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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Februar 1897
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Nr. 33
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0133

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Pfcher Volksblatt

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

. - zwar zog er
aber er konnte die
. Und so war

Hamburger Hafenarbeiter AuSstand. Die beachtens-
werthe Erscheinung, daß gebildete bürgerliche Kreise
sich mehr und mehr für die Kämpfe der Arbeiter in-
teressiren, verliert dadurch, daß man diese Kreise ein-
fach zu den Sozialdemokraten wirst, nichts an ihrer
Bedeutung, wohl ober beweist daS Verhalten der
Stumm'schen Richtung, daß sich bei uns die sozialen
Gegensätze immer mehr verschärfen und der friedliche
sozial-reformatorische Gedanke immer mehr zurücktritt.
ES eröffnet das trübe Aussichten für die Zukunft.

Auf das
„Pfalzer Bottsblatt"
immer noch für die zwei Monate
Aebrrrcrr unö März
^vnnirt werden. Bestellungen nimmt jede Postanstalt
Ivtvie unsere Expedition in Heidelberg, Zwingerftraße 7,
Entgegen.
Prabe»«m«ern werden auf Wunsch gerne porto-
'^i Jedermann zuacsavdt.

.Der Hamburger Hafenarbeiter-Ausstand
zu Ende. Die Arbeiter sind unterlegen und müssen
MngungSloS zur Arbeit zurückkehren. Eine Erklär
des Ausstands Ausschusses rechtfertigt den Rath,
Ausstand zu beenden, mit der Befürchtung, daß
Eimgknt sich nicht länger werde aufrecht erhalten
Mn, weil eS an genügender Unterstützung fehle,
^chon in den letzten zwei Wochen habe die Unter-
Wung gekürzt werden müssen, weil die nöthigen
Alder nicht mehr eingegaugen seien. Vorauk sichtlich
Mrde das in den kommenden Wochen in noch stär-
ttln Maße der Fall sein. Man müsse aber geschlossen
Arbeit zurückkehren, um eine Vernichtung der
Ionisation zu verhüten. Die Erklärung protestirt
Atter gegen daS Verhalten der B Hörden und drückt
Unternehmern, die jeden Versuch zur friedlichen
N^gung deS Streites schroff zurückgewiestu, das
^otrauen der Arbeiter aus. Zum Schluß heißt eS:
LMS kommt, wissen wir: die Rache der Sieger,
^rgt für die Unterstützung der Gemaßregelten.
Nach der bisherigen Haltung des Hamburger
Mernehmer Verbandes ist allerdings zu befürchten,
die Besiegten aus Milde kaum rechnen dürfen.
Wäre dies aber eine kurzsichtige Politik. Mit
5°cht sagt Prof. Herkner in der Rechtfertigung seines
MchlageS, den Hamburger AuSstand durch ein
bk Gericht beizulegen: „Jedem Streik, in dem
nAchligte Forderungen der Arbeiter vollständig unter-
bedeutet eine Ve-stärkung des utopistisch revo-
yAvvairen Charakters unter Arbeiterbewegung." Die
M ^lage der Hamburger Hafen-Arbeiter stärkt zwei-
diejenige Richtung innerhalb der Social-Demo-
welche beim Gewerkschaftsstreit auf dem Kölner

