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Probst, Hansjörg
Seckenheim: Geschichte eines Kurpfälzer Dorfes — Mannheim, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.3000#0181
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dorf ähnlich, aber mit einem breiten Raum im Innern, der als Anger dient und auf dem
sich Kirche, Schule, Schmiede oder Gerichtshaus befinden ...Ist der Anger langgestreckt,
liegen die Gehöfte in zwei Reihen einander gegenüber. Um diesen läuft eine Straße, nach
außen ist das Angerdorf durch eine Hecke abgeschlossen" [Haberkern, Wallach, Hilfs-
wörterbuch für Historiker, 2. Aufl. 1964, S. 41]. 2) „Das Haufendorf ist von regellos
gewundenen und verzweigten Gassen durchzogen, und entsprechend gruppieren sich die
Gehöfte und Häuser ohne feste Ordnung..." 3) „Im Straßendorf hingegen beherrscht der
lineare Straßenzug nebeneinandergereihter Gehöfte den Ortsgrundriß, auch dort, wo die-
ser aus mehreren Straßen zusammengesetzt ist" [Pfalzatlas, Textband I, S. 216].
Daß Kloppenheimer, Freiburger und Rastatter Straße unverfälscht dem Typ des Straßen-
dorfs entsprechen, ist augenfällig; die Tiefe der Hofreiten läßt schon erkennen, daß es sich
um sehr alte Straßenzüge handeln muß (mit Ausnahme der Rastatter Straße, wie oben
erläutert). Dabei wissen wir, daß sich die Hofreiten der alten Obergasse direkt in das Ober-
feld fortsetzten. Der Ostteil des Hunsrücks bis zur Rheinfelder Straße ist ein der Defini-
tion genau entsprechendes kleines Haufendorf, während sich der Westteil (Rheinfelder,
Waldshuter und Maxauer Straße) eindeutig als planmäßige Erweiterung des 18. Jahrhun-
derts und somit als Straßendorf sekundären Typs darstellt. Das Vorkommen beider alten
Typen in einem Dorf hat einen soziologischen Grund: im Straßendorf haben wir das bäu-
erliche und großbäuerliche Element, während im Hunsrück Häusler, Tagelöhner, Fischer
und andere Gewerbetreibende lebten. Wie wir gesehen haben, sind beide Dorf formen in
Seckenheim gleich alt, da beide Sozialgruppen von Anfang an vorhanden und aufeinander
bezogen waren.

Was hat es nun mit dem Anger auf sich? Wie oben schon beschrieben, sind die Planken
und die untere Hauptstraße Teile eines ehemaligen Neckararmes, der bis zur Anlage der
Chaussee um 1750 - die übrigens in der Höhe des Rathauses über 1 m aufgeschüttet wer-
den mußte - eine grasbewachsene, feuchte und bei jedem großen Hochwasser über-
schwemmte Senke war. Diese an die 500 m lange und zwischen 20 und 50 m breite Rinne
war ein typischer Anger, um den die Häuser - teilweise mit Vorgärten - standen und in
dem sich Dorfbrunnen befanden. Der Anger war das Verbindungsstück des Straßen- und
des Haufendorfes, weshalb im Mittelalter die Gerichtsversammlung auf ihm stattfand und
das Spiel- und Rathaus dort erbaut wurde. Eine Dorfhecke mit Graben zog sich im Mittel-
alter um die untere Hauptstraße, wie die Flurnamen beweisen [vgl. F1N 73].
Noch die heutige Ortsstruktur ist durch diese Grundtatsachen bewirkt; erstaunlicherweise
haben auch die Erweiterungen des Ortsetters diese Struktur nicht gestört, sondern viel-
mehr unterstrichen, so daß Seckenheim auch heute noch einen sehr geschlossenen Ein-
druck macht. Das bauliche Erscheinungsbild ist durch die Bauformen des 18. Jahrhun-
derts und des frühen 19. Jahrhunderts bestimmt. Diese Bauformen wie Fassadeneintei-
lung, Steilgiebel, Toranlagen, Pilaster, Lisenen, Friese und Gesimse, Fenstermaße und
-laibungen, Klappläden und Sprossenflügel mit gewölbten Scheiben gliedern die glatt ver-
putzten und auf Farbe hin angelegten Wandflächen und erzeugen ein zugleich im Detail
bewegtes und im ganzen harmonisches Bild. Die kräftigsten Akzente setzen dabei die
hohen Tore und die steilen Dachflächen als vertikale und die Fensterreihen als horizontale
Linien.

Dieser bauliche Rhythmus wird eingebunden in lange, aber nie offene Straßenräume.
Leichte Krümmungen und in sich versetzte Straßeneinmündungen schaffen kulissenartige
Durchblicke. Von diesem Prinzip sind nicht einmal die Ortseinfahrten ausgenommen. Den
herausragenden Straßenraum bildet natürlich die rhythmisch gegliederte Hauptst^fe
Dem von Mannheim Kommenden öffnet sie sich in der sanften Krümmung auf der Ho

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