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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0062

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34

XIII.
DIE IN EINEN


LORBEERBAUM VERWANDELTE
DAPHNE.
----Torpor gravis occupat artus:
Mollia cinguntur tenul pracordia libro:
Insrondem crine? in ramos brachtet crejeunt:
Pes, modo tarn velox, pigrts radieibus beeret:
Ora cacumen habent\ remanet nitor unus in illä.
Ovid. Met. t, vs. 548. (eqq.
A p h n e , 1 die Tochter des Flufses Penaeus, war die erfte Weibs-
perfon , welche den Apollo verliebt machte. Diefer Gott war durch
den Sieg, welchen er unlangft über die Schlange Python erhalten,
so aufgeblafen, dass als er den kleinen Cupido feinen Bogen fpan-
nend antraf, er ihn fragte, was er, als ein fo junges Jungfer-Knecht-
s;en, wohl mit diesem Gewehre anfangen wolte. Das Venus-Kind empfand diefe
Beleidigung fehr hoch, und machte gar bald Anft alt, den Apollo sühlen zü las-
fen , wie gefahrlich feine Pfeile feyen. Denn er zog deren zwey aus feinen Ko-
cher , beyde von ganz unterschiedener Würkung: der eine vertreibt alle Liebe, der
andere aber verursacht folche. Mit jenem verwundete er die Daphne, diefen aber
lies er dem Apollo ins Herz fliegen. Kaum hatte diefer Gott die Tochter des Pe-
nseus aefehen, fo fühlte er fchon ein gewaltiges Liebes-Feuer in fich selbst. Er ge-
het au? fie zu; Daphne aber fliehet vor ihm und verbirgt fich in den dicksten Wald.
Bleibe doch flehen, fchonfte Nymphe, rief er ihr hierauf zu ; ich bin kein
Feind*, den du zu fürchten haft , die Liebe ift es, welche mich zwinget, dir
aus dem Fuffe nachzufolgen. Wirf doch nur einen Blick auf deinen Liebhaber:
Wenn du den hohen Stand delsen , den du gefangen haft , recht wiifteft , du
wiirdeft wohl nicht fo laufen. Mir ftehen Delphi, Claros, Tenedos und Pa-
tara zu Gebothe. Jupiter ift mein Vater. Das vergangene , das gegenwartige
und zukunftige ift vor meinen Augen offenbahr. Ich habe erfunden, wie man
zwifchen das "Lauten-Spiel fingen foll. Meine Pfeile tresfen allezeit gewifs: ach
ach aber der Pfeil, welcher mein Herz zum erften mahle getroffen hat, ift
„ noch weit gefahrlicher ! Weil ich die Arzney Kunft erfunden habe , fo
\, verehret mich alles als einen gütigen Gott. Ich kenne die Kräfte aller
Krauter : Nur bedaure ich , dafs keines vor die Liebe helfen kan" ! Er
wolte noch mehr fagen j allein Daphne verdoppelte ihre Schritte und ftohrte
ihn also in seinem reden. Als nun Apollo fahe , dafs alle leine Liebkofun-

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V

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11

II

11

:en

ANMERKUNGEN.

1. Daphne.] Diodorus aus Sicilicn meynt (a) , Daphne fey
keine andere , als die Manto , die Tochter des Tiresias ; diese
wäre von den Argienfern, da fie die Stadt Theben eingenommen,
nach Delphos geichicket worden, wofelbst fie hernachmahls viele
Gotter-Ausfpruche oder Orakel ertheilet; daher fie auch Chryfip-
pus die Delphische Sybille genennet. Apollodorus (b) fetzet hin-
£u> Alcmeon, der General von den Belagerern der StadtTheben,
hatte fich in die Manto verliebet und einen Sohn, nahmens Am-
pmlochus, wie auch eine Tochter , Tifiphone genannt, mit ihr
geieuget. Andere fagen , daß fie nebft anderen Kricgsgefange-
(«) Lib. 4. c. £■

nen, welche die Argienfer zu Theben gemachet, fcy nach Del-
phos geführet worden, sie sey aber entwischet und habe sich nach
Claros in ficherheit begeben , wofelbft sie auch dem Clarifchen
Apollo einen Tempel gebauet und dem Rhatius eheliche Treue
zugefaget, mit welchem fie denn auch einen Sohn , Nahmens
Mopfus erzielet. Endlich erzehlet auch Paufanias (c), dass man
zu feiner Zeit zu Theben vor dem Vorhofe des Tempels noch
den Stein gezei^et, auf welchen Manto geseflen habe , wenn fie
die Gotter-Sprüche hören laffen , und dafs man selbigen den
Rede-Stuhl der Manto genennet.
Wie-
{b) Biblieth. L. 6. {.c) Lib. 7.C 9.
 
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