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Pinder, Wilhelm
Die Pietà — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 29: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.59320#0010
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gleichzeitig ein Fresko den gleichen Typ. Er kommt
auch in kleinem Maßstabe vor, so in der sonderbar
packenden Pietä Röttgen (Abb. 5). Der Geist der
Mystik erzeugt mit der Inbrunst der Vergegenwärtigung
zugleich die Lust am Symbol. Gerne gibt man dem
Sockel die fünfblättrige „rosa mystica“, golden auf
blauem Grunde, Symbol der Hostie wie die Bluts-
trauben auf Brust und Händen. (Blut und Wein,
Christus der Weinstock.)
Dieser Typus ist der älteste und darum offenbar
der westliche. Man spürt die Hitze des Wortes, das
die westliche Dichtung ihm entgegengeformt. Er ver-
liert sich im 15. Jahrhundert. Die mittelrheinische Pieta
in Frankfurt (Abb. 6) mit ihren Schwestern wandelt
ihn deutlich ab, in das Intime und zugleich in das
Malerische. Die stilverwandte aus Unna (Abb. 7), sehr
frei und eigen, kennt in der Malerei Verwandtes (Rogier
van der Weyden). Doch dies sind Nachklänge des
Alten innerhalb der neuen Gesinnung. Der kennzeich-
nende Typus um 1400 sieht anders aus: er sucht den
Charakter des Kultbildes durch repräsentative Ruhe.
(Abb. 8—9.) Man könnte ihn den „katholischen“
nennen, jenen den „mystischen“; formal — cum grano
salis — den „horizontalen“, jenen den „diagonalen“,
mit etwas geringerer Sicherheit den „östlichen“, jenen
den „westlichen“. Mit geringerer, denn auch der Westen
kennt ihn. Doch ist sein wesentliches Verbreitungs-
gebiet Alpendeutschland und der koloniale Osten von
Hermannstadt bis Danzig und Schweden. Eine Reihe
von Beispielen geht technisch und stilistisch mit einer
Gruppe „schöner Madonnen“, stilistisch auch mit Bil-
dern zusammen, die böhmisch sind. Oft hat man den
Eindruck kühl-sauberer Arbeit von marmorarii für den
Handel. Einmal, für Straßburg 1404, ist Export von
Prag her urkundlich bewiesen. In solchen Fällen' darf
man, wenn nicht ein bestimmtes Kultbild, doch ein

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