täuscht haft. Ich bin müde, William, ein Nebel legt sich
vor meine Augen, und ich kann nicht mehr sehen- Komm
schnell, William, komm! William, ich muß sterben. Willst
Du nicht zu mir kommen?"
An einem der sonnigen Tage war es ihr erlaubt, ei-
nen Gang ins Freie zu machen; ihr Großvater begleitete
sie bis zur nahen Stadt. Sie hatte den Brief heimlich zu
sich gesteckt und übergab ihn ebenso der Post. Niemand
ahnte, was sie gethan- Ader als sie heimkam, war ihr
Blick heiterer, und auf ihrem lieblichen Gesichte lag es
wie ein stilles Glück. Tante Debby meinte, der Himmel
schicke dem armen Kinde schon im Voraus einen Theil der
Freuden. Alle bewunderten das dahinwelkende Mädchen,
wie es stark, mit Ergebung und Geduld, ohne jede Klage
sein Leiden trug, wie es für Jeden aus der besorgten
Umgebung ein freundliches und tröstendes Wort fand. Ihre
heldenmüthige Kraft schöpfte die Jungfrau aus einem un-
erschütterlichen Gottvertrauen, welches das fromme Herz
der Mutter in ihre Seele gepflanzt, gehegt und gepflegt
hatte. Ihr Gemüth war so unschuldig und rein, wie der
frische Schnee aus den fernen Bergspitzen, welche soeben im
Abendsonnenschein ihre letzten Grütze ins Thal hinunter-
sandten.
Der Bries erreichte William an dem Abend, da er sich
für Mrs. Reeves Ballfest vorbereitete. Bei all seinem
Leichtsinn und bei all seiner Frivolität schnitten ihm die
Worte des betrogenen Mädchens ins Herz; er zitterte und
seine Augen wurden feucht, denn er liebte Ellen. Aber sein
leichtfertiges, verschwenderisches Leben forderte von ihm,
daß er edleren Neigungen Schweigen gebiete. Er mußte
nach einer reichen Erbin jagen zur Beschwichtigung seiner
Gläubiger, und er mußte Zerstreuung suchen zur Beruhi-
gung seines quälenden Gewissens. Wie ihm das Eine ge-
lang und das Andere, wir habens gesehen. — Einige
Tage später reiste er nach Deerwood.
(Fortsetzung folgt).

Deutsches Reich.
* Berlin, 9. Febr. Der Kaiser traf zu dem
gestrigen Diner bei dem Finanzminister vonMiquel
um 7 Uhr ein. Vestibüle, Treppenhaus und Säle
waren mit Blumen und Blattpflanzen geschmückt. Der
Kaiser wurde von Herrn v. Miquel an der Treppe
empfangen und in den Festsaal geleitet. Der Kaiser
unterhielt sich während der Tafel lebhaft mit seinen
nächsten Nachbarn, besonders mit dem Finanzminister.
Die Tafel wurde gegen halb 10 Uhr aufgehoben.
Der Kaiser, welcher in vortrefflicher Stimmung war,
trat alsdann zu den verschiedenen Gruppen u. nahm
lebhaft an der Unterhaltung theil. Der Kaiser ver»
abschiedete sich gegen 12 Uhr.
* Berlin, 9. Febr. Der Kaiser empfing gestern
Mittag den chilenischen Militärattache! General
Martinez.
* Berlin, 9. Febr. Die hier abgehaltene Be«
rathung der Finanzminister der Einzelstaaten beschäf-
tigt sich, wie die Nordd. Allgem. Ztg. hört, mit einer
Vorlage der Reichsregierung über die Behandlung der
Unterweisungsbeträge für daS Jahr 1897 98, über
welche volles Einvernehmen erzielt wurde.
* Berti«, 9. Febr. Die Budgetkommission des
Reichstages erledigte den Etat des Auswärtigen Amtes.
Auf eine Anfrage erklärte Staatssekretär von Mar-
schall, die deutsche Regierung werde Alles aufbieten,
damit die deutschen Gläubiger Griechenlands befrie-
digt würden. B-i der Forderung von 600000 Mark
für geheime Ausgaben beantwortete Siaatssekrctär von
Marschall die Frage Liebers, ob von dieser Summe
etwas a» Preußen abgegeben werde, mit Nein.
. * Darmstadt, 9. Febr. Bei der vorläufigen
Constituirung der zweiten Kammer wurde Geh. Re«
gierungSrath Haas-Offenbach (nail.) zum Präsidenten,
Rechtsanwalt Metz-Gießen (deutsch-freis.) zum 2. Prä-
sibenten gewählt.

