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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 6.1889

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Nr. 10 (1. Oktober 1889)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29791#0078
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in Industrie und Landwirtschaft herbeiführte, die Land und Volk
sittlich und Physisch weiter über die Nachbarstaaten emporhoben.
Ursprünglich hatte Ludwig in französischen Kriegsdiensten
gestanden, aber schon 1743 war er zur preußischen Fahne über-
gegangen, hatte als Generalmajor und Chef des Regiments
Selchow an den Feldzügen von 1744 und 1745 teil genommen
und war dann in sein Land zurückgekehrt. Das Soldatenhand-
werk ging ihm über alles. Ihm zu Liebe wählte er sogar die
Stadt Prenzlau in der Uckermark, wo sein Regiment in Garnison
lag, trotz der reizlosen Öde der Gegend zu seinem und seiner
Familie ständigen Wohnsitz. Ohne Murren, wenn auch sicher-
lich ungern, folgte Karoline ihrem Gemahl und verbrachte da-
selbst, sich geduldig in dessen Laune fügend, sechs volle Jahre.
Um die Langeweile zu bannen und ihrem Geiste Nahrung aus
der Ferne zuzuführen, begann sie bereits damals einen lebhaften
Briefwechsel mit lieben Verwandten und Freunden, sowie mit
berühmten Dichtern und Gelehrten. Kein Tag verging, ohne
daß sie nicht einige Stunden der Korrespondenz gewidmet Hütte.
Man muß (sagt ein Kenner) diese noch heute im hessischen Haus-
archiv sorgsam aufbewahrten Briefe Karolinens gelesen haben,
um einen Begriff von der Regsamkeit ihres Geistes der Treff-
lichkeit ihres Gemütes, der Lauterkeit ihres Charakters zu ge-
winnen. Sie war der Sprache und des Ausdrucks mächtig wie
wenige Frauen, und wie fleißig sie als Briefstellerin war, erhellt
z. B. daraus, daß sie allein an ihren Gemahl, von dem sie,
wie wir später sehen werden, einen großen Teil ihres Lebens
getrennt zubrachte, nicht weniger als 2555 Briefe geschrieben hat.
Nicht minder zahlreich sind die Briefe an ihren Schwiegervater,
an ihre Schwägerin, die Markgräfin Karoline von Baden, an
ihre über alles geliebte Mutter, an König Friedrich II., an
die Prinzessin Amalie, an den Prinzen Heinrich von Preußen u. s. w.
Ihre Verlassenheit in Prenzlau, die nur durch einzelne
Besuche in Gemeinschaft ihres Gatten bei Friedrich II. in Pots-
dam unterbrochen wurde, sollte indeß nicht allzu lange währen.
Die Mutterfreuden, die ihr der Himmel bescherte, erhellten ihr
Dasein und ließen zugleich die Gediegenheit ihres Wesens im
schönsten Lichte erglänzen.
Ihr ältestes Töchterchen Karoline, die später den Land-
grafen von Hessen-Homburg heiratete, gedieh sichtlich, und im
Jahre 1751 genas sie einer zweiten Prinzessin der nachherigen
Gemahlin Friedrich Wilhelms II. von Preußen, zwei Jahre
später schenkte sie ihrem Gemahl einen Sohn, den späteren Land-
grafen Ludwig X., 1754 ward sie Mutter der Prinzessin Amalie,
später vermählt an den Erbprinzen von Baden, und 1755 gab
sie der Prinzessin Wilhelmine das Leben, welche nachher Ge-
mahlin des Großfürsten Paul von Rußland wurde.
Die Erziehung ihrer Kinder bildete eine ihrer Hauptsorgen,
und wie ernst sie die Erfüllung der Mutterpslichten aussaßte,
dafür zeugen wieder ihre Briefe, worin sie ihre Grundsätze über
diese Angelegenheit aussprach und sich bei erprobten Fachgelehrten
vielfach Rats erholte, und der Erfolg krönte diese Mühen mit
den glänzendsten Resultaten.
Bei Ausbruch des siebenjährigen Krieges wäre Ludwig am
liebsten an der Spitze seiner Mannschaften mit Friedrich ins
Feld gezogen, und er traf in der Thal auch Anstalten dazu;
allein die Verhältnisse machten es unthunlich. Karoline bestimmte
ihn, aus Rücksicht auf seinen Österreich und besonders Marie
Theresia aus ganzem Herzen zugethanen Vater von seinem Plane
abzustehen. Um aber für den Verzicht aus das geliebte Kriegs-
handwerk wenigstens einigen Ersatz zu haben, ließ er sich nun

