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peji. Aus der Geschichte der Entstehung dieses Stils ist uns nicht mehr bekannt, als was
im vorigen Kapitel angeführt wurde; dazu ist ergänzend zu bemerken, dass auch in
anderen Dingen der historische Gang im einzelnen lange nicht immer dem systematischen
Zusammenhang folgt. Von beiden ist dann wieder eine Reproduction unabhängig, wie sie
in Pompeji vorliegt. Wir haben über deren Zeitverhältnisse eigentlich nur eine Notiz,
nämlich dass eine der primitivsten Decorationsformen (s. unten 2, a, b, c) vor dem Jahre
78 v. Chr. ausgeführt worden ist. Die Baugeschichte Pompeji’ s *) bietet uns auch nur
wenige sichere Anhaltspuncte für die Malereien, da dieselben natürlich zum grossen Theil
nicht mit dem Hausbau zusammenfallen. Gelegentliche Erneuerungen wurden von verschie-
denen Besitzern vorgenommen; das Erdbeben vom Jahre 63 n. Chr. hatte vielerwärts den
Wandschmuck zerstört, der nun dem Geschmack des* Besitzers oder der Übung des Ma-
lers entsprechend in voriger Weise wiederhergestellt oder nach neuer Mode ausgeführt wer-
den konnte. Aus diesem Grunde können uns nicht einmal die neuesten Malereien auch
grade die jüngste Stilform bekunden. Dagegen ist als wahrscheinlich anzunehmen, dass
die primitiven Decorationsformen (s. unten 2, a, b, c, d) meistens die
ältesten der Stadt sind. Denn wenn ihre Ausführung immerhin in eine Zeit fallen
mag, in welcher längst die weitere Entwicklung des Stils in den griechischen Ländern
stattgefunden hatte, so ist eben zu bedenken, dass der Zusammenhang zwischen Pom-
pejanischer und Alexandrinischer Malerei kein directer war, sondern Mittelglieder, etwa
in den griechischen Colonien Unteritaliens, anzunehmen sind, und dadurch der Übergang
der ursprünglichen Decorationsweise sich um ein Jahrhundert verlangsamte. Die Beziehun-
gen wurden später (etwa nach 150 v. Chr.) unmittelbarer und rascher; deshalb können
die abgeleiteten Stilformen nicht in grossen Zwischenräumen in Pompeji bekannt
geworden sein, und ist ihre gleichzeitige Anwendung wahrscheinlich. Für eine
beschleunigte Aufnahme alexandrinischer Malerei von einem gewissen Zeitpuncte an spricht
auch der Umstand, dass ein Mittelglied jener Entwicklung in den campanischen Städten
ganz fehlt, nämlich das hölzerne Tafelbild auf selbständigem Platz innerhalb der Deco-
ration.—Die systematische Entwicklung des Decorationsstils wird durch
eine solche Mannigfaltigkeit von Beispielen illustrirt, dass wir in Folgendem eine zusam-
menhängende Darstellung darüber geben können.
Erste Epoche: Architectoniscli-plaslische Stilform.
3. Die beiden ältesten Bauperioden Pompeji’s, bis zum Jahre 100 v. Chr. etwa, sind
durch Anwendung des Quadersteines characterisirt **). Ein durchlaufender, etwas vor-
tretender Sockel bildet das Fundament der Mauer; auf demselben bauen sich, querüber gelegt,
die Quadern auf, während dieselben an den Kanten, Thüröffnungen etc. hoch gestellt sind,
und dadurch gleichsam Pilaster bilden, die auch manchmal ein wenig heraustreten. Die
Fugen liegen etwas tiefer als die Oberfläche der Quadern , indem die Kanten der letz-
teren entweder schräg abgehauen sind, oder rings um die Steinfläche ein schmaler Rand
abgeschliffen ist, beides Manieren wie man sie heutzutage überall angewandt findet. Als
Bekrönung der Thüren kommt ein stark vorspringender Stein-Carniess vor, ähnlich wie
an Tempeln ornamentirt.
*) Siehe Fiorelli, Relazione degli scavi dal 1861 al 1872, p. IX-XIII.
