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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0236
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7. Zwischenfazit: Gerbert und die Produktion von Wissen über das Bischofsamt

235

Noch stärker als in den Konzilsakten verweist Gerbert hier in dem Brief an
Wilderod auf die Bestandteile des karolingischen Bischofsbildes. Das crimen
maiestatis wird nicht mehr explizit thematisiert, auch wenn deutlich wird, dass
Arnulf gegen seinen König gehandelt hat. Dennoch ist nicht der König befugt,
über Bestrafung oder Gnade zu urteilen.
Mit diesem Brief entwickelte Gerbert einen Normenkatalog, reflektierte
Wissen vom Bischofsamt und theoretisierte Bischofsabsetzungen. Seine Schrif-
ten gingen in das Archiv von Reims ein (s. u.). Auf der einen Ebene handelt es sich
um theoretische Reflexionen, um Argumente, die ein gravierendes Problem
betrafen: Nämlich wie mit Personen umzugehen sei, die in der politischen
Ordnung aufgrund ihres Amtes eine zentrale Position innehatten, deren Amts-
führung Konsequenzen für das Seelenheil aller haben konnte und die dieses Amt
und seine Instrumente (Exkommunikation) missbrauchten.
Auf einer anderen Ebene ging es ihm darum, seine Wahl zu verteidigen und
an der Absetzung Arnulfs festzuhalten. Die beiden Ebenen sind verschränkt, da
er seine elaborierten Erörterungen einsetzt, um ein persönliches Ziel zu verfol-
gen, doch verlieren diese damit nichts von ihrer prinzipiellen Geltungskraft.
Mit der Reflexion und theoretischen Aufladung des Geschehens war Gerbert
nach der Absetzung nicht mehr erfolgreich, da der ostfränkische Episkopat, die
päpstlichen Legaten und der kaiserliche Hof seiner Argumentationslinie nicht
folgten und Arnulf wie bereits erwähnt letztlich wieder restituiert wurde. Aber
persönlich setzte er seine bemerkenswerte Karriere fort. Er verließ das West-
frankenreich zwar nach Arnulfs Wiedereinsetzung, doch war er nicht „ge-
scheitert". Er war einer der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit und enger Ver-
trauter des ostfränkischen Königs Ottos III. Dieser erhob ihn erst zum Erzbischof
von Ravenna. Schließlich bestieg Gerbert durch das Wirken Ottos sogar den
päpstlichen Thron. Er wählte den programmatischen Namen Silvester II., der für
eine enge Zusammenarbeit zwischen Kaisertum und Papsttum stand978.
7. Zwischenfazit: Gerbert und die Produktion von Wissen
über das Bischofsamt
Die Vorwürfe, die Gerbert Arnulf macht, beziehen sich auf das karolingische
Bischofsbild. Es geht um Schaden, der dem Gesalbten des Herrn zugefügt wurde
(hier wird die Schutzfunktion der Salbung angesprochen, die auch im Ostfran-
kenreich in Hohenaltheim beschworen wurde), um Eidbruch und um Missach-
tung der bischöflichen Binde- und Lösegewalt sowie um Schädigung des
Kirchenguts als pervasor.

978 Aus der umfangreichen Literatur zu Gerbert/Silvester sei hier exemplarisch verwiesen auf:
Riche, Gerbert d'Aurillac; Kortüm, Gerbertus sowie auf die Erträge der Sammelbände Autour de
Gerbert d'Aurillac; Gerbert L'Europeen; Gerberto d'Aurillac da Abate die Bobbio a Papa
dell'anno 1000 und Gerberto d'Aurillac — Silvestro II.
 
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