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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Mai 1897
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Nr. 118
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0487
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Mälzer Volksblatt

d-118.

Welberg, Wtimtz, dm 26. W1897.

Fräulein müsse durch den Seiten-Ausgang
Haukknccht Wache halte, Len Weg ins Fre

Nachdruck
verbotrn.

Verantwortlicher Redakteur
Joseph Huber in Heidelberg.

demokratie braucht keine Vereine und keine Versamm-
lungen. Wo Arbeiter zusammen arbeiten, zusammen -
wohnen, zusammensitzen, Zusammengehen, da hat sie
ihre Vereine und Versammlungen und die moderne
wirthschaftliche Entwicklung sorgt dafür, daß Vereins-
und VersammluugSrecht ihr im größten natürliche»
Maßstab gegeben ist. Oder wollen diese konservativen
Herren zu jeder Gruppe einen Polizeidiener stellen
oder jedem Arbeiter ein Schloß vor den Mund legen
und ihm die Hände schließen, damit sie auch nicht
durch Zeichensprache sich verständigen können?
Glauben die Herren, durch äußere Knebelung die
Erwachung des Arbeiterstandes zum Bewußtsein seiner
Menschenrechte, das daraus gefolgerte erhöhte und
vielfach überreizte Rechtsbewußtsein im Contrast zu
seiner wirthschaftlichen Lage durch äußere Machtmittel
beugen zu können, oder wollen sie es bis zur furcht-
baren Explosion steigern, gerade durch die vernunft-
lose Vergewaltigung?
Glauben die Herren wirklich, in der Art der
Sklavenkriege oder des Bauernkrieges auch in unserer
Zeit nach Erfolge in der brutalen Niederwerfung be-
rechtigter Forderungen erzielen zu können? Wollen
sie den modernen Staat wirklich zum Classenstaat
stempeln und ihm das Siegel der Unfähigkeit auf die
Stirne drücken, statt in dem heillosen Wirrwarr der
modernen wirthschaftlichen Verhältnisse in vernünftiger
Weise Wieser Ordnung zu schaffen ? Dann allerdings
hat der jetzige Staat sich überlebt, ist er seiner Auf-
gabe nicht mehr gewachsen, muß er fallen.
Solle» buch dirss »i.cht t>»s
nünstige Sozialpolitik,, und „Grundsätze eines prakti-
schen Christenthums" in den Mund nehmen! Sie
können das Christenthum nur schänden. Höchstens
mögen sie sagen: nach den Grundsätzen, wie wir uns
das Christenthum zurecht legen. — Und von der
conservativen Socialpolitik haben wir die genügenden
Proben in den letzten Jahren erhalten.
Doch immer zu! Die Kräfte in der Welt, welche
zu weiterer Förderung der Menschheit nicht mehr zu
brauchen sind, — und zu diesen scheint der preußische
Konservatismus zu gehören — mögen sich vollends
aufreiben; im aufreibenden Kampfe verschwinden
sie zumeist aus der Welt. Der Kampf, in welchem
sie ihre Zeit noch einmal geworfen haben, mag ein
schwerer Kampf gewesen sein; aber auch er hat immer-
dar beitragen müssen zur glücklichen weiteren Förderung
der Menschheit im Großen wie in ihren einzelnen
Gliedern.

