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Probst, Hansjörg
Seckenheim: Geschichte eines Kurpfälzer Dorfes — Mannheim, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.3000#0289
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4. Die Süddeutsche/Oberrheinische Eisenbahngesellschaft SEG/OEG

1838 sahen weder die Seckenheimer noch die Städte Mannheim und Heidelberg - aller-
dings aus unterschiedlichen Gründen - einen Vorteil in einem direkten Bahnanschluß der
Dörfer an die Städte; denn „die meisten Seckenheimer Marktleute schlagen die anderthalb
Stunde wegs, die sie zu Fuße nach Mannheim machen müssen, nicht so hoch an ab die 4
Kreuzer, die sie auf der Bahn bezahlen müßten" [Seckenheimer Gutachten zum Bahnbau
vom 2.6.1838]. Mannheim meinte damals, es bestünden kaum engere wirtschaftliche
Beziehungen, da die Seckenheimer nur Tabak in die Mannheimer Zigarrenfabriken liefer-
ten und umgekehrt den Mannheimer „Dünger von hier dorthin verführten", den man ja
aus klaren Gründen nicht mit der Bahn transportieren könne. Heidelberg seinerseits
fürchtete, daß „die Eisenbahn Seckenheim zur Vorstadt von Mannheim machen" werde,
wo doch Heidelberg seit jeher Hauptabsatzgebiet der Seckenheimer „Brodfrüchte" sei;
und „arme Gewerbsleute" (Arbeiter) solle sich Seckenheim doch nicht „in die Ortschaft
ziehen" [Gutachten vom 2. und 8.6.1838 in 421/1237].

45 Jahre später waren die Verhältnisse nicht mehr so idyllisch. Seckenheim hatte zwar seit
1876 einen Staatsbahnhof, „da jedoch die Entfernung dieser Ortschaften Seckenheim und
Ilvesheim von der Personalhaltestelle Seckenheim der Staatsbahn mehr als eine halbe
Stunde beträgt, ist der Personenverkehr zwischen dieser Station und Mannheim ein
äußerst geringer: 7140 Billets im Jahre 1883, während für Seckenheim bestimmte Güter
alle im Centralgüterbahnhof in Mannheim geholt werden müssen" [Konzessionsantrag
Müllers vom 8.11.1886 in 421/1237]. Seckenheim und Ilvesheim hatten zusammen über
5.000 Einwohner, die nun ein reges Interesse an einer nahen und direkten Verbindung
nach Mannheim hatten; denn immer mehr Kleinbauern und Tagelöhner begannen in die-
ser Zeit, Arbeit in den Fabriken zu suchen.

Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung von 1887 gab für die Orte Ilvesheim, Seckenheim,
Neckarhausen, Edingen und Wieblingen 9.000 bis 10.000 Personen an, die als ständige
Fahrgäste in Frage kämen. Dazu kam der Transportbedarf von Landwirtschaft und Indu-
strie. Beides zusammen versprach eine sichere Rendite für die nötigen 500.000 Mark Inve-
stitionen, die eine Lokalbahn von Mannheim nach Heidelberg kostete [Kgl. Preußischer
Regierungsbaumeister von Brand am 11.5.1887 in 421/1239].

Bei der Berechnung für diese Lokalbahn haben wir ein typisches Beispiel für das Vorgehen
der damaligen Eisenbahnunternehmer, die sich aus den großen Strecken zurückgezogen
und auf den Bau und Betrieb von Lokal- und Nebenbahnen, den sogenannten „Sekundär-
bahnen", verlegt hatten. Diese Bahnen schössen wie Pilze aus dem Boden; denn jede
Gemeinde wollte mit der Bahnlinie an die neue Zeit und die große Welt angeschlossen wer-
den. .
So stellte am 4.4.1885 der Freiburger Ingenieur Karl Müller den Konzessionsantrag auf
eine Dampfbahn von Mannheim-Tattersall nach Seckenheim. Die Trasse sollte auf der
Heidelberger Chaussee (Seckenheimer Straße, B 37) verlegt werden als eingleisige Einin^
terspur - auf der Straße versenkt, in Seckenheim mit Rillenschienen. Die Minde^~.re'
der Straße von 8 m reichte für die Aufnahme des Bahnkörpers völlig aus. 1886 ändellte
Müller seinen Plan, was die Einführung der Bahnlinie nach Mannheim anging: sie so
nun nicht mehr am Tattersall enden, sondern über den Ring bis zur Kettenbrücke ( e
Kurpfalzbrücke) weitergeführt und zum Neckar hinuntergeleitet werden, um elfflit
Umschlag zwischen Bahn und Schiff zu ermöglichen. Am Tattersall sollte die Strecke

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