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sein. Ich wollte eben die Whiskeyflasche aus dem Speise-
zimmer holen. Hegen Sie irgend eine Besorgniß, können
Sie ja mit mir kommen."
Dies sagte ich so ruhig, daß er nach einem Augenblick
der Ueberlegung erwiderte:
„Ich will Ihnen trauen und Sie allein gehen lassen,
weil ich es nicht liebe, bei meinen Mahlzeiten gestört zu
werden. Uebrigeus," fügte er diesmal mit einem drohenden
Blicke hinzu, „würde ich Ihnen folgen, wenn Sie nicht
rasch genug zurückkehrten."
In der Hoffnung, ihm Vertrauen, einzuflößen und da-
durch die Möglichkeit zu gewinnen, ihm bei einer anderen
Gelegenheit zu entrinnen kam ich mit der Flasche so bald
zurück, als ich nur konnte.
„Wer bürgt mir dafür, daß Sie dem Whiskey nicht
irgend Etwas beigemischt haben?" sagte er, die Flasche
mit einem mißtrauischen, doch gleichzeitig sehnsüchtigen
Blicke betrachtend. „Klüger wird es sein, wenn ich nicht
davon trinke."
„Nach Belieben," erwiderte ich trocken, „doch dürfen
Sie überzeugt sein, daß ich es unter allen Umständen ver-
schmähen würde, mich eines so feigen Mittels zu bedienen."
„Ich will Ihnen glauben," sagte er, indem er zur
Bekräftigung seiner Worte, ein großes Glas voll einschänkte
und leerte.
Während der Mann zu essen und zu trinken fortfuhr,
dachte ich über einen Ausweg zu meiner Rettung nach.
Plötzlich kam mir ein Revolver in den Sinn, der in einem
Kästchen auf dem Spiegeltischchen des Empfangssalons lag,
und mit dem ich unter Anleitung meines Konsins Frank
wiederholt nach der Scheibe geschossen, wenn dieser uns
besuchte. Gleichzeitig erinnerte ich mich, daß Frank den
Revolver vor seinem Weggange noch geladen und dazu
lachend bemerkt hatte:
„Für alle Fälle, Lucie, wenn irgend ein Räuber sich
beifallen ließe, Euch einen Besuch zu machen. Du bist ein
wackeres Mädchen, er aber dürfte kaum so höflich sein,
zu warten, bis Du die Waffe geladen."
Der Räuber war nun da. Die Frage war nur, in
welcher Weise ich in den Besitz des Revolvers gelangen
konnte.
Um durch mein Schweigen keinen Verdacht zu erregen
nahm-ich das Gespräch wieder auf. >
„Wie kamen Sie herein? fragte ich.
Der Mann hatte eben den Mund zu voll, um antworten
zu können, und begnügte sich, nach einem Fenster zu deuten.
Jetzt erst bemerkte ich, daß durch den nur angelehnten
Fensterladen die kühle Nachtluft hereindrang.
„Ganz zufällig hörte ich von der Straße aus die
Unterredung mit Ihrem Dienstmädchen," sagte der Ein-
brecher, nachdem er den seinen Mund verschließenden unge-
heueren Bissen hinuntergewürgt, „und ich möchte Ihnen
rathen, mein Fräulein, in Zukunft nicht zu laut zu sprechen,
wenn Sie ein gutes Werk thun. Die rechte Hand soll nie
wissen, was die linke thut. Hätten Sie diese Worte der
heiligen Schrift beherzigt, würde ich nicht erfahren haben,
daß Sie ganz allein im Hause zurückblieben."
Nach einer Weile erhob er sich von dem Tisch und sich
zumir drehend sagte er mit höflicher Verbeugung: „Es wäre
undankbar von mir, mein Fräulein, wollte ich Ihnen die
Anerkennung versagen, daß Ihre Küche vortrefflich ist. Meine
Neugier, das Innere ihres Hauses kennen zu lernen, wurde
dadurch nur gesteigert, und Sie würden mich sehr verpflichten
Wollen Sie meine Führerin sein."
„Ich Lin mit Vergnügen dazu bereit," erwiderte ich,
die Kerze ergreifend.

