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Pfälzner, Peter
Haus und Haushalt: Wohnformen des dritten Jahrtausends vor Christus in Nordmesopotamien — Mainz am Rhein, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.29472#0226
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wurden also verwahrt, wenn sie nicht täglich benutzt
wurden oder wenn sie für einen späteren Gebrauch vor-
gesehen waren. Ebenfalls verwahrt wurden die Mahl-
steine in Haus XIV. In Raum CM fand sich ein und in
Raum CO vier Exemplare, während der Mahlraum DB
selbst keinen Mahlstein enthielt. Da dieses Haus zuge-
setzt war und ein passives Nutzungsinventar enthielt, ist
davon auszugehen, daß es zum Zeitpunkt seiner Zerstö-
rung nicht bewohnt war (s. Kap. 12.1: A VHIa). Wäh-
rend dieser Zeit waren die Mahlsteine zusammen mit
dem anderen Hausrat in den beiden Räumen gelagert.

TALL MELEB'IYE:

Die Mahlsteine aus Tall Melebiye entsprechen denen
von Tall Bderi in Form und Maßen (Azzi 1993, 527,
Fig. 204,5; 205; Pl. LIV,4-6). Die dort vorgenommene
Unterscheidung zwischen «meules» und «molettes» ist
weder an Hand der Dimensionen noch funktional nach-
vollziehbar (vgl. ebenda Pl. 205). Die Übereinstimmung
der Mahlsteine und das Fehlen von Reibschalen unter-
stützen die Rekonstruktion gleichartiger Mahltische wie
in den Häusern von Tall Bderi (s. Kap. 12.1: A Ia).

TALL AR-RAQÄ’I:

Auch die Mahlsteine aus Tall ar-Raqä’i besitzen die glei-
che Form und dieselben Maße wie diejenigen aus Tall
Bderi (Dunham, im Druck). Dunham nimmt an, daß
diese Stücke gleichermaßen als Unterteile und Oberteile
einer Mahlvorrichtung benutzt werden konnten. Dies
deckt sich mit dem Nachweis von Mahltischen in eini-
gen Häusern von Tall ar-Raqä’i (s. Kap. 12.1: A Ia).

TALL GUDEDA:

In einem Hof der Schicht (niveau) I fand sich eine auffäl-
lige Konzentration von annähernd 40 Mahlsteinen, die
in einem eng umgrenzten Bereich neben einer Gruppe
von vier tanänlr lagen (Fortin 1990b, 572 f., Fig. 33;
1991, 67). Fortin (1990b, 573; 1991 71) deutet die
Mahlsteine in Verbindung mit den in der Nähe gelege-
nen Öfen als Hinweis auf eine spezialisierte Produktion
von Nahrungsmitteln (Brot) in diesem Siedlungsbereich
und leitet unter anderem daraus eine ehemalige Funk-
tion der Siedlung als «site industriel» ab.

Für eine Deutung der ehemaligen Verwendung der
Mahlsteine an dieser Stelle ist eine Interpretation ihrer
Fundumstände hilfreich. Die Mahlsteine lagen als dichte
«Packung» in einem eng umgrenzten Bereich in unmit-
telbarer Nähe der genannten tanänlr. In diesem Hof-
bereich und in den angrenzenden Räumen fand sich
kein Mahltisch 182) und es wurden auch keine steinernen
Unterlieger verzeichnet, die als Ersatz dafür gedient
haben könnten. Es ist also kein Arbeitsplatz zum Mah-
len erkennbar, geschweige den Anlagen zum massenhaf-
ten Gebrauch von annähernd 40 Mahlsteinen. Deshalb
scheidet die Annahme einer spezialisierten Produktions-

stätte von Mehl aus. Die Mahlsteine scheinen also nicht
während ihres Gebrauches, sondern vor oder nach ihrer
eigentlichen Verwendung dort abgelagert worden zu
sein. Zwei alternative Erklärungen für die Konzentra-
tion von Mahlsteinen an dieser Stelle sind in Erwägung
zu ziehen: a) Die Mahlsteine könnten hier zur späteren
Veräußerung hergestellt, d. h. zubehauen und geschlif-
fen worden sein; b) Die Mahlsteine könnten als Pflaste-
rung verwendet worden sein.

Die zweite Erklärung erhält angesichts der dichten
Packlage der Mahlsteine einige Wahrscheinlichkeit.
Südöstlich der tanänlr scheinen sie sogar in einer annä-
hernd runden Setzung verlegt worden zu sein (vgl.
Fortin 1991, Fig. 7). Die ausschließliche Verwendung
von Mahlsteinen, die aus Basalt bestehen, könnte auf
deren Qualität beziiglich der Hitzespeicherung zurück-
zuführen sein. Dadurch sind sie als Unterlage für Herd-
und Kochstellen besonders gut geeignet. Diese Art der
sekundären Verwendung von Mahlsteinen und anderen
Grobgeräten aus Basalt ist an mehreren anderen Orten
belegt 183). Die Konzentration von Mahlsteinen im ge-
nannten Hofbereich von Tall Gudeda könnte folglich
als Unterfütterung für eine große Kochstelle ihre Erklä-
rung finden. Diese Anlage würde zu der im selben Hof
belegten Aktivität des Brotbackens passen und die Nut-
zung beider Arten von Installationen in den Bereich von
häuslichen Aktivitäten verweisen. Für die Rekonstruk-
tion einer spezialisierten Nahrungsmittelproduktion be-
steht aus diesen Gründen keine Notwendigkeit.

TALL ABÜ HAFÜR:

Auf dem Fußboden des Raumes 19 (Schicht 4) von
Haus 2 (Taf. 37) fand sich als einziges Objekt des Rau-
mes in originalem Kontext ein Mahlstein aus Basalt von
26 x 14 x 8 cm Größe (Kolinski - Lawecka 1992, 186,
Fig. 3, Pl. 37 c). Er lag unmittelbar vor der als Mahltisch
gedeuteten Installation an der Südostwand des Raumes
(s. Kap. 12.1: A Ia). Seine funktionale Verbindung mit
dieser Installation ist deshalb offenkundig. Der Fund be-
stätigt die Interpretation des Raumes 19 als Mahlraum.

182) Der Gebrauch von Mahltischen in Tall Gudeda ist durch die
Freilegung einer entsprechenden Anlage in Schicht II belegt (s. Kap.
12.1.: A I a).

183) Einige Herdstellen in den Häusern des 3. Jtsds. von Tall Bderi
enthalten eine Lage von unbearbeiteten Basaltsteinen. Der deutlichste
Nachweis der sekundären Verwendung von Basaltläufern stammt aus
den Häusern des 2. Jtsds. in Tall Munbaqa: Die im Zentrum des
Hauptraumes von Haus P gelegene, rechteckige Herdstelle (1,4 x 1,0 m)
besteht aus einer dichten Packlage von wiederverwendeten Mahlstei-
nen, die von einem Kranz von Kalksteinen eingefaßt werden (Ma-
chule et al. 1990, 15, Abb. 3).

In Haus B I der Schicht 3 auf dem Tall Haläwa B (Taf. 84) fand
sich ein runder Herd, der aus einer dichten Packlage von faustgroßen
Flußkieseln bestand, die sorgfältig um einen sekundär verwendeten
Basaltläufer gesetzt waren (Lüth 1989, 89, Abb. 55).

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