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Vy enn jetzt Dr. Theodor Engelmanns gesamter Nachlass an Sammelstücken,
an künstlerisch wertvollem Mobiliar und Hausrat zur Auktion kommt, so tritt
einem nochmals das Bild des einstigen Besitzers all dieser schönen und selte-
nen Dinge mit besonderer Lebhaftigkeit vor Augen. Der Kleinbasler Apotheker,
der zuerst an der Rheingasse als Nachfolger des Vaters, dann im malerischen
Eckhause an der Greifengasse jahrzehntelang getreulich seinen Beruf ausübte, der
daneben Zeit fand seiner Stadt wertvolle Dienste zu leisten als Mitglied wichti-
ger Kommissionen und der, neben all dem, sich zu einem Sammler, Kunstfreund
und -kenner von grossem Zuschnitt ausbildete, ist keine alltägliche Erscheinung.
Dr. Th. Engelmann, der im Juli 1931, fast achtzigjährig, starb, sammelte wohl
zwei Menschenalter hindurch. Schon als Schüler und junger Freund der Natur-
wissenschaften suchte und holte er sich seltene Steine und Pfahlbautenfunde; bei
den Grosseltern mütterlicherseits, in Bern, wo sich der Knabe und Student be-
sonders heimisch fühlte, erhielt er die ersten und starken Kunsteindrücke durch
die Spinnstuben-Holzschnitte Ludwig Richters, die, in ihrer gemütbetonenden
Lebenswahrheit, an eine tiefe Saite in dem jugendlichen Idealisten rühren moch-
ten. Bald suchte er sich ganze Holzschnittfolgen Richters zu verschaffen, was,
um 1870, fast noch ohne Aufwand möglich war; später gesellten sich dazu
Zeichnungen und Aquarelle des grossen Meisters, die, in immer bedeutenderen
Exemplaren, von 1880 bis 1908 erworben wurden. Was sich, aus der Umgegend
Richters, in verwandter Welt der Beschaulichkeit und der Märchenromantik be-
wegt, fand auch des Sammlers Beachtung, so dass dieser Kreis der Nazarener
und Romantiker mit köstlichen Aquarellen und Zeichnungen in seiner Kollek-
tion vertreten ist, auch nachdem das Werk Richters davon losgelöst und in
andere Hände übergegangen war; Künstler wie Fohr, Peschel, Ramberg, Ellen-
rieder, Spitzweg seien in diesem Zusammenhange genannt. Dr. Engelmann, der in
Stuttgart das Licht der Welt erblickte, mag, vom Vaterstamm her, tiefes Ver-
ständnis für deutsche Kunst ererbt haben; von der Mutterseite war er Berner,
und ein guter dazu, den es schon früh auch zur schweizerischen Kunst hinzog
und auch hier vor allem zu den graphischen Künsten, die einer, anfänglich be-
scheidenen, Börse weit eher ein Sammeln in die Tiefe und die Breite erlaubte,
als etwa die Malerei. Die Vorliebe für die Schweizer Kunst von 1750—1850
hatte er übrigens mit einem andern grossen Richter-Sammler gemeinsam, Eduard
Cichorius in Dresden. Die Kunst unserer Kleinmeister, die in der Schlichtheit
ihres Stoffkreises und ihrer Kunstübung sich oft mehr als Meister denn als klein
erwiesen, ist das zweite und bedeutendste Sammelgebiet Dr. Engelmanns gewor-
den. Wer Einblick hatte in die Fülle, die hohen Qualitäten und seltenen Varian-
ten, in der sich hier das Oeuvre von Aberli, Freudenberger, König, Mind, Lory
rundete, der staunte wahrlich über die, in Jahrzehnten gebildete und verfeinerte,
 
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