„Es ist keineswegs meine Absicht, Ihnen irgend I
Leid zuzufügen," fuhr der Räuber fort, „sondern nur, A
von einigen nutzlosen Gegenständen zu befreien Bei t
Dame Ihres Standes setze ich voraus, daß Sie nur eM
Silber besitzen."
„Davon werden Sie sich durch den Augenschein
zeugen," erwiderte ich ruhig. „Wenn es beliebt, koinni
Sie mit mir in den Salon. Dort dürften Sie EE
vorfinden, das, wie mir scheint, Ihrem etwas schwer s"/i
friedigenden Geschmacks entsprechen wird." !
„Sie haben nicht Unrecht, mein Fräulein, ich
der That ziemlich wählerisch", bemerkte er. sZ
Von dem Räuber gefolgt, trat ich in den EmpfEl
salon, wo ich ihm einen Schrank wies, der mit allerlM
theilweise sehr kostbaren Dingen gefüllt war. Während 1
sich damit beschäftigte, die Sachen zu prüfen, um davon, ü
ihm gefiel, in einem großem Sacke verschwinden zu stsst,
schlenderte ich anscheinend gleichgiltig im Zimmer h^
Im Spiegel, vor dem der Revolver lag, konnte ich
wegung des Einbrechers wahrnehmen. Einen Auge^'
benutzend, rn dem er mir den Rücken zuwandte, öffnen j
geräuschlos das Kästchen, und barg den Revolver blW"
unter meinem Shawl.
Der Gedanke, einen Menschen meuchlings von rückest,
anzufallen, widerstrebte mir, zudem pochte mein H^,
heftig, daß ich Zeit gewinnen mußte, um mich zu bernyE
Nachdem ich meine Selbstbeherrschung wiedererlangt,
ich den Revolver zur Hand und spannte den Hahn-
dem Geräusche, welches dessen Einfahren in die Spn^
verursachte, fuhr der Räuber herum und wurde leicht"
als er die auf sich gerichtete Mündung der Waffe sah-Ai
„Die Hände in die Höhe!" rief ich ihm zu. "
einzige Bewegung, und Sie haben Ihren letzten Ath^
gethan." ,
Er that, wie ihm geheißen, indem er ingrimmig
melte: „Welch' ein Dummkopf war ich doch, daß ich
nicht an einem Tisch festband und knebelte."
„Sie werden sich jetzt auf demselben Wege, aus
Sie gekommen sind, wieder entfernen. Zögern Sie auch
einen Augenblick, ist es um Sie geschehen. .
„Wer sagt mir gut dafür, daß Sie mich nicht N?
schießen, während ich durch das Fenster steige?"
„Wollte ich das, könnte ich es auch jetzt thun - -'
mit Ihnen."
Scheu sich alle Augenblicke umsehend, nahm i
Weg nach der Speisekammer, und ich folgte, meine
auf ihn gerichtet. Mit einem Satze war er aus dein v
ster und gleich darauf in der Dunkelheit verschwunden- j
Ich feuerte zwei Schüsse nacheinander in die Lu? r
theils um ihn zu erschrecken, theils um dadurch
samkeit zu erregen. Diese letztere Erwartung wurdsg-
füllt. Wenige Minuten später wurde an die Hans?
gepocht.
„Wer ist da?" fragte ich ein Fenster öffnend.
„Polizei!" lautete die Antwort. -
Ich öffnete und theilte den beiden Schutzmanns
fliegender Hast mit, was vorgefallen war. Einer der
blieb hierauf im Garten als Wache zurück, wahres,,
andere sich daran machte, die Spur des Räubers
folgen. Z
Bis hierher hatte meine Kraft ausgereicht, jeU '
überkam mich eine tödtliche Schwäche. Was mit mir Ust
geschah, weiß ich nicht. Als ich wieder zum BelM-,
meiner selbst kam, war es bereits Morgen und ich fa"°A
auf meinem Bette liegend, einen Arzt, Mutter und SE
um mich beschäftigt. Es bedurfte einiger Wochen,
mich wieder vollständig erholte.
 
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