2345 Fraucs. Die Ausgaben beliefe
ſich in dieſer Zeit auf höchſtens 3600 Francs pr
Kilometer. Da nun der Staat 4500 Francs zahlt
Einfall, ihre Bahnhöfe den Reiſenden zu verſchließe
eine Profit von 1300 Franes pro Kilometer. D
hält man als Geſammt⸗Profit die runde Summe vo
390.000 Francs, welche die Geſellſchaft aus den Te
ſchen der Steuerzahler bezog dafür, daß ſie ihr
Linien gegen die Benutzung durch das Publiku
„ſchützte“, d. h. dem Publikum die Benutzung der
Bahn erſchwerte und faſt unmöglich machte. 1
Dieſe Einnahmen genügten aber nicht. Die
jämmerliche Seitenbahn, die nichts leiſtete, hatte trotz
dem ein Ausgaben⸗Budget, als wäre ſie ein
Hauptbahn erſter Klaſſe. In letzter Zeit muß
die Eiſenbahn⸗Geſellſchaft, um dem Bankerott zu en
gehen, zu verzweifelten Mitteln die Zuflucht nehmen
Die Dividenden der Aktionäre wurden um zwei Dri
tel herabgeſetzt, dagegen iſt das Aktien⸗Capital heut
zum Theil aufgebraucht. Die Ausgaben wurden abe
nicht zum Betriebe verwandt! Wozu denn ſonſt
Es ſcheint, daß die Südbahn, gleich wie ſeinerze
Pauama, eine offene Kaſſe für allerhan
Leute zu allerhand Zwecken war. Man erinnert ſich
wie freigebig der Baron Reinach die kleinen Dame
vom Opernballet aus den Geldern der Panama⸗Aktio
NT SN
Liebe, er war zu zartfühlend, um Marie zu werben, den
was konnte er ihr bieten? — Sie gehörte einer reiche
für ſie als einen armen Gymnaſiallehrer, der no
das böſe Augenleiden hatte. } 9 b%
Jein. — ;
Bei ihr ſtand es anders, ſie dachte wohl, daß Fro
mann ihr Erwählter ſei, daß ſie an ſeiner Seite güte ;
würde und die feſte Abſicht habe, ihm das Leben zu ve
ſchönen; doch das Alles konnte ſie ihm doch nicht ſage
obwohl ſie wußte, daß auch er ſie gewiß gern zur Fra
haben möge. — Sie kannte auch recht gut die Bewe
gründe, welche ihn ſchweigen ließen, und achtete ihn des
halb um ſo höher; ſie hoffte, es werde doch einmal
Stunde kommen, welche ſie zuſammenführte. Sie fürchte
auch ein wenig, daß ihre Eltern nicht 0 ganz einverſtar
den ſein würden mit ihrer Wahl, ihr Vater war K
mann und ſchätzte den materiellen Beſitz über Alles. —
lieb und werth Herr Frohmann Maries Eltern auch ba
geworden, ſo waren dieſe doch weit entfernt, an die M
lichkeit intimerer Beziehungen zwiſchen ihm und ihrer To
ter auch nur zu denken. „„
Fran Gerhard hatte ſich mit Herrn Frohmann bal
herzlich befreundet. Sie Beide verſtanden ſich ſehr gut
und er hatte kaum noch eine Frau gekannt, welche ihm
mehr Ehrerbietung eingeflößt als des kleinen Max Mut-
ter. — Daß ein Unglück herbſter Art ſie in die abnorm
Sphäre gebracht, in der ſie jetzt ſich bewegte, die ih
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DE
unter keinen Umſtänden, ſeit er di
geglaubt haben. A ' 15
ortſetzung folgt.)
N nie,
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