VII. Bischofsabsetzungen bis zur Mitte
des 10. Jahrhunderts: die Berichte Flodoards
und Richers von Reims
1. Konzeption und Ziel des Kapitels
1.1. Fragestellung
Der Reimser Kanoniker Flodoard722 verfasste mit seinen Annalen eines der
wichtigsten Zeugnisse der Zeitgeschichtsschreibung für die erste Hälfte des
10. Jahrhunderts723. Das zweite Werk, das für unseren Zusammenhang von In-
teresse ist, ist seine Reimser Kirchengeschichte724. Die Reimser Historiographie
des 10. Jahrhunderts mit den Werken Flodoards und Richers von Reims sticht
aus der übrigen westfränkischen Überlieferung hervor725.
Flodoard war Archivar der Reimser Kirche. In dieser Funktion hatte er Zu-
griff auf alle Dokumente im Archiv der Domkirche. Reims als königsnahes po-
litisches Zentrum der Karolingerzeit verfügte aufgrund seiner Geschichte und
der besonderen Stellung seiner Erzbischöfe über ein bedeutendes Archiv, das
unter anderem die Briefe Hinkmars von Reims enthielt. Im Reimser Umfeld (und
in anderen königsnahen Zentren wie Sens) hielten sich die karolingischen poli-
tischen Traditionen besonders lange, hier wurden die wichtigsten Schlüsseltexte
in den Archiven abgeschrieben und aufbewahrt, wie Steffen Pätzold zeigen
konnte726.
Flodoard hatte als junger Mann vielleicht an der karolingisch geprägten
Reimser Provinzialsynode von Trosly 909 teilgenommen oder zumindest die
Beschlüsse der Synode durch Vermittlung des Erzbischofs Heriveus, für den er
schon tätig war, kennen gelernt727. In Trosly wurden zum letzten Mal im West-
frankenreich von einer Bischofsversammlung Kanones erlassen. An der Synode
unter der Leitung von Erzbischof Heriveus nahmen alle Reimser Suffragane teil.
Sie verhandelten über den Zustand der Kirche und des Reiches in Manier der
Reichssynoden des 9.Jahrhunderts und nahmen auf das Pariser Modell an vielen
722 Geboren 893/94, gestorben 966. Zu Biographie und Werken Jacobsen, Flodoard von Reims, S. 1-
87; Sot, Historien.
723 Flodoard von Reims, Annalen.
724 Flodoard von Reims, Historia Remensis Ecclesiae.
725 Zur Reimser Historiographie im Kontext der Geschichtsschreibung des 10. Jahrhunderts vgl. nur
Schneidmüller, Nomen Patriae, S. 37-53.
726 Vgl. Patzold, Episcopus, bes. S. 512-513; 517-519.
727 Patzold, Episcopus, S. 354. Edition der Akten der Synode in MGH Cone. V, S. 503-562; vgl.
Hartmann, Synoden, S. 374-377; Inhaltsangabe auch bei Schröder, Westfränkische Synoden,
S. 189-191; vgl. auch Schmetz, Konzil von Trosly; Parisse, Prince laiques, S. 473 ff.
des 10. Jahrhunderts: die Berichte Flodoards
und Richers von Reims
1. Konzeption und Ziel des Kapitels
1.1. Fragestellung
Der Reimser Kanoniker Flodoard722 verfasste mit seinen Annalen eines der
wichtigsten Zeugnisse der Zeitgeschichtsschreibung für die erste Hälfte des
10. Jahrhunderts723. Das zweite Werk, das für unseren Zusammenhang von In-
teresse ist, ist seine Reimser Kirchengeschichte724. Die Reimser Historiographie
des 10. Jahrhunderts mit den Werken Flodoards und Richers von Reims sticht
aus der übrigen westfränkischen Überlieferung hervor725.
Flodoard war Archivar der Reimser Kirche. In dieser Funktion hatte er Zu-
griff auf alle Dokumente im Archiv der Domkirche. Reims als königsnahes po-
litisches Zentrum der Karolingerzeit verfügte aufgrund seiner Geschichte und
der besonderen Stellung seiner Erzbischöfe über ein bedeutendes Archiv, das
unter anderem die Briefe Hinkmars von Reims enthielt. Im Reimser Umfeld (und
in anderen königsnahen Zentren wie Sens) hielten sich die karolingischen poli-
tischen Traditionen besonders lange, hier wurden die wichtigsten Schlüsseltexte
in den Archiven abgeschrieben und aufbewahrt, wie Steffen Pätzold zeigen
konnte726.
Flodoard hatte als junger Mann vielleicht an der karolingisch geprägten
Reimser Provinzialsynode von Trosly 909 teilgenommen oder zumindest die
Beschlüsse der Synode durch Vermittlung des Erzbischofs Heriveus, für den er
schon tätig war, kennen gelernt727. In Trosly wurden zum letzten Mal im West-
frankenreich von einer Bischofsversammlung Kanones erlassen. An der Synode
unter der Leitung von Erzbischof Heriveus nahmen alle Reimser Suffragane teil.
Sie verhandelten über den Zustand der Kirche und des Reiches in Manier der
Reichssynoden des 9.Jahrhunderts und nahmen auf das Pariser Modell an vielen
722 Geboren 893/94, gestorben 966. Zu Biographie und Werken Jacobsen, Flodoard von Reims, S. 1-
87; Sot, Historien.
723 Flodoard von Reims, Annalen.
724 Flodoard von Reims, Historia Remensis Ecclesiae.
725 Zur Reimser Historiographie im Kontext der Geschichtsschreibung des 10. Jahrhunderts vgl. nur
Schneidmüller, Nomen Patriae, S. 37-53.
726 Vgl. Patzold, Episcopus, bes. S. 512-513; 517-519.
727 Patzold, Episcopus, S. 354. Edition der Akten der Synode in MGH Cone. V, S. 503-562; vgl.
Hartmann, Synoden, S. 374-377; Inhaltsangabe auch bei Schröder, Westfränkische Synoden,
S. 189-191; vgl. auch Schmetz, Konzil von Trosly; Parisse, Prince laiques, S. 473 ff.