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Pfeiffer, Thomas
Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit: die internationale Zuständigkeit im Zivilprozess zwischen effektivem Rechtsschutz und nationaler Zuständigkeitspolitik — Frankfurt am Main: Klostermann, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.49328#0112
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landszustellung38 oder einer anschließend erforderlichen Auslandsvoll-
streckung39.
Diese Zugangsbarrieren gehen in ihren Konsequenzen über die bloße
„Bequemlichkeit“ und Kosten der Parteien insofern hinaus, als sie den
Zugang zum Gericht und zugleich schlechthin die Voraussetzungen der
Rechtsverwirklichung bestimmen40. Dies folgt zunächst daraus, daß mit
der Entscheidung über das Führen eines Prozesses stets eine Entschei-
dung über die Inkaufnahme des (als Beeinträchtigung sonst möglicher
Persönlichkeitsentfaltung verstehbaren, zeitlichen) Aufwands zu treffen
ist, der mit einer Prozeßführung unter den genannten Umständen ver-
bunden ist. Aber auch unter dem Gesichtspunkt der Kosten gilt nichts
anderes. Denn der Entschluß, einen Prozeß zu führen, läßt sich (ceteris
paribus) ökonomisch als Funktion der mit der Führung eines Prozesses
im Ausland im Vergleich zum Inland verbundenen höheren Kosten be-
schreiben41. Selbst wenn man also davon ausgeht, daß die Führung eines
Auslandsprozesses vor einem rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden
Forum prinzipiell zumutbar sein kann, so bleibt eine unbestimmte Viel-
zahl von Fällen, in denen allein wegen höherer Kosten eine Klage (oder
umgekehrt: die Verteidigung) unterbleibt und damit die Rechtsverwirk-
lichung scheitert. In rechtssoziologischer Perspektive könnte man auf
psychologische, ökonomische und soziale „Verhaltensmuster“ hinwei-
sen, die unter den dargestellten Bedingungen geeignet sind, zu verhin-
dern, daß eine Partei den „Kampf ums Recht“ aufnimmt42.
Dieser rechtstatsächlichen Beobachtung entspricht der materielle Be-
fund, daß gerichtliche Zuständigkeit in Fällen mit internationalem Bezug
die Befugnis zur Ausübung fremdstaatlicher Gewalt gegenüber Auslän-
dern oder Nichteinwohnern begründen kann, die möglicherweise ande-
ren Legitimitätsanforderungen unterliegt als die Ausübung solcher Ge-
38 Vgl. z.B. BGH, RIW 1991, 510; OLG München, IPRax 1990, 111, mit Aufsatz H.
Roth (90); ferner BGH, IPRax 1990, 230, mit Aufsatz Schütze (207); des weiteren Gott-
wald, in: Hahscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozeßrechts, S. 3 (20 ff.); Pfennig, Inter-
nationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, passim; Smit, 61 Colum.L.Rev. (1961),
1031.
39 Etwa Gottwald, IPRax 1991, 285 ff.; Mössle, Internationale Forderungspfändung,
passim; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, passim.
40 Heidrich, FS Ficker, S. 205 (207).
41 Wegen ökonomischer Modelle, die den Entschluß zur Prozeßführung als Funktion
der möglichen Urteilssumme, der Wahrscheinlichkeit des Obsiegens und des Kostenrisi-
kos beschreiben, vgl. Adams, Ökonomische Analyse des Zivilprozesses, S. 5 ff.; Posner,
Economic Analysis, S. 522 ff.; Polinsky, Law and Economics, S. 107 ff.
42 Vgl. Kiniger, Theorie und Soziologie des zivilgerichtlichen Verfahrens, S. 33 ff.

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