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Praschniker, Camillo
Kretische Kunst — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 7: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1921

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Kretische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.61241#0010
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aus hartem Stein (1), von merkwürdig grotesken
Formen, und versteht es, dem Geäder und Geflamme
des farbenprächtigen Materials höchsten Reiz ab-
zugewinnen. Ein besonderer Sinn für die Wirkungen
der Farbengegensätze bildet sich schon in dieser
Frühzeit aus. Im Tongeschirr versucht man ähn-
liche farbige Wirkungen, in unruhigem Flimmern
leuchten buntgescheckte Gefäßwände (2). Ange-
borene Begabung drängt den geometrischen Dekor
zurück. Wie bei der Kanne der lange Ausguß dem
Meister den Wasservogelkopf vorgaukelte, so wird
oft der Pinsel vom geometrischen Ornament ins
Pflanzliche hineingelockt. Wir erwarten nun gleich
den Aufstieg zu j enem Naturalismus, der die höchste
Blüte der kretischen Kunst kennzeichnet. Aber es
kommt erst eine lange Schule der Vorbereitung, in
der die Natur in stetem Kampf mit dem Ornament
steht. Naturformen geben in der Regel den Aus-
gang (3 b), aber sie werden verarbeitet, vergessen,
untergetaucht in kühnem Liniengeschlinge (4 a),
das mit höchster Freiheit in weißer, roter, gelber
Farbe über die in tiefstem Schwarz oder dunklem
Violettrot erglänzenden Gefäßwände geworfen wird.
Erst unter dem dahingleitenden Pinsel ergeben sich
dem Maler die Motive, jedes Gefäß ist ein Indi-
viduum für sich. Es ist ein Jugendstadium dieser
Kunst und zugleich ihr erster Höhepunkt. Die
Kühnheit des Entwurfes, die Sicherheit des Pin-
sels hat sich die kretische Kunst damals erworben.
Ein paar führende Meister müssen nun — etwa

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