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Joseph Huber in Heidelberg.
Wdetdklg, MMch, de« 6. Imar 1897.
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Wie lange noch?
Mit dieser UebersLrift bringt die „Köln. Volks-
zeitung" einen sehr inter stauten Leitartikel, den wir
im Wortlaut folgen lasten:
„Nachdem eben erst die Duelle in Stuttgart und
Düsseldorf die öffentliche Meinung erregt haben, wird
bereits wieder von einem weitern Zweikampfe aus
Aachen gemeldet. Am Dienstag soll dort unter den
schärfsten Bedingungen ein Pistolen Duell zwischen
einem Offizier und einem Polytechniker ausgefochten
tvorden sein. Der Offizier soll geiöktet, sein Gegner
dm Arm schwer verwundet worden sein.
Es ist überflüssig, über das Duellunwesen an sich
und die Verwirrung der Ehrbegriffe noch ein Wort
M verlieren. Aber fragen muß man doch : Wie lange
noch? Am 20. April des abgelaufeven JahreS ließ
brr Reichskanzler im Reichstage erklären, er sei in
rrvstlichx Erwägungen darüber eingetreten, welche
Maßregeln zu ergreifen seien, um auch auf dem Ge-
biete des Duellurwesens in allen Kreisen dcr Bevöl-
kerung ohne Unterschied des Standes und Berufes
>en Gesetzen Achtung und Befolgung zu sichern. Am
vlgenden Tage beschloß der Reichstag einstimmig,
fie Regierungen zu ersuchen, mit allen zu Gebote
tehenden Mitteln dem mit den Strafgesetzen in Wider-
Pruch stehenden Duellunwesen mit Entschiedenheit ent-
lkgen zu wirken. Inzwischen wurde zwar fleißig
tveiter geschossen, aber von den angrkündigten Maß-
'rgeln sah urd Hörle man nichts mehr.
Am 17. November wurde deshalb im Reichstag
Wiederum angefragt. Nun erklärte der Reichskanzler,
b'e preußische KriegSverwoltung habe Vorschriften vor-
bereitet, die darauf abzielten, den Zweikampf in der
Armee, wenn nicht völlig zu beseitigen, so doch auf
ein Mindestmaß zurückzuführen. Streitigkeiten und
Beleidigungen zwischen Offizieren sollten der ehrenge-
richtlichen Entscheidung unterworfen werden mit der
Wirkung, daß die Entscheidung, die niemals auf
Nöthigurg oder Zulassung zum Zweikampfe lauten
dürfe, für die streitenden Theile unbedingt verbindlich
sei. Auf Befehl des Kaisers sollten die Vorschriften
einer Begutachtung durch eine in den nächsten Tagen
zuiommentretende Commission von sachverständigen
Offizieren unterworfen werden. Auf dem Gebiete des
bürgerlichen Strafrechts seien die Vorbereitungen für
eine wirksame Bekämpfung deS Duells unausgesetzt
gefördert worden. Sollten die Aenderungen auf dem
militärischen Gebiete nicht die erhoffte Rückwirkung
auf andere Kreise üben, so werde man prüfen müssen,
ob die Strafbestimmungen gegen den Zweikampf und
gegen Beleidigungen zu verschärfen seien; Vorarbeiten
im preußischen Justizministerium hätten aber ergeben,
daß die Lösung der Aufgabe schwierig sei. Am fol-
genden Tage rycilte der Kriegsminister v. Goßler mit,
die „Sechser-Commiffion" von Offizieren sei zusam«
mengetrete».
