über die schönen Künste in Spanien. 265
Holz, das vergoldet ist, durch deren Gebrauch aller
Begriff von Schönheit der Form vernichtet, und
alle Aufmerksamkeit auf den Neichrhum der Materie
verwendet wurde. Dieser unglückliche Grundsatz zog
noch einen andern nach sich: daß man nämlich höl-
zerne Sratüen verfertigte, die bemahlt und vergol-
det wurden, wodurch die Bildhauerkunst noch mehr
herabgesetzt wird; denn bey dieser Manier giebt uns
nickt die Form der Statüen den Begriff von ihren
Werth, sondern die Farben und der Reichthum.
Eine Nation, welche beständig dergleichen Gegenstän-
de vor Augen hat, kann unmöglich einen guten Ge-
schmack erlangen, weil dieser sich blos vermittelst der
Gewohnheit bildet, indem die Sinne gewöhnt wer-
den lauter vollkommne Dinge zu sehen; und wenn
sie auch nicht von der Art seyn sollten, so müssen sie
doch wenigstens simpel seyn, und blos das Wesent-
lichste enthalten: und wenn sie auch sogar bäurisch
und armselig scheinen sollten, so werden sie doch alle-
zeit der Schönheit weit näher kommen, als solche
Dinge, worauf der Ueberfluß ohne Verstand Vers
schwendet ist; ja die Sinne und der Verstand brau-
chen nicht so viel Anstrengung, die Schönheit in ih-
rer Blöße zu unterscheiden, als wenn sie in einem
Haufen von unnützen Dingen vergraben liegt.
Wenn dergleichen Schwierigkeiten bey Aufsuchung
des Schönen vorfallen, so werden sich noch viel
grössere bey dem Erhabenen aussern, das in der Art
und Weise besteht, einen deutlichen und bestimmten
Begriff von einem großen Gegenstand zu erwecken,
und mit einer Art vor Überraschung und Simpli-
R 5 cität
Holz, das vergoldet ist, durch deren Gebrauch aller
Begriff von Schönheit der Form vernichtet, und
alle Aufmerksamkeit auf den Neichrhum der Materie
verwendet wurde. Dieser unglückliche Grundsatz zog
noch einen andern nach sich: daß man nämlich höl-
zerne Sratüen verfertigte, die bemahlt und vergol-
det wurden, wodurch die Bildhauerkunst noch mehr
herabgesetzt wird; denn bey dieser Manier giebt uns
nickt die Form der Statüen den Begriff von ihren
Werth, sondern die Farben und der Reichthum.
Eine Nation, welche beständig dergleichen Gegenstän-
de vor Augen hat, kann unmöglich einen guten Ge-
schmack erlangen, weil dieser sich blos vermittelst der
Gewohnheit bildet, indem die Sinne gewöhnt wer-
den lauter vollkommne Dinge zu sehen; und wenn
sie auch nicht von der Art seyn sollten, so müssen sie
doch wenigstens simpel seyn, und blos das Wesent-
lichste enthalten: und wenn sie auch sogar bäurisch
und armselig scheinen sollten, so werden sie doch alle-
zeit der Schönheit weit näher kommen, als solche
Dinge, worauf der Ueberfluß ohne Verstand Vers
schwendet ist; ja die Sinne und der Verstand brau-
chen nicht so viel Anstrengung, die Schönheit in ih-
rer Blöße zu unterscheiden, als wenn sie in einem
Haufen von unnützen Dingen vergraben liegt.
Wenn dergleichen Schwierigkeiten bey Aufsuchung
des Schönen vorfallen, so werden sich noch viel
grössere bey dem Erhabenen aussern, das in der Art
und Weise besteht, einen deutlichen und bestimmten
Begriff von einem großen Gegenstand zu erwecken,
und mit einer Art vor Überraschung und Simpli-
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