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X. König — Bischof- Abt in der monastischen Historiographie
3. Andreas von Fleury und seine Vita Gauzlini
Neben Aimos Vita Abbonis vom Anfang des 11. Jahrhunderts und der Vita
Rotberti des Helgald, stellt die Vita Gauzlini das dritte wichtige Zeugnis aus
Fleury aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts da und ist mit dafür verant-
wortlich, dass Fleury (oftmals in einem Atemzug mit Sens) als geistiges kö-
nigsnahes Zentrum charakterisiert wird1209. Robert-Henri Bautier geht sogar
noch einen Schritt weiter und betont, dass die hochwertigste und einflussreichste
historiographische Produktion aus Fleury stammt1210. Er rechnet die Biographien
aus der Feder Aimos, Helgalds und Andreas' nicht zur hagiographischen
Quellengruppe, sondern ordnet sie der Historiographie zu. Zusammen mit den
Werken Ademars von Chabannes und Rudolfus Glabers stünden sie für die
Dominanz des monastischen Umfelds in der Geschichtsschreibung des frühen
11. Jahrhunderts in Westfranken.
Die Vita Gauzlini ist orientiert am Abtstyp cluniazensischer Prägung1211, der
Abt wirkt in der Welt für sein Kloster. Über Gauzlin wusste Helgald noch zu
berichten, dass Robert ihn mehr als alle anderen liebe, daher habe er Gauzlin zum
Dank für seinen Rat zum Abt von Fleury und zum Erzbischof von Bourgesccc
gemacht1212. Bereits bei Helgald wird also die Königsnähe des Abtes thematisiert.
Andreas von Fleurys Vita ist das späteste hier betrachtete Zeugnis aus Fleury.
Andreas von Fleury stammte aus einer reichen Familie des Orleanais. Er absol-
vierte unter Abt Gauzlin sein Noviziat und wurde unter Abt Hugo Mönch in
Fleury. Bis zu seinem Lebensende war er dort später Prior oder Dekan1213. An-
dreas führte in Fleury ab 1041 die Miracula Sancti Benedicti fort1214, die seit
Aimos Arbeit, der die Bücher II und III verfasst hatte, unterbrochen waren.
Andreas fügte die Bücher IV-VII hinzu. Mit der Arbeit an der Vita Gauzlini
begann er offenbar etwa zeitgleich. Er verfasste sie größtenteils wohl zwischen
1041 und 1043, das vierte Buch redigierte er einige Zeit später, aber vor 10441215.
Sein Held Gauzlin wurde nach dem Tod Abbos 1005 zum Abt von Fleury
erhoben und Robert der Fromme ernannte ihn 1012 darüber hinaus noch zum
Erzbischof von Bourges. Gauzlin kumulierte die beiden Ämter und behielt sie bis
1209 Schneidmüller, Nomen Patriae, S. 51.
1210 Bautier, L'Historiographie en France, S. 827.
1211 Abbatiale Heiligkeit als Modell taucht erst bei Odilo und Maiolus auf (vgl. Iogna-Prat, Premiers
abbes zu Abtsviten; Rose, Societe, S. 557; Dies., Odon). Erst 998 wurde das Exemtionsprivileg
empfangen, damit war die Ausbildung einer symbolträchtigen Figur verbunden: Odilo prä-
sentierte Maiolus als Model des Heiligen Abtes (Rose, Societe, 561).
1212 Helgald, Vita Rotberti, c. 22, S. 122.
1213 Zu Andreas von Fleury vgl. Karl Ferdinand Werner, Art. „Andreas von Fleury", in Lexikon des
Mittelalters sowie Bautier/Labory, Introduction, in: Vita Gauzlini, S. 7-9.
1214 Vgl. zum Werk des Andreas von Fleury, auch zur Fassung der Miracula und deren Stellenwerte
für die politische, soziale und Mentalitätsgeschichte der Zeit Bautier, L'historiographie, S. 827 f.