Stotz und Lieve.
Dem Amerikanischen nacherzählt.
jj »-3a, Miß Graham ist schön; aber glaube mir, Ellen,
»an« nur eine lieben, und diese Eine bist Du!"
plätte er die Mittel dazu besessen, William würde viel-
Niv! arme Leidende als sein Weib in ein sonnigeres
lünw Mührt und Alles gethan haben, um so die ge-
djxVdelie Gesundheit wieder zu erlangen- Aber nicht bloß
«Mi^itel fehlten ihm, sondern auch der moralische Muth
Mn, sittliche Kraft, sein fluchwürdiges Unrecht zu
W ° "der auch nur zu bekennen. Schulden auf Schulden
iuww seinem leichtsinnigen Leben gehäuft; eine Un-
»enRechnungen, die er nicht bezahlen konnte, la-
W, !"nem Schreibtische. Von seinem Vater war eine
!aü »nicht zu erwarten, da auch er mehr Bedürfnisse be-
AkN,» Mittel, dieselben zu befriedigen. Der alle Mr.
hatte sein ganzes Verwögen mittelst Testamentes
hx ^°ttin hinterlaßen, und diese hatte es adgelebnt,
ganzen ihres ältesten Sohnes und ihres Enkels
dem?» .eldunterftützurgin zu unterstützen. So sah William
kvvin,- anderes Mittel, um seinen Gläubigern zu ent-
als eine reiche Braut. Mit Ellen sprach rr da-
rr saü'At von einer Ehe, sondern nur von der Liebe, die
ter°»r»fie südle. Ellen hörte ihm gläubig zu, ohne der bit-
rn, Kovemberkälte zu achten, die ihre Glieder durchschau-
ihr°i,dar hüllte William sie sorgsam ein — ..-
Zärtlich an seine Brust, — aber l
iz Merde Kälte nicht von ihr fern halten.
MA "» unwillkommen, einen guten Grund zu haben,
«kn zu mahnen; denn die Situation war für ihn,
«lenden, höchst peinlich.
rr kehre ich wieder im Farmhause ein," tröstete
slküuin.-L^"de Mädchen, da- vor der Trennung nach so
der Ns" Wiedersehen zitterte, „dann werde ick mit Dei-
s>»len M-b? .sprechen und ihr meine Liebe zu Dir osfen-
dahin schweige Du darüber. Meine stolze Fa-
lüt«, As ützt »och nicht davon hören. Ich würde Dir
Melden, aber das könnte zu leicht Aussehen erregen.

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Herdelberg,
Lwtugrrftraße 7.

^scheint täglich mit Ausnahme der Sonn- n. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
^che?Unterh^ ÄlAM lÜl WkUkUkll, ^kl!l1» Prwatmize^
«eidelberg monatlich SV H mit Trägerlohn, durch " l Rabattbewilligung.
die Post bezogen Viertels. 1.60 franco. Expedition: Zwiugerstratze 7.