Inzwischen sind wieder sechs Wochen verflossen,
und man hat nichts mehr von ihr gehört. Der Reichs-
kanzler hatte allerdings gleich gesagt, das Ergebniß
bleibe „abzuwarten". 'Wir werden wohl noch lange
zu warten haben. Die Regierungen und die Militär-
Verwaltung erklären feierlich, sie beklagten und verur-
thewen lebhaft das Duellunwesen und „versäumten
nichts", um die Duellfrage einer dem öffentlichen
Rechtsbewußtsein entsprechenden Lösung eutgegenzu-
führen, und dabei setzen die ihnen untergebenen Offi-
zieren und Beamten das Unwesen munter, ja mit
verdoppeltem Eifer fort. ES ist ja an sich höchst
gleichgültig, ob sich ein paar Dutzend Leute mit ver-
drehtem Ehrbegriffe, oft um einer Lumperei willen,
aus dieser Welt befördern, ober die Regierenden, die
dm Kampf für Religion, Sitte und Ordnung gegen
den Umsturz proklamiren, sollten doch bedenken, welche
Wirkung es „drunten" Hervorrufen muß, wenn die
Hauptstützen von Thron und Staat fortgesetzt sich
herausmymen dürfen, die Gesetze des Staates und
der Religion aufs Gröblichste mit Füßen zu treten,
und vielfach dafür noch gefeiert werden. DaS Duell-
Unwesen ist gemeingefährlich, und darum muß ihm
entgegengetreten werden, nicht um der thörichten Men-
schen willen, die dabei zu Grunde gehen."
Deutsches Reich.
* Berkin, 4. Jan. Einige Zeitungen brachten
die Nachricht, daß seitens des SeniorenconventS deS
Reichstags Sorge getragen werden solle, Polizeivigi-
lanten von der Journalistentribüne des Reichstages
zu vertreiben. Demgegenüber bemerkt die Nordd.
Allg. Ztg., daß zur Journalistentribüne nur Personen
zugelaffen werden, welche von angesehenen Zeitungen
präsentirt und zur Berichterstattung berufen find.
Selbstverständlich ist es, daß Polizeivigilanten als
solche amtlich nicht zugelassen werden können u. auch
niemals zugelassen worden sind. Selbst Polizeibe-
amte haben seit einer Reihe von Jahren die Journa-
listentribüne nicht betreten dürfen. Wenn in der Un-
tersuchungssache gegen den Frhrn. v. Lötzow und den
Commis Leckert sich herausgestellt hat, daß der zuerst
Genannte auf der Journalistentribüne des Reichstages
thätig gewesen war, so ist festzustellen, daß er ord-
nungsmäßig von einer angesehenen Zeitung als Be-
richterstatter präsentirt worden ist, und die Zeitung
erst im letzten Spätsommer diese Präsentation zurück-
gezogen hat. Personen, die un.er der Maske deS
Journalisten den Zutritt zur Journalistentribüne zu
erschleichen suchen, können nur fern gehalten werden,
wenn Redaktionen vorsichtiger in der Auswahl ihrer
Berichterstatter verfahren, was jeder Redaktion zur
nothwendigen Wahrung der Ehre der wirklichen Jour-
nalisten nur dringend ans Herz gelegt werden kann:
denn so lange die zugelassenen Personen durch ihr
Verhalten keine Veranlassung zum Aergerniß geben
und sich den Ordnungsdestimmungen des Präsidenten
unterwerfen, hat das Präsidium durchaus keinen Grund,
die allerdings nur unter dem Vorbehalt des Wider-
rufs gewählte Zutrittkkarte zurückzuzieheu.
* Berlin, 4. Jan. Wie das Berl. Tagebl. auS
angeblich bester Quelle erfährt, haben einige europäi-
sche Großmächte (es werden Frankreich und Rußland
genannt) beschlossen, bei den Vereinigten Staaten von
Nordamerika ihren Einfluß dahin geltend zu machen,
daß eS zwischen der amerikanischen Republik und
Spanien zu keinem Bruch komme.
* Straßburg, 4. Jan. Die von franz. Blättern
gebrachte Nachricht, daß drei Söhne des Fabrikanten
Paul von Schlumberger in Gebweiler auSgewiesen
worden feien, ist unrichtig. Die drei jungen Leute
sind mit einer EntlasfungSmkunde ausgewandert und
bedürfen nach den bestehenden Vorschriften zum Auf-
enthalt im Lande einer besonderen Erlaubniß, welche
sie wohl versäumt haben, einzuholen.
