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III. Der König und seine Bischöfe
wird. Das Verhältnis von König und Reich etwa beschreiben die Synodalen in
Quierzy mit dem Bild des Hirten und seiner Herde265.
In Quierzy waren die Bischöfe des Westreichs zusammengekommen, um
über die Einladung, die Ludwig der Deutsche nach seinem Einfall ins Westreich
an sie ausgesprochen hatte, zu beraten. Sie verfassten als Ergebnis ihrer Bera-
tungen ein Mahnschreiben an Ludwig. Ein Treffen mit Ludwig lehnten die
Synodalen aus den Kirchenprovinzen Reims und Rouen unter Angabe von recht
fadenscheinigen Gründen ab266. Als Autor kann Hinkmar von Reims sicher
gelten267, als Überbringer fungierten Wenilo von Rouen und Erchanrad von
Chälons-sur-Marne.
In dem Brief thematisierten die Bischöfe ihre Vorstellung vom Verhältnis
zwischen König und Episkopat. Da der Text auf Hinkmar zurückgeht, aber als
Synodalbrief aufgesetzt worden ist, kann man davon ausgehen, dass die in
Quierzy versammelten Bischöfe Hinkmars Konzept teilten bzw. diesem zu-
stimmten268. Hinkmars Konzept umfasst eine eigene Vorstellung vom Bischof-
seid, denn die im Mahnschreiben 858 formulierte Position weicht deutlich von
der Position Karls des Kahlen, wie sie sich in der Anklageschrift gegen Wenilo
findet, ab.
In dem Mahnbrief geht es grundsätzlich um das Wesen des Bischofsamtes,
Aufhänger ist die Verfügung über Kirchengut. Die Bischöfe betonen ihre
Apostelnachfolge und erinnern Ludwig daran, dass sie ihm das Kirchengut nicht
unterstellen könnten, da der König keinen Anspruch darauf habe. Vielmehr
verfügten die Bischöfe über das Kirchengut, da die gesamte Kirche ihrer Leitung
anvertraut sei269. Bischöfe müssten sich zudem dem König nicht wie die übrigen
vassi durch einen Eid verpflichten — ein klarer Gegensatz zur Vorstellung Karls
des Kahlen270. Hinkmar verwendet hier den Begriff vassi wahrscheinlich pole-
265 MCH Cone. III., c. 2, S. 409: propter communia peccata nostra, pastorum scilicet et gregum, propter
delicta regis et regni. Vgl. auch Deutinger, Königsherrschaft, S. 36. Es wird ein Bild aus der Pas-
torale verwendet, das für die Annährung von Bischofsbild und Königsbild spricht.
266 Vgl. das Mahnschreiben der Synode von Quierzy im November 858 an Ludwig den Deutschen
(MGH Cone. III., S. 408-427). Die Bischöfe unter Führung Hinkmars von Reims geben in c. I an,
wegen der Kürze des anberaumten Termins und der ungünstigen Lage des Ortes nicht an dem
nach Reims anberaumten placitum teilnehmen zu können (ebd.,S. 408). Dass die Bischöfe ihrem
König Karl damit keinen Freibrief für seine Regierung ausstellten, macht Hinkmar selbst sehr
deutlich, indem er Karl schrieb, dass die Aussagen dieses Mahnbriefs genauso für ihn gelten. Zu
den Anklängen an die Synode von Paris in diesem Schreiben vgl. Patzold, Episcopus, S. 271-273.
267 Vgl. Devisse, Hincmar I, S. 314; Hartmann in MGH Cone. III, S. 403; so auch Patzold, Episcopus,
S.272.
268 Zum Inhalt des Schreibens von Quierzy vgl. Patzold, Episcopus S. 271-273.
269 Vgl. Anton, Fürstenspiegel, S. 320.
270 MGH Cone. III, S. 425. Diese Stelle ist in der traditionellen Forschung im Sinne eines karolin-
gischen Lehnssystems interpretiert worden. Vgl. Anton, Fürstenspiegel, S. 320 und bes. Mitteis,
Lehnrecht, S. 73-75, der die Ablehnung des Eides und der Kommendation nur gegen einen
Usurpator gerichtet sah. Diese Interpretation ist nicht haltbar, da die Formulierungen von
Quierzy in den Augen Hinkmars von der Person des Königs unabhängig war und auch für Karl
den Kahlen Gültigkeit haben sollten. Hinkmar teilte Karl dies ausdrücklich in einem Schreiben
III. Der König und seine Bischöfe
wird. Das Verhältnis von König und Reich etwa beschreiben die Synodalen in
Quierzy mit dem Bild des Hirten und seiner Herde265.