ihren Träumen geweckt wurde und entdeckte, daß es bereits
zehn Uhr sei. Um halb zehn Uhr hatte sie Martha abholen
«nd zum Feuerwerk hinaus begleiten sollen. Erschrocken über
diese Pflichtversäumniß eilte sie hinaus.
Das Schloß war wie ausgestorben; offenbar hatten
Alle sich ins Freie begeben, um die Wunder des Abends
avzustauuen. Vor der Thüre des Speisesaales begegnete
sie dem Kammerdiener, der ihr mittheilte, die Frau Gräfin
Hobe sich vor längerer Zeit nach ihr «mgefihen, und als
sie sie nicht gefunden, die junge Gräfin an die Hand ge-
nommen; hierauf seien die Herrschaften alle ins Freie ge-
gangen. Die vorder« Buscänge aus dem Schlosse habe man
cbgesperrt, damit kein Unberufener sich einschleiche. Das
Fräulein müsse durch den Seiten-Ausgang, an dem ein
Haukknccht Wache halte, den Weg ins Freie suchen.
Anna trat hinaus in die wundervolle, laue Sommer-
nacht. Am Himmel erglänzten mild die Sterne, dunkel lag
darüber die Erdi ausgebreitet. Dunkel, aber nicht still:
denn bald drang Anna ein wirres Getön von Schritten,
von Stimmen, von fröhlichem Gelächter, von Ausrufen der
Bewunderung entgegen. Aus allen benachbarten Ortschaften
batten die Menschen sich zusammen gefunden, um das sel-
tene Schauspiel eines Feuerwerks zu genießen; beinahe un-
möglich war cs, sich in dem dichten Menschcnknäuel zurecht
zu finden. Die plötzlich aufflammenden, st ' '
löschenden Lichter dienten nur dazu, die _ _
vermehren. Das gab ein Euchen, Finden, sich Verlieren,
sich Plötzlich Erkennen in dem phantastischen Feuerscheine.

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_ Juni
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fragt sich erstaunt, ob man überhaupt in der Zeit ge-
lebt, ob man sich in den Ereignissen der sozialen Ent-
wickelung nicht getäuscht hat, wenn man sieht, wie
alle Erscheinungen spurlos ohne Eindruck an so vielen
Männern vorübergegangen sind.
Nach Dr. Klasing controstirt die Stellung der
Conservativen zur Stellung des Abg. Stöcker am
schärfsten in der Beurtheilung der Stellung zur So-
zialdemokratie. Die konservativ- Partei sei fest über-
zeugt, wenn man der Sozialdemokratie und ihrer
weiteren Entwicklung sich so optimistisch gegenüber-
stellen wolle, wie der Abg. Stöcker, so würde das
schließliche Resultat sein, den Staat rettungslos der
Sozialdemokratie auszuliefern.
Die Sozialdemokratie sei heute noch so rad'cal
und zücht- und zügellos wie je zrvor, und wenn mau
die Sozialdemokratie mit geistigen Waffen überwinden
wove, so müsse man dem geistigen Kampf erst freie
Bahn schaffen, denn heute werde jeder, der öffentlich
den sozialdemokratischen Bestrebungen entgegenzutreten
wage, niedkrgefchrieen. Die Unterwerfung der Sozial-
demokratie sei in einem gewissen Sinn eine Macht-
frage. Sie werde von der Sozialdemokratie als
solche aufgefaßt und deßhalb solle auch der Staat
Rechtsmittel, die er habe, nicht aus der Hand geben,
sondern sie ganz energisch benützen. Dos schließe
allerdings nicht aus, daß man, während man auf der
einen Seite für Zucht und Ordnung sorgt, auf der
anderen Seite durch Fortsetzung einer vernünftigen
Sozialpolitik der Pflicht gerecht werde, auch für die
wirthfchaftlich Schwachen zu sorgen. Menn man mit
der Vorlage der Sozialdemokratie auch nicht mit
einem Schlage den Garavs machen könne, so sei es
doch ein Mittel, das man benützen könne und benützen
müsse, und im Uebrigen sei keine Partei gerne
bereit, auch noch andere und schärfere Mitt l in
Erwägung zu ziehen. Es sei die zielbewußte
rücksichtslose Ausnutzung der Machtmittel des Staates
zur rechten Zeit alle Zeit ein wesentlicher Faktor zur
Unterdrückung von Revolutionen gewesen. Und ein
Staat, der den Bestrebungen, seine Existenz zu unter-
graben, mit verschränkten Armen zusieht, der negirt
sich selber, der mag sich für bankerott erklären. . . .
Wir haben die Ausführungen des konservativen
Redners gerne hieher gesetzt. Man muß Gelegenheit
haben, durch eigene Anschauung von den sozialen
Ansichten dieser Herren sich ein Urtheil zu bilden.
Hofft der Mann wirklich, durch das neue Gesetz
der Sozialdemokratie zu schaden! Eine kindlichere
Auffassung ist doch wohl nicht denkbar. Die Sozial-

