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XII. Zusammenfassung: Anwendung von Wissen in der politischen Kultur
reich aus. Gleichzeitig kommt es offenbar nur hier überhaupt zu solchen Erör-
terungen, d.h. dass hier bischöfliches Fehlverhalten in besonderer Weise wahr-
genommen wurde. In Ostfranken hat es solche Diskussionen offenbar nicht ge-
geben, es ist kein vergleichbarer Fall bekannt1435. Zwar bemühte sich Ludwig der
Deutsche nachweislich um Einflussnahmen im Bereich der Bischofseinsetzun-
gen, die von einer Gemengelage aus verschiedenen regionalen und überregio-
nalen Interessen abhängig waren. Doch bei den einzigen zwei belegten Fällen
von Amtsenthebungen von Bischöfen in Ostfranken traten weder der König
noch die Mitbischöfe als eigenständig handelnde Akteure in Erscheinung. Es
geht um den Fall Hartwigs von Passau und Erchanfrids von Regensburg 864.
Bischof Salomon I. von Konstanz holte 864 beim Papst Instruktionen ein, wie mit
den beiden amtsunfähigen Bischöfen zu verfahren sei: Hartwig war durch
Schlaganfall gelähmt, nicht mehr in der Lage, sich selbst zu äußern. Erchanfrid
durch eine unbekannte Erkrankung beeinträchtigt. Nikolaus I. erklärte, keine
Bischöfe abzusetzen ohne deren eigene Erklärung der Amtsunfähigkeit und
forderte daher den Nachweis des freiwilligen Amtsverzichts — ein völlig anderes
Vorgehen als bei Gunthar und Thietgaud. Eine solche Erklärung war bei Hartwig
aufgrund des Schlaganfalls nicht möglich, daher wurde ein Stellvertreter be-
stimmt und er blieb im Amt. Erchanfrid sollte erklären, dass er sein Amt frei-
willig aufgebe und niemals mehr einen Anspruch darauf erheben werde. Er starb
jedoch, bevor die päpstlichen Anweisungen umgesetzt werden konnten.
Es sind in Ostfranken keine eigenen Bestrebungen nach einer Verfahrens-
entwicklung nachzuweisen1436.
5. Entwicklung vom 9.-10. Jahrhundert: Bischöfe und Äbte
Auch wenn die Absetzungen auf Synoden und Reichsversammlungen statt-
fanden, so lässt sich doch feststellen, dass es Spezialdiskussionen innerhalb des
Klerus gab. Der Diskurs über Bischöfe wandelte sich dabei grundlegend wäh-
1435 Zu den Absetzungsbemühungen in Ostfranken vgl. Bigott, Reichskirche, S. 243 ff. Auch für
Italien erbrachte eine Sichtung der Synodalquellen im 9. Jahrhundert nichts Vergleichbares. Hier
lassen sich nur Fälle finden, in denen der Papst Bischöfe mahnt oder exkommuniziert. Vgl. die
Einträge in den MGH Cone. IV und V.
1436 Zwei ostfränkische Bischöfe, nämlich Adalwin von Salzburg (860-873) und Ermenrich von
Passau (873), wurden von Papst Johannes VIII. suspendiert wegen ihres Vorgehens gegen den
byzantinischen Missionar Methodius auf der Synode von Regensburg 870. Es handelt sich nicht
um eine Absetzung im eigentlichen Sinne, sondern um eine Mahnung, vielleicht Beugestrafe,
Kenntnis haben wir von der Suspendierung nur durch einen Brief Johannes VIII. Über die hier
angeführten Beispiele sind keine Absetzungsbestrebungen bekannt ganz im Gegensatz zu
Reichsäbten, wie Boris Bigott betont, hier wurde Ludwig der Deutsche öfter tätig Bigott,
Reichskirche, S. 247
XII. Zusammenfassung: Anwendung von Wissen in der politischen Kultur
reich aus. Gleichzeitig kommt es offenbar nur hier überhaupt zu solchen Erör-
terungen, d.h. dass hier bischöfliches Fehlverhalten in besonderer Weise wahr-
genommen wurde. In Ostfranken hat es solche Diskussionen offenbar nicht ge-
geben, es ist kein vergleichbarer Fall bekannt1435. Zwar bemühte sich Ludwig der
Deutsche nachweislich um Einflussnahmen im Bereich der Bischofseinsetzun-
gen, die von einer Gemengelage aus verschiedenen regionalen und überregio-
nalen Interessen abhängig waren. Doch bei den einzigen zwei belegten Fällen
von Amtsenthebungen von Bischöfen in Ostfranken traten weder der König
noch die Mitbischöfe als eigenständig handelnde Akteure in Erscheinung. Es
geht um den Fall Hartwigs von Passau und Erchanfrids von Regensburg 864.
Bischof Salomon I. von Konstanz holte 864 beim Papst Instruktionen ein, wie mit
den beiden amtsunfähigen Bischöfen zu verfahren sei: Hartwig war durch
Schlaganfall gelähmt, nicht mehr in der Lage, sich selbst zu äußern. Erchanfrid
durch eine unbekannte Erkrankung beeinträchtigt. Nikolaus I. erklärte, keine
Bischöfe abzusetzen ohne deren eigene Erklärung der Amtsunfähigkeit und
forderte daher den Nachweis des freiwilligen Amtsverzichts — ein völlig anderes
Vorgehen als bei Gunthar und Thietgaud. Eine solche Erklärung war bei Hartwig
aufgrund des Schlaganfalls nicht möglich, daher wurde ein Stellvertreter be-
stimmt und er blieb im Amt. Erchanfrid sollte erklären, dass er sein Amt frei-
willig aufgebe und niemals mehr einen Anspruch darauf erheben werde. Er starb
jedoch, bevor die päpstlichen Anweisungen umgesetzt werden konnten.
Es sind in Ostfranken keine eigenen Bestrebungen nach einer Verfahrens-
entwicklung nachzuweisen1436.
5. Entwicklung vom 9.-10. Jahrhundert: Bischöfe und Äbte
Auch wenn die Absetzungen auf Synoden und Reichsversammlungen statt-
fanden, so lässt sich doch feststellen, dass es Spezialdiskussionen innerhalb des
Klerus gab. Der Diskurs über Bischöfe wandelte sich dabei grundlegend wäh-
1435 Zu den Absetzungsbemühungen in Ostfranken vgl. Bigott, Reichskirche, S. 243 ff. Auch für
Italien erbrachte eine Sichtung der Synodalquellen im 9. Jahrhundert nichts Vergleichbares. Hier
lassen sich nur Fälle finden, in denen der Papst Bischöfe mahnt oder exkommuniziert. Vgl. die
Einträge in den MGH Cone. IV und V.
1436 Zwei ostfränkische Bischöfe, nämlich Adalwin von Salzburg (860-873) und Ermenrich von
Passau (873), wurden von Papst Johannes VIII. suspendiert wegen ihres Vorgehens gegen den
byzantinischen Missionar Methodius auf der Synode von Regensburg 870. Es handelt sich nicht
um eine Absetzung im eigentlichen Sinne, sondern um eine Mahnung, vielleicht Beugestrafe,
Kenntnis haben wir von der Suspendierung nur durch einen Brief Johannes VIII. Über die hier
angeführten Beispiele sind keine Absetzungsbestrebungen bekannt ganz im Gegensatz zu
Reichsäbten, wie Boris Bigott betont, hier wurde Ludwig der Deutsche öfter tätig Bigott,
Reichskirche, S. 247