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Ubl, Karl
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 9): Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs: die "Lex Salica" im Frankenreich — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73537#0098
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Die Lex Salica als Bruch mit Rom

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An wen aber war diese ungewöhnliche Aufzeichnung gerichtet? Allein an
die Franken, oder auch an die anderen „Barbaren" in Nordgallien oder sogar an
die römische Bevölkerung? Nur eines kann einigermaßen sicher festgestellt
werden: Als Konkurrenz zum römischen Recht oder zu den anderen königlichen
Rechtsaufzeichnungen in Gallien war die Lex Salica nicht gedacht. Dafür fiel das
juristische Niveau zu sehr ab, dafür waren auch die malbergischen Glossen
ungeeignet und dafür war die Auswahl der Rechtsmaterien zu selektiv. Die
Franken legten nicht wie die Goten eine umfassende Kodifikation vor, sondern
nur einen einigermaßen systematischen Bußkatalog sowie eine Sammlung von
Einzelregelungen. Für die Römer Nordgalliens war es sicher hilfreich zu wissen,
,wie die Franken tickten': dass bei ihnen beispielsweise Beleidigungen nicht Teil
einer Kultur der Ironie und des Witzes waren, sondern schnell Auslöser für
Gewalthandlungen wurden und daher mit hohen Geldbußen ausgeglichen
werden mussten. Als primärer Adressat scheinen mir aber nur die Franken selbst
sowie die vielen Barbaren in Frage zu kommen, die seit Jahrhunderten in
Nordgallien zur Verteidigung der römischen Provinzen angesiedelt worden
waren und deren ethnisch-politische Heterogenität durch die Lex Salica über-
wunden werden sollte. Das Rechtsbuch war ein Angebot zur Annahme fränki-
scher Identität.
 
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