**) Abbildungen bei Fiorelli, a. a. O. Tafel XIV-XIX; Overbeck, p. 443 ff.
peji. Aus der Geschichte der Entstehung dieses Stils ist uns nicht mehr bekannt, als was
im vorigen Kapitel angeführt wurde; dazu ist ergänzend zu bemerken, dass auch in
anderen Dingen der historische Gang im einzelnen lange nicht immer dem systematischen
Zusammenhang folgt. Von beiden ist dann wieder eine Reproduction unabhängig, wie sie
in Pompeji vorliegt. Wir haben über deren Zeitverhältnisse eigentlich nur eine Notiz,
nämlich dass eine der primitivsten Decorationsformen (s. unten 2, a, b, c) vor dem Jahre
78 v. Chr. ausgeführt worden ist. Die Baugeschichte Pompeji’ s *) bietet uns auch nur
wenige sichere Anhaltspuncte für die Malereien, da dieselben natürlich zum grossen Theil
nicht mit dem Hausbau zusammenfallen. Gelegentliche Erneuerungen wurden von verschie-
denen Besitzern vorgenommen; das Erdbeben vom Jahre 63 n. Chr. hatte vielerwärts den
Wandschmuck zerstört, der nun dem Geschmack des* Besitzers oder der Übung des Ma-
lers entsprechend in voriger Weise wiederhergestellt oder nach neuer Mode ausgeführt wer-
den konnte. Aus diesem Grunde können uns nicht einmal die neuesten Malereien auch
grade die jüngste Stilform bekunden. Dagegen ist als wahrscheinlich anzunehmen, dass
die primitiven Decorationsformen (s. unten 2, a, b, c, d) meistens die
ältesten der Stadt sind. Denn wenn ihre Ausführung immerhin in eine Zeit fallen
mag, in welcher längst die weitere Entwicklung des Stils in den griechischen Ländern
stattgefunden hatte, so ist eben zu bedenken, dass der Zusammenhang zwischen Pom-
pejanischer und Alexandrinischer Malerei kein directer war, sondern Mittelglieder, etwa
in den griechischen Colonien Unteritaliens, anzunehmen sind, und dadurch der Übergang
der ursprünglichen Decorationsweise sich um ein Jahrhundert verlangsamte. Die Beziehun-
gen wurden später (etwa nach 150 v. Chr.) unmittelbarer und rascher; deshalb können
die abgeleiteten Stilformen nicht in grossen Zwischenräumen in Pompeji bekannt
geworden sein, und ist ihre gleichzeitige Anwendung wahrscheinlich. Für eine
beschleunigte Aufnahme alexandrinischer Malerei von einem gewissen Zeitpuncte an spricht
auch der Umstand, dass ein Mittelglied jener Entwicklung in den campanischen Städten
ganz fehlt, nämlich das hölzerne Tafelbild auf selbständigem Platz innerhalb der Deco-
ration.—Die systematische Entwicklung des Decorationsstils wird durch
eine solche Mannigfaltigkeit von Beispielen illustrirt, dass wir in Folgendem eine zusam-
menhängende Darstellung darüber geben können.
Erste Epoche: Architectoniscli-plaslische Stilform.
3. Die beiden ältesten Bauperioden Pompeji’s, bis zum Jahre 100 v. Chr. etwa, sind
durch Anwendung des Quadersteines characterisirt **). Ein durchlaufender, etwas vor-
tretender Sockel bildet das Fundament der Mauer; auf demselben bauen sich, querüber gelegt,
die Quadern auf, während dieselben an den Kanten, Thüröffnungen etc. hoch gestellt sind,
und dadurch gleichsam Pilaster bilden, die auch manchmal ein wenig heraustreten. Die
Fugen liegen etwas tiefer als die Oberfläche der Quadern , indem die Kanten der letz-
teren entweder schräg abgehauen sind, oder rings um die Steinfläche ein schmaler Rand
abgeschliffen ist, beides Manieren wie man sie heutzutage überall angewandt findet. Als
Bekrönung der Thüren kommt ein stark vorspringender Stein-Carniess vor, ähnlich wie
an Tempeln ornamentirt.
*) Siehe Fiorelli, Relazione degli scavi dal 1861 al 1872, p. IX-XIII.
**) Abbildungen bei Fiorelli, a. a. O. Tafel XIV-XIX; Overbeck, p. 443 ff.