Dem Amerikanischen nacberzählt.
Ohne es zu wollen, hatte Mr. Graham durch seine
fawrie Walter tief verletzt, denn auch m seinen Adern floh
vas Wut der Bellenger, seine Mutter hatte zu dieser Not-
»kv Familie gehört, und wenn er auch selber diese Leute
"«rchaus nicht liebte, so r ar es ihm dock peinlich, einen
«nveren so verächtlich von einem Geschlechte sprechen zu
Mkn, dem seine eigene Mutter entsprossen war. William
«euenger war sein Cusin. Er halte denselben zwar nur
rtnnial gesehen; aber noch heute zitterte er vor Zorn, wenn
er der Bewegung gedachte. Es war dieselbe Gelegenheit,
HU welche die kleine Elle ihn neulich erinnert batte. Wil-
«am war an jenem Nachmittage bestens bemüht gewesen,
lktnen Vetter vom Lande zu Unterbalten, ais sich der
römische Zwischenfall mit dem Stephanien zugelragen hatte,
unter übermäßigem Gelächter hatte William dre Geschichte
^kvem erzählt, besten er hatte habhaft werden können,
Walter erinnerte sich heute noch des Hohnes, mu
weichem er ihm sogar noch beim Abschiede nachgerufen,
hatte: „Ein Löwe! Da laust ein Löwe!"
' . Ser» jener Zeit war er William nicht mehr begegnet;
aver die Abneigung gegen denfelben war noch ungeschwächi.
"vtzdem war er unzufrieden, daß Mr. Graham so weg-
Wrend von den Bellengers gesprochen hotte. Mr. Graham
iinn "ers Schalten auf der Stirne seines jungen Freundes,
«.i» Ach seinen F.hler erkennend, begütigte er: „Veraieb
?"^Waltcr, daß ich so gedankenlos von der Familie Den
.„Mutter gesprochen habe. Ich dachte im Augenblick nicht
iw ».^se Verwandtschaft; übrigens gleichst Du ihnen nicht
g,!-wwdesien; vielmehr erwn-rk mich jeden Äugen-
nck an Deinen Vater."-
zn_,Da erschien ver Zug. Aber vor dem Scheiden hatte
doch eine Frage an seinen Begleiter auf dem Her-
s."'und als dieser schon auf dem Trtttbrette des Waggons
ergriff er rasch seinen Arm und fragte eindringlich:
Sle meinen Vater sür schuldig?"
sehr würschle Mr. Graham iu;>dies!M Augenblicke,
«naben, der ihn so ernst und traurig anschaute, nein
Stotz und Keöe. LL'f
sogen zu dürfen. Aber er konnte nicht und antwortete be-
trübt: „Vor Jabren habe ich ihn schuldig gehalten."
„Ja, ja; aber sitzt? Denken Sie auch jetzt noch so?"
und Walter hielt den Arm fest, obgleich der Zug schon
langsam zu fahren begann.
Das Läuten der Signalglocke, das Puffen und Schnau-
ben der Maschine wurde jeden Augenblick lauter; aber all'
das Geräusch vermochte nicht, die Antwort zu übertönen,
die in Walters Ohr schallte: „Ich habe keinen Grund ge-
habt, meine Ansicht zu ändern."
Walter sprang zur Seite und ging langsam nach Hause
zurück. Wer wollte cs dem Knaben verdenken, daß seine
Brust zitterte, daß seine Augen sich mit Thränen füllten?
Gab es doch für ihn in der ganzen Welt nichts so Wich-
tiges und Heiliges, als die Ehre seines unglücklichen, ent-
ehrten Vaters.
„Niemals werde ich daran glauben, bis er mir selbst
sagt, daß es wahr sei," dachte er; dann ließ er seine Ge-
danken durch unbekannte Weiten zu dem Vater schweifen;
ob der Geliebte wohl an seinen niegesehenen Sohn zurück-
venke, und ob er ihn jemals finden werde.
