Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Probst, Hansjörg
Neckarau (Band 2): Vom Absolutismus bis zur Gegenwart — Mannheim, 1989

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3003#0113
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der gesamte Geldwert der reformierten Schulkompetenz wurde 1750 auf 147 fl 30 xr
angeschlagen229 ohne das Schulgeld. Dieses ist zum erstenmal mit 15 xr im Viertel-
jahr 1671 vermerkt. Da die Kinder nur im Winterhalbjahr zur Schule gingen, erhielt
der Schulmeister pro Kind 30 xr im Jahr. Da die Kollektur erst 1674 ein neues Leh-
rer- und Schulhaus bauen ließ, hatte sie vorher für die Miete 7 1/2 fl aufzubringen.
Eine weitere Leistung der Kollektur, die 1671 nicht mehr anfiel, waren die 6 fl, 24
Mltr Ageln und 200 Bund Stroh, die dem Schulmeister dafür gezahlt wurden, daß er
während der Ernte den Einzug des großen Zehnten für die Kollektur beaufsichtigte.
Als Schreib- und Rechenkundiger leistete der Schulmeister nicht nur der Kollektur
solche Dienste, sondern auch der Gemeinde Neckarau als Gerichtsschreiber. Die
Gerichtsschreiberei war bis 1706 mit dem Amt des reformierten Schulmeisters ver-
bunden und brachte diesem im Jahr 7 fl an Geld, 6 Mltr Korn und 4 Mltr Spelz ein.
War ein Bedregister anzufertigen, dann erhielt er dafür 48 xr und 4 Simmer Korn.
Eine weitere Einnahme hatte der Lehrer in seiner Eigenschaft als Glöckner vom
Läutedienst und von den sogenannten Akzidentien. Da der Läutedienst allen Ein-
wohnern zugute kam, hatte jeder Begüterte, d. h. Landwirtschaft betreibende Haus-
halt zwei Garben Spelz zu leisten. Diese Garben ergaben 1763 18 Haufen Spelz.
Dazu kamen von jedem Haushalt ein Laib Brot, was 1763 140 Laibe im Jahr er-
brachte. Unter Akzidentien versteht man die Gebühren, die bei besonderen kirch-
lichen Anlässen fällig wurden. Im Kompetenzbuch von 1763 heißt es dazu:
„Von einer Leich zu singen, geläut und orgelspiel 56 xr

von einer lutherischen und catholischen Hochzeit mit 3 Glocken zu läuten 16 xr

mit zwey Glocken 12 xr

von einer reformierten Hochzeit vom Gesang 1 Laib Weißbrot 1 Maas Wein und Geläut 16 xr

Von einer Kindtauf nichts. "23°

Darüber war es 1724 zu einer Auseinandersetzung gekommen. Der reformierte Kir-
chenrat hatte sich nämlich beim Oberamt beschwert, daß 1. der reformierte Schul-
meister die „Glockengarben zu beanspruchen habe und 2. daß die Katholiken die
Glocken dreimal zum Ave und zu ihren Pfarractus" (Gottesdiensten und Beerdigun-
gen) läuteten. Auf diese Beschwerde hatte das Oberamt geantwortet: Bis zur Reli-
gionsdeklaration von 1714 (im Anschluß an den Friedensschluß von Rastatt und Ba-
den zur Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges) hätten beide Schulmeister
Garben und Brot geteilt und der katholische Schulmeister täglich dreimal geläutet.
Nach der Deklaration von 1714 aber hatte der reformierte Schulmeister „beide Teile
tamquam salarii prätendiert (gleichsam als Einkommen beansprucht) und an sich ge-
zogen, " sich aber zur damit seit 1698, bzw. 1705 verbundenen Pflicht zu läuten, nicht
bereit erklärt. Läuten für die katholischen Gottesdienste und zum Ave mußte der
katholische Schulmeister, aber ohne Entgelt. Dieser hatte sich schon einmal beim
Oberamt darüber beschwert; dieses hatte verordnet, er solle von den Katholiken das
Glockenbrot einnehmen. Diese aber waren meist unbemittelt. Die neuerliche Be-
schwerde sei verwunderlich, weil man doch bisher keinen Anstand am Läuten ge-
nommen habe. Das Rathaus sei ja seit 1716 für den katholischen Gottesdienst zuge-
lassen und das Geläute stehe seitdem zu ihrer Verfügung. Zudem sei das Geläute in
Neckarau Gemeindesache und könne nicht nur für eine Konfession gebraucht wer-
den.231

Auch hier haben wir ein Beispiel dafür, zu welchem Rattenkönig sich bei Fortdauer
der mittelalterlichen Rechtsverhältnisse, die natürlich nur auf die damals allein vor-
handene katholische Religion angelegt waren, die Ansprüche der verschiedenen
Konfessionen verwickeln konnten. Mit dem Läutedienst, von dem der Schulmeister
ja immerhin die Hälfte seines Einkommens bezog, und zwar direkt von jedem Nek-
karauer Bürger, was das Ganze noch mehr komplizierte, verhielt es sich folgender-
maßen: bis zum Simultaneum von 1698 gab es offiziell nur die reformierte Konfes-

73
 
Annotationen