ko bald wieder ver-
ie Verwirrung zu
sich Plötzlich Erkennen in dem phantastischen Feuerscheine.
Menschenwellen kamen und trennten die zu einander Ge-
hörenden, führten Diejenigen zusammen, die sich gern fern
geblieben wären; die Sonnen und aufsteigenden Raketen
beleuchteten gar manches verdutzte Gesicht.
Langsam suchte Anna sich ihren Weg durch das Ge-
dränge ; auf ihre Fragen nach der Schloßherrschaft bekam
sie die widersprechendsten Antworte«. Endlich erfuhr sie,
daß sic an einem ihr wohlbekannten Aussichtspunkte im
Park sei, von wo aus die Beleuchtung des Schlosses sich
am schönsten auszunehmen verspreche.
Dorthin zu bewegte sich nun Anna. Als wieder eine
Rakete zischend gen Himmel suhr, glaubte sie.aus einiger

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Entfernung Martha's Ausjubeln zu hören, vermeinte sie
den Schimmer ihres weißen Kleides zu erspähen. Abermals
wurde sie durch nachströmende Menschenmassen, welche die
in Aussicht stehende bengalische Beleuchtung des Schloßes
nach jenem Punkte zog, zur Seite gedrängt. Als sie, um
Gebötche herumbiegsnd, einen freien Platz erreicht hatte,
erhellte plötzlich rother Feuerschein Alles um sie her, aus
Hunderten von Kehlen ertönte ein Ruf der Bewunderung.
Sie wandte den Kopf; von rothem Glanze umflossen, zauber-
haft schön anzusehen, lag das stolz- Gebäude mit seinen
Thürmen und Erkern, den Terafsen und Springbrunnen
vor ihr- Im Anschauen versunken, blieb Anna unbeweglich
stehen. Im selben Augenblicke fühlte sie sich an beiden Hän-
den erfaßt — sie blickte aus und sah in Robert Tiefenbach's
Angcstcht. War es der Feuerschein, der das Aufleuchten sei-
ner Augen verursachte?
Leidenschaftlich hielt er ihre Hände umklammert und
mit seltsam zitternder Stimme redete er sie an: „Endlich
gefunden! Endlich, endlich! Sie sind Anna von Neudingen!
Leugnen Sie es nicht!"
Gern hätte sie ausgsrufen: „Ja ja, ich bin es, und in
den langen Jahren habe ich, mir selber kaum bewußt, Ihr
Bild stets im Herzen getragen !" Sie hatte aber gelernt, sich
zu bezähme» und ihre Empfindungen zurückzudrängen.
Nichts von dem, was sie durchbebte, lag im Klang der
ruhigen Stimme, die ihm antwortete. „Uad wenn ich es
wäre, Herr Graf, m wie fern kann das für Sie von Be-
deutung sein?'
„Sind Sie unversöhnlich, Anna?" fragte er schmerzlich.
„Die Anna aus jener Zeit war es nicht. Ist es möglich,
daß Sie vergessen haben, was vor acht Jahren wir einander
gewesen sind?"
Sie dachte an den schmerzlichen Augenblick zurück, in
welchem sie jenen kühlen Scheidegruß gelesen, den er durch
seiuen Vater ihr gesandt; das alte Weh bebte in ihr wie-
der auf, «nd diese Erinnerung stählte ihren Muth.
(Fortsetzung folgt.)