Melbers, WneWg, kn 11. Feimiar 1897.
Partei-Tag den Standpunkt verfocht, daß bei der Geld-
macht der Unternehmer-Cartelle große Arbeiter - Aus-
stände mit der Niederlage der Arbeiter enden müßten,
da die Unternehmer-Verbände sie einfach „auShungern"
würden. Deshalb müßten die Arbeiter ihr Haupt-
streben darauf richten, die politische Macht zu erobern,
und zwar durch Maffen-Anschluß an die sozial-demo-
kratische Partei.
In Hamburg hat sich jetzt gezeigt, daß, trotz
„niedersächsischer Zähigkeit", trotz der größten Opfer-
willigk-it (anderthalb Millionen Mark sind in den elf
Wochen der Aufstandes für die AuSständischen ge-
sammelt worden), und trotz der Sympathieen auch
bürgerlicher Kreise die Arbeiter bedingungslos zur Ar-
beit zurückkchren mußten. Man beachte, wie der Vor-
wärtS die Niederlage der Arbeiter im Partei Interesse
zu verwerthen sucht. Nachdem daS Blatt den Hunger
als den Bezwinger der Arbeiter hingestellt — „auf
den Hunger rechneten die Rheder. Bei Austern und
Champagner beobachten sie, wie ein Arzt den Verlauf
einer tödlichen Krankheit beobachtet, ruhig und gelassen,
die goldene Uhr in der Hand und die Minuten
zählend, den Augenblick, wo der Wolf Hunger von
ihren Opfern nicht mehr abgewehrt werden könne"
— zieht es aus dem Ende des Ausstandes folgende
Lehre: „Kein Arbeiter mehr in Deutschland, der an
die Harmonie von Capitel und Arbeit glaubt. Kein
Arbeiter mehr in Deutschland, der an die soziale
Mission des Klassenstaates glaubt. Kein Arbeiter
mehr in Deutschland, der nicht gesehen hätte, daß
die Befreiung der Arbeiter einzig das Werk der Ar-
beider selbst sein kann. Diese Lehren sind mit den
Opfern des Hamburger Ausstandes billig erkauft..
Sie verbürgen uns den Sieg.
Wie leicht wäre eS gewesen, den AuSstand rasch
zu beenden, wenn die Unternehmer auf das wieder-
holt angebotene Schiedsgericht eingegangen wären,
dessen Schiedsspruch sich die Arbeiter unterwerfen
wollten! Hat der AuSgang deS Ausstandes zweifel-
los die revolutionaire Richtung innerhalb der Arbeiter-
Bewegung gestärkt, die der Gewerkschaft-Bewegung
mindestens skeptisch gegenübersteht, so hat der AuSstand
anderseits bewiesen, daß auch in Deutschland bürgerliche
gebildete Kreise sich mehr in die Kämpfe der Arbeiter zu
Gunsten der letzter» einmischen. Während in England
eS eine ganz gewöhnliche Erscheinung ist, daß Ausständige
unter Umständen auch aus bürgerlichen Kreisen Unter-
stützung empfangen, zeigte sich bei unS diese Erschei-
nung in hervorragendem Maße zuerst bei dem letzten
ConfectionSarbeiter-AuSstand und mehr noch beim
Gieb Dich also einstweilen mit dem Bewußtsein zufrieden,
daß ich Dich, nur Dich allein liebe."
Sie betraten wieder das HauS; noch eine kurze Weile
und William eilte zum Bahnhofe. Zn Ellens Auge zitterte
eine Thräne, als sie dem Scheidenden nachschautc. Ja, sie
versuchte zufrieden zu sein und sie hoffte weiter. Als er
ihren Blicken entschwunden war, weinte sie sich in Schlaf
und Vergassen. Allein bei dem Spaz-ergang hatte sie sich
eine heftige Erkältung zugezogen, welche ihren leidenden
Zustand so sehr verschlimmerte, daß sie das Krankenlager
viele lange Winterwochen nicht verlassen durfte. Im Wa-
chen und Träumen dachte sie an William, welcher weder
kam, noch Botjchast schickte.
Der Februar war gekommen und mit ihm zwar ver-
einzelt milde sonnige Tage, an welchen sich das erste
Frühlingsgcfühl in das Menscheuherz schleicht- Die Februar-
sonne sandte in Ellens Krankenstube ihre wärmenden
Strahlen. Des Mädchens Verlangen, ihren Geliebten, an
dem sie mit unerschütterlichem Vertrauen hing, wiederzu-
sehen, wuchs mit jedem Lage, je größer ihre Schwäche
wurde; je näher sie sich dem Tode fühlte, desto heftiger
wurde ihre Sehnsucht, sie beschloß, ihm zu schreiben.
„Ich weiß, daß ich sterbe," schrieb sie. „Ich sehe es
an den besorgten Blicken meiner Freunde, ich höre es aus
den Worten meiner Mutter, ich fühle es an dem Schwin-
den meiner Kräfte. Willst Du nicht kommen? Es ist so
leicht für Dich, und mir wird es so wohl thun. Liebst Du
mich wirklich, William? Manchmal wollte mein Herz za-
gen und das Gegentheil fürchten. Zuweilen dachte ich mir,
Du möchttst froh sein, wenn das Gras auf meinem Grabe
wüchse, weil dann Deine stolzen Angehörigen nicht er-
führen, daß Du einmal für kurze Zeit Deine Aufmerksam-
kett dem armseligen Blümlein am Wege geschenkt hast.
Wenn ich Recht hatte, William, so sage es mir jetzt nicht
mehr. Laß mich mit dem Glauben sterben, Du habest mich
wirklich geliebt. Komm und sage es mir noch einmal, —
»och einmal möchte ich Deine Trimme hören. Wenn ich
begraben bin, William, so komme allein zu dem Orte, wo
Du mich zuerst schlafen gefunden hast, und wo ich dann
lügen werde. Cott mag Dir vergeben, wenn Du mich ge-
 
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