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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0166
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VI. Wo und von wem werden Bischöfe
abgesetzt? Reichsversammlung und Synoden
im 9. Jahrhundert
Beim Absetzungsfall Rothads von Soissons werden — ebenso wie bei Hinkmar
von Laon — verschiedene Probleme rund um das Zusammenwirken von König,
Metropolit, Bischöfen und weltlichen Großen bei Bischofsabsetzungen deutlich:
an welchen Orten werden Bischöfe abgesetzt? Von welchen Foren und Ver-
sammlungen wird über die Absetzung entschieden, wer waren die Teilnehmer
dort, wer war das Publikum? Wer berief diese Versammlungen ein und was
wurde dort verhandelt675?
Rothad selbst behauptet in seiner „Leidensgeschichte" (historia calamitatum),
dass Hinkmar von Reims und König Karl der Kahle zusammen gegen ihn vor-
gegangen seien und ihn gemeinsam gerichtet hätten676. Karl und Hinkmar hätten
ihn beide über längere Zeit beobachtet, um einen Anlass zu haben, ihn abzu-
setzen. Karl hatte die Synode von Pitres 862 einberufen. Er habe ihr laut Rothad
als quasi omnium dominus vorgestanden und durch seine Anwesenheit einige
Teilnehmer eingeschüchtert. Darunter nach eigenen Angaben auch Rothad
selbst, der es vorzog, sich von der Versammlung zu entfernen und gegen die
Synode eine Appellation an den Papst zu richten.
Auf Befehl Karls soll Hinkmar den Teilnehmerkreis der Synoden zusam-
mengestellt haben. Erzbischof und König hätten Rothad beide daran hindern
wollen, nach Rom zu reisen und sich erst nach der Intervention des Papstes nicht
mehr getraut, das Verbot aufrecht zu halten677. Als Rothad mit Karl sprach und
ihn bat, ihn nach Rom gehen zu lassen, habe dieser geantwortet, dass sein (also
Rothads) Metropolit hierfür einen conventus vorbereite, und er, Karl, werde sich
nach den Ermahnungen und Anordnungen der Bischöfe richten678.
Aufgrund der Aussagen Rothads ist es notwendig, genauer zu untersuchen,
wie Klagen gegen Bischöfe prinzipiell auf den Versammlungen des 9. Jahrhun-
derts geführt, wie Absetzungsverfahren überhaupt organisiert wurden.
Die Frage nach dem Zusammenwirken von weltlicher und geistlicher Gewalt auf
Synoden und Reichsversammlungen wird in der Forschung breit diskutiert.
Wilfried Hartmann hat während der jahrzehntelangen Bearbeitung der karo-
lingischen Konzilien für die MGH-Edition an verschiedenen Stellen konsequent
betont, dass synodale Tätigkeiten in den politischen Kontext der Zeit einge-
bunden waren, dass Synoden auch in politische und gesellschaftliche Belange

675 Ähnliche Fragen in Bezug auf Reichsversammlungen generell hat auch Stuart Airlie gestellt
(Talking Heads).

676 Vgl. zu diesem Fall auch Hartmann, Laien, S. 263 f.

677 S.o. Kap. IV.1. zu Hinkmar von Reims und Rothad II. von Soissons.

678 MGH Cone. IV, S. 184.
 
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