„Gegen die Sozialdemokratie."
j. Diit aller nur wünschenSwerthen Offenheit hat
d »er Debatte zur Novelle zum Vereinsgefetz im
Aßffchen Landtag der conservative Abgeordnete Dr.
Mvg die nächsten und zugestandenen Ziele dieser
Mter Reakiionsnovllle bezeichnet. ES ist dem Ab
Murten Slöcker zu danken, daß er, die „letzte
^le" inmitten seiner ehemalige» Parteigenossen, —
», elbst wird sich jetzt wohl nicht mehr zu denselben
mögen — seinen Standpunkt gegen die Vorlage
Mieden zur Geltung gebracht hat; er war aber
Ursache, daß die Conservativen ihren Zweck mit
,5 neuen beabsichtigten Vereinsgesetz rückhaltlos zu
Mn gegeben haben.
» Eine traurige Erscheinung: Unter 212 Abgeord-
M jener Parteien, welche die „Stützen der Regier-
et" im Lande sind und die in ihren Hauptanhängern
Gros des VerwaltungsbeamtenthumS zählen, uw
? 212 Abgeordneten der einzige Stöcker, der nach
sozialen Entwickelungsgang von über 30 Jah-
im öffentlichen Leben sich das Berständniß für
einzig möglichen gedeihlichen, wenn auch beschwer-
en und kämpfereichen Weg zur Besserung der Wirth-
Mlicheu Verhältn sie zu Gunsten des Arbeiterstandes
Ueberwindung aller einseitigen und überspannten
Mderungen gewahrt hat. Ein trauriges Zeichen die
// »Vertreter des Volkes" mit ihrer geradezu er-
glichen Verständnißlosigkeit für die moderne Mensch-
IEntwickelung mit ihrer mehr als naiven Auffassung
vkuzeitigen Arbeiterbewegung, mit ihren geschieht-
An Anschauungen, welche sie unbesehen meinen,
»A auf unsere Zeit übertragen zu können! Man

Leidvoll und freudvoll,
Novelle von L- v. Neid egg-
r^Hatte darum die Mutter geduldet, gebetet bis an das
iS', damit die Tochter ihr Leben von sich würfe und sich
rA'llig in dos ewüe Verderben stürze? - -. Mit beiden
Men umklammerte sie das Crr cifix und fledte um Hülfe
»sMer bitte'en Noih. Als sie demülhig so flehte, kehrte
l? ""d noch die Ruhe wieder in ihr Gcmülh ein; tröst-
Gedanken fingen langsam an, ihre Verzweiflung zu
Ke«. Mußte es denn so sein, wie ihre erhitzte Phantasie
geschildert? Warum wußten die Perlen denn ge-
. sein ? Warum mußte, wenn sie gestohlen waren, ge-
Vater die e emeine That verübt haben? Gewiß
am nächsten Morgen das Halsband sich vorfinden,
»r.sderr die Zweifel und Befürchtungen, mit denen sie sich
^«Martert, zerstreut werden. O, wäre der Morgen nur
" herangebrochen!
^.Einstweilen wußte sie sich bemühen, die quälenden Ge-
«vn sich sein hatten. Ihr trostloses Gesicht aller«
E ja sonst Anlaß zum Argwohn geben. Sie stand auf,
A'Ee die Stirn und Augen mit kaltem Wasser und zog
U,"lttd on, an welchem sie vor einigen Stunden fröh-
bUn Sinnes gearbeitet hatte. WaS für unsägliches Lerd
diese wenigen Stunden ihr gebracht! Sie erschrack
We -ch- als sie, am Spiegel vorbcigehcnd, ihr blasses, ver-
ß/N Gesicht in demselben erblickte- Das Lächeln, zu dem
rwang, und das sowenig ihrer inneren Seeler-Pein
ü- K«ch, artete in eine Verzerrung aus — seufzend wandte
ab.
Mn Bedienter brachte die Lampe und das Abrndbrod.
Thomas, derselbe, der ihren Vater herein geführt
.Marianne mußte wohl schon die Nachricht von dem
^Mwinden der Perlen verbreitet haben, den« Anna he-
tz'?, recht wohl, wie der Mann sie forschend betrachtete,
m^dlte auch, wie sie unwillkürlich unter seinem Blicke
W i ^zuckte. Ach, da kehrten die entsetzlichen Zweifel z«-
jw„'llnruhjg schritt sie im Zimmer auf und ab, grübelnd
bis iwj einmal durch den Schlag der Uhr sie aus

scheiut täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Graim für Malirlmi, Fmlmi L KM.
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