In Quierzy waren die Bischöfe des Westreichs zusammengekommen, um
über die Einladung, die Ludwig der Deutsche nach seinem Einfall ins Westreich
an sie ausgesprochen hatte, zu beraten. Sie verfassten als Ergebnis ihrer Bera-
tungen ein Mahnschreiben an Ludwig. Ein Treffen mit Ludwig lehnten die
Synodalen aus den Kirchenprovinzen Reims und Rouen unter Angabe von recht
fadenscheinigen Gründen ab266. Als Autor kann Hinkmar von Reims sicher
gelten267, als Überbringer fungierten Wenilo von Rouen und Erchanrad von
Chälons-sur-Marne.
In dem Brief thematisierten die Bischöfe ihre Vorstellung vom Verhältnis
zwischen König und Episkopat. Da der Text auf Hinkmar zurückgeht, aber als
Synodalbrief aufgesetzt worden ist, kann man davon ausgehen, dass die in
Quierzy versammelten Bischöfe Hinkmars Konzept teilten bzw. diesem zu-
stimmten268. Hinkmars Konzept umfasst eine eigene Vorstellung vom Bischof-
seid, denn die im Mahnschreiben 858 formulierte Position weicht deutlich von
der Position Karls des Kahlen, wie sie sich in der Anklageschrift gegen Wenilo
findet, ab.
In dem Mahnbrief geht es grundsätzlich um das Wesen des Bischofsamtes,
Aufhänger ist die Verfügung über Kirchengut. Die Bischöfe betonen ihre
Apostelnachfolge und erinnern Ludwig daran, dass sie ihm das Kirchengut nicht
unterstellen könnten, da der König keinen Anspruch darauf habe. Vielmehr
verfügten die Bischöfe über das Kirchengut, da die gesamte Kirche ihrer Leitung
anvertraut sei269. Bischöfe müssten sich zudem dem König nicht wie die übrigen
vassi durch einen Eid verpflichten — ein klarer Gegensatz zur Vorstellung Karls
des Kahlen270. Hinkmar verwendet hier den Begriff vassi wahrscheinlich pole-
265 MCH Cone. III., c. 2, S. 409: propter communia peccata nostra, pastorum scilicet et gregum, propter
delicta regis et regni. Vgl. auch Deutinger, Königsherrschaft, S. 36. Es wird ein Bild aus der Pas-
torale verwendet, das für die Annährung von Bischofsbild und Königsbild spricht.
266 Vgl. das Mahnschreiben der Synode von Quierzy im November 858 an Ludwig den Deutschen
(MGH Cone. III., S. 408-427). Die Bischöfe unter Führung Hinkmars von Reims geben in c. I an,
wegen der Kürze des anberaumten Termins und der ungünstigen Lage des Ortes nicht an dem
nach Reims anberaumten placitum teilnehmen zu können (ebd.,S. 408). Dass die Bischöfe ihrem
König Karl damit keinen Freibrief für seine Regierung ausstellten, macht Hinkmar selbst sehr
deutlich, indem er Karl schrieb, dass die Aussagen dieses Mahnbriefs genauso für ihn gelten. Zu
den Anklängen an die Synode von Paris in diesem Schreiben vgl. Patzold, Episcopus, S. 271-273.
267 Vgl. Devisse, Hincmar I, S. 314; Hartmann in MGH Cone. III, S. 403; so auch Patzold, Episcopus,
S.272.
268 Zum Inhalt des Schreibens von Quierzy vgl. Patzold, Episcopus S. 271-273.
269 Vgl. Anton, Fürstenspiegel, S. 320.
270 MGH Cone. III, S. 425. Diese Stelle ist in der traditionellen Forschung im Sinne eines karolin-
gischen Lehnssystems interpretiert worden. Vgl. Anton, Fürstenspiegel, S. 320 und bes. Mitteis,
Lehnrecht, S. 73-75, der die Ablehnung des Eides und der Kommendation nur gegen einen
Usurpator gerichtet sah. Diese Interpretation ist nicht haltbar, da die Formulierungen von
Quierzy in den Augen Hinkmars von der Person des Königs unabhängig war und auch für Karl
den Kahlen Gültigkeit haben sollten. Hinkmar teilte Karl dies ausdrücklich in einem Schreiben