mit seiner Familie in dem Städtchen Pirmasens nieder und be-
gann hier sein Leib-Spielzeug nach Herzenslust auszupacken: die
Werbetrommel erklang, und Agenten wurden nach allen Richtun-
gen ausgesandt, um Soldaten herbeizuschaffen. Das Örtchen
wurde nun zu einer großen Kaserne umgewandelt, kaum daß
noch ein leidlich anständiges Haus für den Landgrafen selbst
und die Seinen übrig blieb. Wie in einer Menagerie das Ge-
tier aus allen Zonen zusammengebracht und gewaltsam festge-
halten wird, so dieses „Heer", das aus Deutschen, Polen, Russen,
Schweden, Dänen, Franzosen, Türken und Zigeunern bestand,
mit großen Kosten zusammengetrieben und mit noch größeren
Kosten bei einander gehalten wurde. Tag und Nacht mußte der
Ort von umherreitenden Husaren bewacht werden, damit es keinem
der teuer bezahlten Häupter einsiele, das Weite zu suchen.
Im ganzen waren es dritthalbtausend Mann, die der
Landgraf täglich persönlich exerzieren ließ. Schönere und wohl-
geübtere Leute als in Pirmasens konnte man allerdings kaum
beisammen sehen. Wo nur ein stattlicher, langgewachsener „Kerl"
aufzutreiben war, da scheute der Landgraf weder Mühe noch
Geldkosten, um ihn seiner Sammlung einzureihen. Und im Ein-
drillen dieser Leute kam ihm nicht so leicht einer gleich, hielt er
sich doch selbst für den besten Trommelschläger der Welt.
Ja, mit Leib und Seele Soldat, das war Landgraf Ludwig;
was sonst von ihm als Fürst verlangt wurde, das lag fast ganz
auf den Schultern seiner Gemahlin, und in wie trefflicher Weise
sie diese Bürde zum Besten ihres Landes und ihrer Unterthanen
zu tragen verstand, haben wir schon oben angeführt. Geradezu
bewundernswert erscheint es — und wieder thun dies am besten
die Briefe dar — wie Karoline mit wahrhafter Engelsgeduld
die Schroffheiten ihres Gemahls zu mildern weiß, sich in seine
Launen fügt, alle seine Angelegenheiten wie die ihrigen behandelt
und dabei doch ihre Pflichten als Mutter ihrer Kinder, wie als
Mutter der Unterthanen, als Beschützerin der Unterdrückten, als
Helferin der Bedürftigen niemals außer Augen läßt. In der
That, es lebte der Geist eines Mannes in dieser trefflichen Frau.
Was hätte Karoline nicht alles dahingegeben, Hütte sie den Ge-
mahl von seiner Schwäche heilen können; so aber mußte sie still
ertragen, was sie nicht zu ändern vermochte. Darüber erweiterte
sich der Kreis ihrer mütterlichen Sorgen. In der stillen und
anmutigen, kleinen Hauptstadt der Grafschaft, wohin sie sich so
viel als möglich zurückzog, schenkte sie noch drei Kindern das
Leben, zuerst den Prinzen Friedrich und Christian und dann der
Prinzessin Luise, der einstigen Gemahlin des Herzogs Karl August
von Weimar, die selbst einem Napoleon I. mit Würde entgegen-
zutreten und demselben Respekt einzuflößen verstand.
Mit dem Jahre 1767 sehen wir Karoline nebst den ihrigen
ihren Aufenthalt in Darmstadt nehmen. Landgraf Ludwig VlII.,
der hochbetagte Vater ihres Gemahls, legte die Regierung nieder
und starb bald darauf. Ludwig trat nun das Erbe seines
Vaters an, war aber trotzdem nicht zu bewegen, sein geliebtes
Pirmasens zu verlassen. Um so nötiger schien es Karoline, daß
wenigstens sie mit ihren Kindern in der Residenz ihren Wohn-
sitz aufschlüge. Und mit ihr zog Heil und Segen ein. Obgleich
sie durch die Erziehung ihrer eigenen Kinder stark in Anspruch
genommen war, behielt sie doch Zeit und Interesse genug für
ihre Landeskinder, denen sie in wahrhaft mütterlicher Weise
gutes erwies, wo sie nur konnte. Sie hatte die Augen überall.
Hier war sie die Trösterin der Unglücklichen, die Helferin in der
Not, dort trat sie in Verkehr mit einem ausgehenden Stern der
Wissenschaft, um ihn für die Universität des Landes oder für
 
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