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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0240
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IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury
und sein Werk

1. Ausgangslage
Nachdem bislang Bischofsabsetzungen im 9. Jahrhundert und die Rezeption im
10. Jahrhundert untersucht worden sind, soll nun der Umgang mit dem Wissen
über das Bischofsamt im 10. und frühen 11. Jahrhundert im Mittelpunkt stehen.
Als hilfreich erweist sich hierbei die Unterscheidung zwischen Funktionswissen
und Speicherwissen: Wie bereits gezeigt werden konnte, wurde das Wissen vom
Bischofsamt durch Abschriften von Texten aus dem 9. Jahrhundert weitergege-
ben, aber nicht zementiert, sondern durchaus transformiert und den gesell-
schaftlichen Gegebenheiten angepasst. Nach dem Modell von Aleida Assmann
muss Speicherwissen nämlich aktiviert werden. Speicher- und Funktionsge-
dächtnis lassen sich jeweils den Bereichen des kulturellen und des kommuni-
kativen Gedächtnisses als komplementären Teilen der Erinnerung zuordnen984.
Das Konzept des kommunikativen Gedächtnisses und der Aktivierung von
Wissen weist über das bloße Vorhandensein von Texten in Bibliotheken oder
Archiven hinaus.
Auch im 10. Jahrhundert ähnelte das Bischofsmodell in Texten aus dem
bischöflichen Umfeld, d.h. den Gemeinschaften des Domklerus und der Bi-
schofsstadt sowie den bischöflichen Eigenklöstern (Bistumsgeschichtsschrei-
bung, Gesta Episcoporum, Bischofsviten) dem aus karolingischer Zeit überlie-
ferten funktionalen Wissensbestand, wie sich am Beispiel des Schutzes des
Kirchenguts zeigen lässt985. Der Bischof verfügte auch über spirituelles Rüstzeug,
um den Kirchenbesitz zu verteidigen, über die Hilfe der Patrone und über ent-
sprechendes Archivmaterial986. Über die bischofsnahen historio graphischen
Texte des 9. wie des 10. Jahrhunderts ebenso wie über die Bischofsviten und die
Annalistik hatten die Bischöfe selbst die Kontrolle — oder sie waren zumindest
die Adressaten dieser Werke987. Für das 9. Jahrhundert hat Patzold dies ein-
drücklich untersucht. Ein Punkt bleibt aber auch nach Patzold ungelöst. Als ein
Fazit seiner Studie hält Gerhard Schmitz in einer Rezension fest: „Die Bischöfe
waren nahezu die alleinigen Produzenten des Wissens über Bischöfe (...). Mit
ihrem Deutungsmonopol betrieben sie ein nicht immer einheitliches aber teil-
weise zweck- und zielorientiertes ,image-building', sie propagierten, was und

984 S. zu diesem Konzept Assmann, Funktionsgedächtnis.

985 S. Kapitel „Monastische Konstruktion bischöflichen Fehlverhaltens".

986 Vgl. Jegou, L'Eveque, bes. S. 83-136; Jaser, Archiv.

987 Zu den Bischofsviten des 10. und 11. Jahrhundert vgl. die umfassende Studie von Haarländer,
Vitae Episcoporum.
 
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