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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0078
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2. Die Vorstellungen Hinkmars über den Eid: das Synodalschreiben von Quierzy

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misch. Denn nicht nur unfreie vassi haben sich eidlich an den König gebunden,
sondern alle fideles. Das Thema ist daher definitiv die Bindung von Bischöfen an
den König, ein Thema, das Hinkmar offenbar vermeiden bzw. aus der Auf-
merksamkeit verdrängen möchte. Daher bedient er sich der Waffe der Über-
treibung und des unpassenden Vergleichs. Ein Eid ist kein eindimensionales
Instrument, das nur eine Art von Bindung konstituieren würde, das wusste
Hinkmar sicher auch. Ludwig der Deutsche hatte einen Eid gefordert, so wie es
der königlichen Vorstellung entsprach.
An diesem Punkt weichen die königliche und die bischöfliche Auffassung
vom Bischofsamt und dem Verhältnis zum Königtum offenbar in entscheidender
Art und Weise voneinander ab: die Bischöfe werden laut Karl dem Kahlen vom
König eingesetzt und schwören einen Treueid und kommendieren sich dem
König (s. Vorwurf an Wenilo in c. 1). Doch die Vorstelllungen von diesem Ver-
hältnis zwischen König und Bischof, die Auffassungen über die Bindung der
Bischöfe an ihren senior und die Konzepte zur Erfassung der komplexen Zu-
sammenarbeit zwischen bischöflicher auctoritas und königlicher potestas in einer
Treue-Formel/Eidformel, konnten sehr unterschiedlich aussehen. Es existierten
parallel unterschiedliche Wahrnehmungen der Kooperation. Diese Unterschiede
führten aber nicht zu einer politischen Spaltung. Vielmehr scheint die Formu-
lierung der jeweiligen Konzepte an bestimmte Kontexte gebunden gewesen zu
sein, und die Akzentsetzung konnte auch von aktuellen politischen Konstella-
tionen abhängen. Zeitgleich zu der Bischofsversammlung von Quierzy hatten
Bischöfe und weltliche Getreue auf einer „ReichsVersammlung" 858 mit dem
König ein gegenseitiges Treueversprechen vereinbart. Im Kapitular von Quierzy
schriftlich festgehalten, verpflichteten sich der König und die Großen zur Zu-
sammenarbeit271. Die gegenseitigen Eide werden als sacramenta bezeichnet (sa-
cramentum fidelium und sacramentum regis). Die Bischöfe schwörten dem König:
consilio et auxilio secundum ministerium meum et secundum meam personam fidelis
vobis adiutor ero.
Im Konzilsbrief von Quierzy jedoch hielten die Bischöfe fest: „und wir Bi-
schöfe, die den König weihen sind nicht auf diese Weise homines (Männer, Ge-
treue), dass wir wie weltliche Männer uns auf vasallitische Art und Weise
kommendieren müssten — sondern die Kirchen sind uns zur Verteidigung und
zur Unterstützung der Leitung anvertraut — oder einen Eid schwören müssten,
was uns die evangelische, apostolische und kanonische Autorität verbietet zu
tun"272.
Hinkmar von Reims, der diese Zeilen formulierte, hatte jedoch auch das
sacramentum 858 geschworen und die schriftliche Ausfertigung unterzeichnet273.

mit, das er ihm durch seinen Neffen Hinkmar von Laon überbringen ließ (MGH Epp. 8,1, S. 64,

32ff).

271 MGH Capit. II, Nr. 269, S. 296.

272 MGH Capit. III, S. 425.

273 MGH Capit. II, Nr. 269, S. 296.
 
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