1215 Zur Datierung vgl. Bautier/Labory, S. 11-13.
X. König — Bischof- Abt in der monastischen Historiographie
3. Andreas von Fleury und seine Vita Gauzlini
Neben Aimos Vita Abbonis vom Anfang des 11. Jahrhunderts und der Vita
Rotberti des Helgald, stellt die Vita Gauzlini das dritte wichtige Zeugnis aus
Fleury aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts da und ist mit dafür verant-
wortlich, dass Fleury (oftmals in einem Atemzug mit Sens) als geistiges kö-
nigsnahes Zentrum charakterisiert wird1209. Robert-Henri Bautier geht sogar
noch einen Schritt weiter und betont, dass die hochwertigste und einflussreichste
historiographische Produktion aus Fleury stammt1210. Er rechnet die Biographien
aus der Feder Aimos, Helgalds und Andreas' nicht zur hagiographischen
Quellengruppe, sondern ordnet sie der Historiographie zu. Zusammen mit den
Werken Ademars von Chabannes und Rudolfus Glabers stünden sie für die
Dominanz des monastischen Umfelds in der Geschichtsschreibung des frühen
11. Jahrhunderts in Westfranken.
Die Vita Gauzlini ist orientiert am Abtstyp cluniazensischer Prägung1211, der
Abt wirkt in der Welt für sein Kloster. Über Gauzlin wusste Helgald noch zu
berichten, dass Robert ihn mehr als alle anderen liebe, daher habe er Gauzlin zum
Dank für seinen Rat zum Abt von Fleury und zum Erzbischof von Bourgesccc
gemacht1212. Bereits bei Helgald wird also die Königsnähe des Abtes thematisiert.
Andreas von Fleurys Vita ist das späteste hier betrachtete Zeugnis aus Fleury.
Andreas von Fleury stammte aus einer reichen Familie des Orleanais. Er absol-
vierte unter Abt Gauzlin sein Noviziat und wurde unter Abt Hugo Mönch in
Fleury. Bis zu seinem Lebensende war er dort später Prior oder Dekan1213. An-
dreas führte in Fleury ab 1041 die Miracula Sancti Benedicti fort1214, die seit
Aimos Arbeit, der die Bücher II und III verfasst hatte, unterbrochen waren.
Andreas fügte die Bücher IV-VII hinzu. Mit der Arbeit an der Vita Gauzlini
begann er offenbar etwa zeitgleich. Er verfasste sie größtenteils wohl zwischen
1041 und 1043, das vierte Buch redigierte er einige Zeit später, aber vor 10441215.
Sein Held Gauzlin wurde nach dem Tod Abbos 1005 zum Abt von Fleury
erhoben und Robert der Fromme ernannte ihn 1012 darüber hinaus noch zum
Erzbischof von Bourges. Gauzlin kumulierte die beiden Ämter und behielt sie bis
1209 Schneidmüller, Nomen Patriae, S. 51.
1210 Bautier, L'Historiographie en France, S. 827.
1211 Abbatiale Heiligkeit als Modell taucht erst bei Odilo und Maiolus auf (vgl. Iogna-Prat, Premiers
abbes zu Abtsviten; Rose, Societe, S. 557; Dies., Odon). Erst 998 wurde das Exemtionsprivileg
empfangen, damit war die Ausbildung einer symbolträchtigen Figur verbunden: Odilo prä-
sentierte Maiolus als Model des Heiligen Abtes (Rose, Societe, 561).
1212 Helgald, Vita Rotberti, c. 22, S. 122.
1213 Zu Andreas von Fleury vgl. Karl Ferdinand Werner, Art. „Andreas von Fleury", in Lexikon des
Mittelalters sowie Bautier/Labory, Introduction, in: Vita Gauzlini, S. 7-9.
1214 Vgl. zum Werk des Andreas von Fleury, auch zur Fassung der Miracula und deren Stellenwerte
für die politische, soziale und Mentalitätsgeschichte der Zeit Bautier, L'historiographie, S. 827 f.
1215 Zur Datierung vgl. Bautier/Labory, S. 11-13.