Unter diesen Grüvellien tam er zu Hause an, wo er
die ganze Familie um Jesfie versammelt fand. Alle be-
mühten sich vergebens, das aufgeregte Kind zu beruhigen;
K-te wüthend stampfte die Kleine den Boden oder stieß zur
Abwechselung Mit ihrem harten Köpfchen gegen die noch
härtere Thüre.
„Was gibt's denn?" frug Walter, der erstaunt diesen
Sturm im Glase Wasser betrachtete.
Die Veranlassung war bald erklärt. Daran gewöhnt,
in allen Fällen ihre Wünsche erfüllt zu sehen, hatte Jesfie
darauf bestanden, man tolle den Käfig öffnen und ihr das
Eichhorn zum Spielen geben, und als man sich geweigert
hatte, ihrem Verlangen zu willfahren, war sie in eine
leidenschaftliche Aufregung gcrathen, die ganz unbegreiflich
schien. Sie schrie nach ihrem Vater, der sie von diesen häß-
lichen uud schmutzigen Leuten wegnehmea solle; auf keine
Vorstellungen hörte sie und alle beruhigenden Worte wa-
ren für sie in ven Wind gesprochen. „Ich wette, daß ich
sie alle zur Vernunft bringe," meinte Walter, und indem
er näher trat, rief er mit ernster Stimme: „Jesfie!" Aber
ein noch heftigeres Stampfen mit den kleinen Füßen war
die einzige Antwort. Ruhig faßte er ihren Arm, schüttelte
sie heftig und sagte in strengem Tone: „Augenvlicklich bist
Du ruhig!"
Feurigen Kohlen gleich blitzten ihm da ihre Augen
entgegen; aber unter seinem festen, entschiedenen Blick er-
losch das Feuer und erschreckt suchten ihre Augen den
Boden. Jesse hatte ihren Meister gefunden, und nachdem
sie noch einige Male krampfhaft geschluchzt hatte, wurde
sie ruhig und still wie ein Lamm. Walter setzte sich aufs
Sofa und ließ es sich gerne gefallen, daß er sie nahe zu
sich zog und den Arm um sie legte, als wollte er sie für
seine vorige Rauheit wieder entschädigen.
Je>fie war eben so gutherzig und anschmiegend, wie
aufbrausend und jähzornig. Ihre Thränen glichen den
Aprilschauern und bevor eine halbe Stunde vergangen,
waren alle Spuren des heftigen Sturmes verschwunden.
In weniger als drei Wochen war Jessie zum Liebling
des ganzen Hauses geworden, selbst Walter nicht ausge-
rommen, dessen Voreingenommenheit allmählich völlig ver-
schwand, und der schließlich sogar zugab, sie könnte daS
beste und liebste Mädchen sein, wenn sie nur nicht zuweilen
so außerordentlich heftig werden wollte.
Gegen Niemanden war Jessie so zutraulich, wie gegen
ibn. Er war der erste gewesen, der ihr eigensinniges Köpf-
chen überwunden halte, und an ihn schmiegte sie sich mit
einer kindlichen, vertrauenden Liebe au, deren Einfluß er
nicht zu widerstehen vermochte. Sie war seine steie Ge-
fährtin in Feld und Wald, und in Kürz; schon gefiel ihr
das "-"idleben so gut, daß sie selbst den wiederholten Bit-
ten . ...r i ul?r,nur auf eine Woche zu ihr in die
Stadt zu wminen, ourchaus nicht nachgeben mochte. Für
Walter selbst war der Verkehr mit dem kleinen Mädchen
von gröberem Werthe, als er sich selbst eingestehen wollte.
Manche seiner übelgesinnten Gewohnheiten, sowohl in ro-
hen Worten, wie auch in unschönen Maniren bestehend be-
zwang sie ihn, abzulegen, und wollte er auch zuwelie»
über ihre kindlichen Vorhaltungen aufgebracht werden, sn
nahm er sich doch sehr in Acht, das feine Gefühl der klei-