164 V. Bischofsabsetzung durch den Papst: Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863
getragen und Kräfte von außen wirkten mit. Papst Nikolaus I. mit seinem
Selbstverständnis beharrte auf der päpstlichen Aufsicht über die Bischöfe671.
Keiner der Akteure hatte mit der Absetzung durch den Papst gerechnet672.
Die beiden Erzbischöfe als gut „vernetzte", bestens ausgebildete und kultivierte
Angehörige der geistlichen Elite aus aristokratischen Familien waren wohl
schockiert über die Amtsenthebung. Ihr Scheitern und die mangelnde Unter-
stützung der Bischöfe durch ihre Mitbrüder kann also nicht mit ihrer nicht-
adligen Herkunft begründet werden. Sie haben sich auch nicht wie andere an-
geklagte und abgesetzte Bischöfe gegen ihren König oder Kaiser erhoben oder
sich gar an dessen Absetzung beteiligt (Ebo), an einer Rebellion teilgenommen
oder zumindest Gegner des Königs aktiv unterstützt (Arnulf von Reims, Herod
von Salzburg). Sie haben in keiner Weise den Herrscher herausgefordert oder
sich ihm entgegengestellt673, sondern ganz im Gegenteil ihn offenbar vorbe-
haltlos unterstützt.
Aber ihre Vorstellung davon, wie man mit diesem könglichen Eheproblem
umgeht, traf nicht auf allgemeine Zustimmung. Dies zeigt auch die Beauftra-
gung Hinkmars von Reims mit einem Gutachten durch unbekannte Schei-
dungsgegner aus Lothringen 860674. Aber Gunthar und Thietgaud strebten eine
verbindliche, von allen akzeptierte Lösung an und sahen ein legitimes Verfahren
als Garant dieser Zustimmung/Akzeptanz. Das funktionierte nicht. In der His-
toriographie wurden verschiedene Deutungen des Falls präsentiert. Hinkmar
von Reims diskreditierte die beiden Metropoliten und ihren Protest dabei durch
die narrative Einbettung seines Berichts (durch die Beschreibung von schlechten
Ritualen, wie die gewaltsame Niederlegung des Protestschreibens auf dem Pe-
trusgrab). Das Verhältnis zum König wurde durchgehend als Grund für Ihre
Absetzung genannt, sie wollten etwas Schlechtes und bedienten sich dafür des
bischöflichen Instrumentariums, das sie für das „Falsche" einsetzten. Diese Be-
gründung erfolgt in der Geschichtsschreibung einhellig. Selbst Hinkmar von
Reims fühlt sich nicht berufen, das Verhalten des Papstes in diesem Fall in ir-
gendeiner Form zu kritisieren.
671 Zum Selbstverständnis Nikolaus I. vgl. Scholz, Politik, S. 185-211.
672 So auch die Conclusio von Airlie, Private Bodies, S. 35.
673 Diesen Kontext von Bischofsabsetzungen betont Airlie, Not rendering.
674 Vgl. Böhringer, Einleitung zur Edition, S. 20-28.
getragen und Kräfte von außen wirkten mit. Papst Nikolaus I. mit seinem
Selbstverständnis beharrte auf der päpstlichen Aufsicht über die Bischöfe671.
Keiner der Akteure hatte mit der Absetzung durch den Papst gerechnet672.
Die beiden Erzbischöfe als gut „vernetzte", bestens ausgebildete und kultivierte
Angehörige der geistlichen Elite aus aristokratischen Familien waren wohl
schockiert über die Amtsenthebung. Ihr Scheitern und die mangelnde Unter-
stützung der Bischöfe durch ihre Mitbrüder kann also nicht mit ihrer nicht-
adligen Herkunft begründet werden. Sie haben sich auch nicht wie andere an-
geklagte und abgesetzte Bischöfe gegen ihren König oder Kaiser erhoben oder
sich gar an dessen Absetzung beteiligt (Ebo), an einer Rebellion teilgenommen
oder zumindest Gegner des Königs aktiv unterstützt (Arnulf von Reims, Herod
von Salzburg). Sie haben in keiner Weise den Herrscher herausgefordert oder
sich ihm entgegengestellt673, sondern ganz im Gegenteil ihn offenbar vorbe-
haltlos unterstützt.
Aber ihre Vorstellung davon, wie man mit diesem könglichen Eheproblem
umgeht, traf nicht auf allgemeine Zustimmung. Dies zeigt auch die Beauftra-
gung Hinkmars von Reims mit einem Gutachten durch unbekannte Schei-
dungsgegner aus Lothringen 860674. Aber Gunthar und Thietgaud strebten eine
verbindliche, von allen akzeptierte Lösung an und sahen ein legitimes Verfahren
als Garant dieser Zustimmung/Akzeptanz. Das funktionierte nicht. In der His-
toriographie wurden verschiedene Deutungen des Falls präsentiert. Hinkmar
von Reims diskreditierte die beiden Metropoliten und ihren Protest dabei durch
die narrative Einbettung seines Berichts (durch die Beschreibung von schlechten
Ritualen, wie die gewaltsame Niederlegung des Protestschreibens auf dem Pe-
trusgrab). Das Verhältnis zum König wurde durchgehend als Grund für Ihre
Absetzung genannt, sie wollten etwas Schlechtes und bedienten sich dafür des
bischöflichen Instrumentariums, das sie für das „Falsche" einsetzten. Diese Be-
gründung erfolgt in der Geschichtsschreibung einhellig. Selbst Hinkmar von
Reims fühlt sich nicht berufen, das Verhalten des Papstes in diesem Fall in ir-
gendeiner Form zu kritisieren.
671 Zum Selbstverständnis Nikolaus I. vgl. Scholz, Politik, S. 185-211.
672 So auch die Conclusio von Airlie, Private Bodies, S. 35.
673 Diesen Kontext von Bischofsabsetzungen betont Airlie, Not rendering.
674 Vgl. Böhringer, Einleitung zur Edition, S. 20-28.