Vorwort
Wenn mir einmal meine Amtsgeschäfte für kurze Zeit Ruhe gönnen, und ich
im Sessel zurückgelehnt die Augen schließe, die Erinnerungen vergangener Tage an
mir vorüberziehen, die Scharen von Menschen, die ich gekannt oder die sich mir
genänert haben, taucht so manche markante Erscheinung aus dem Gewühle empor
und stelit sich lebendig vor mich hin, mich gleichsam auffordernd, der Nachwelt von
ihr zu erzählen. Ich könnte hunderte von Künstlerbiographien schreiben, und brauchte
dabei nichts anderes zu tun, als jene Erinnerungsbilder reden zu lassen, die Geister
zu bannen, daß sie ihre eigenen Schicksale verkünden, die im Gedränge des Lebens
häufig genug unbeachtet von der Mitwelt vorüber rauschten. Aufgefordert über Karl
Geiger zu schreiben, blicke ich zurück bis in das Jahr 1848, da steht er vor mir als
akademischer Legionär, den Kopf stolz erhoben, frei und keck in die Welt hinaus
blickend, als könnte er sie jeden Augenblick durch eine Großtat erobern. Zwei Jahre
später blickt er mir als Lehrer der Elementarschule, in die ich als junger Eleve ein-
getreten war, über die Schulter, um meine zaghaft entworfene Zeichnung zu korrigieren.
Ich blicke schüchtern zu ihm auf und sehe eine hübsche, elegante Erscheinung mit
bräunlichem Schnurrbart und Fliege und durch die goldgeränderten Brillen sehen mich'
ein Paar helle Augen freundlich und ermunternd an. Später traten wir uns noch näher
zur Zeit der Fusionierung des jungen Künstlervereins “Eintracht” mit der älteren
Künstlergesellschaft, dem damaligen “Albrecht Dürer-Verein”, welcher beim blauen
Strauß in der einstmaligen Kothgasse, jetzigen Gumpendorferstraße sein künstlerisch
geschmackvoll ausgestattetes Lokal hatte. Karl Geiger konkurrierte damals mit Ferdinand
Laufberger bei Herstellung einer künstlerischen Arbeit, welche als Mitgliederdiplom an
die neu eingetretenen Künstler ausgeteilt wurde und blieb mit seiner Radierung Sieger
in dieser Konkurrenz. Seit jener Episode gab es immer von Zeit zu Zeit Berührungs-
punkte zwischen uns und wir blieben in kollegialem und freundschaftlichen Verkehr
bis an das Ende seiner Tage. Karl Geigers biographische Daten sind kurz folgende:
Er wurde zu Wien den 14. Dez. 1822 als Sohn eines Rechnungsrates geboren, dessen
Familie aus Baiern stammte. Seinen ersten künstlerischen Unterricht erhielt er durch
seinen Großvater, den Kupferstecher und Schabkünstler Andreas Geiger und wurde
sodann Schüler der Wiener Akademie, wo er durch Talent und Fleiß sich alsobald
hervortat, sodaß ihm mehrfache Preise zuerkannt worden sind. Den größten Einfluß
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Wenn mir einmal meine Amtsgeschäfte für kurze Zeit Ruhe gönnen, und ich
im Sessel zurückgelehnt die Augen schließe, die Erinnerungen vergangener Tage an
mir vorüberziehen, die Scharen von Menschen, die ich gekannt oder die sich mir
genänert haben, taucht so manche markante Erscheinung aus dem Gewühle empor
und stelit sich lebendig vor mich hin, mich gleichsam auffordernd, der Nachwelt von
ihr zu erzählen. Ich könnte hunderte von Künstlerbiographien schreiben, und brauchte
dabei nichts anderes zu tun, als jene Erinnerungsbilder reden zu lassen, die Geister
zu bannen, daß sie ihre eigenen Schicksale verkünden, die im Gedränge des Lebens
häufig genug unbeachtet von der Mitwelt vorüber rauschten. Aufgefordert über Karl
Geiger zu schreiben, blicke ich zurück bis in das Jahr 1848, da steht er vor mir als
akademischer Legionär, den Kopf stolz erhoben, frei und keck in die Welt hinaus
blickend, als könnte er sie jeden Augenblick durch eine Großtat erobern. Zwei Jahre
später blickt er mir als Lehrer der Elementarschule, in die ich als junger Eleve ein-
getreten war, über die Schulter, um meine zaghaft entworfene Zeichnung zu korrigieren.
Ich blicke schüchtern zu ihm auf und sehe eine hübsche, elegante Erscheinung mit
bräunlichem Schnurrbart und Fliege und durch die goldgeränderten Brillen sehen mich'
ein Paar helle Augen freundlich und ermunternd an. Später traten wir uns noch näher
zur Zeit der Fusionierung des jungen Künstlervereins “Eintracht” mit der älteren
Künstlergesellschaft, dem damaligen “Albrecht Dürer-Verein”, welcher beim blauen
Strauß in der einstmaligen Kothgasse, jetzigen Gumpendorferstraße sein künstlerisch
geschmackvoll ausgestattetes Lokal hatte. Karl Geiger konkurrierte damals mit Ferdinand
Laufberger bei Herstellung einer künstlerischen Arbeit, welche als Mitgliederdiplom an
die neu eingetretenen Künstler ausgeteilt wurde und blieb mit seiner Radierung Sieger
in dieser Konkurrenz. Seit jener Episode gab es immer von Zeit zu Zeit Berührungs-
punkte zwischen uns und wir blieben in kollegialem und freundschaftlichen Verkehr
bis an das Ende seiner Tage. Karl Geigers biographische Daten sind kurz folgende:
Er wurde zu Wien den 14. Dez. 1822 als Sohn eines Rechnungsrates geboren, dessen
Familie aus Baiern stammte. Seinen ersten künstlerischen Unterricht erhielt er durch
seinen Großvater, den Kupferstecher und Schabkünstler Andreas Geiger und wurde
sodann Schüler der Wiener Akademie, wo er durch Talent und Fleiß sich alsobald
hervortat, sodaß ihm mehrfache Preise zuerkannt worden sind. Den größten Einfluß
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