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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0139
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138 V. Bischofsabsetzung durch den Papst: Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863
ein anonymes Gutachten eines Mönchs aus Metz beweist534, der diese Argu-
mentation entschieden ablehnte mit dem Verweis, darauf dass alles, was vor der
Ehe passiert sei keinerlei Auswirkungen auf die Ehe selbst habe. Zudem wies er
daraufhin, dass für Mann und Frau die gleichen Bedingungen zu gelten hätten
und kaum ein Mann vor der Ehe keusch gelebt habe535.
Dennoch standen die Bischöfe zu ihrer Entscheidung.
Theutberga jedoch wandte sich noch vor Ende des Jahres 862 aus dem
Westfrankenreich an Papst Nikolaus I. In ihren Briefen beteuerte sie ihre Un-
schuld und behauptete, die Schuldbekenntnisse 860 seien erpresst worden. Ni-
kolaus I. sandte im November 862 Briefe an Karl den Kahlen, Ludwig den
Deutschen und Lothar II. sowie an mehrere Bischöfe der Frankenreiche, mit der
Aufforderung, in Metz unter Beteiligung von päpstlichen Legaten die Ehesache
erneut zu verhandeln536.
In Metz 863 kamen erneut nur Bischöfe des Mittelreichs zusammen und
bestätigten die Beschlüsse von 862537. Sie fanden auch ein ganz neues Argument
für die Ungültigkeit der Verbindung Lothars II. mit Theutberga: Lothar sei vor
seiner Ehe mit Theutberga bereits mit Waldrada auf rechtmäßige Art verheiratet
worden, erst nach dem Tod Lothars I. habe Hukbert dem jungen Lothar II. seine
Schwester Theutberga zugeführt538.
Die Bischöfe waren allem Anschein nach mit ihrer Argumentation in Metz
zufrieden. Auf Anraten der päpstlichen Legaten reisten die Metropoliten Gun-
thar von Köln und Thietgaud von Trier als wichtigste Vertreter des lotharingi-
schen Episkopats nach Rom, um Papst Nikolaus I. die Beschlüsse von Metz zur
Bestätigung vorzulegen.

3. Die Absetzung in Rom — rechtmäßiges Vorgehen?
Als die beiden in Rom ankamen, wurden sie jedoch völlig anders empfangen, als
sie erwartet hatten. Sie fanden sich für sie völlig überraschend im Februar 863
von einer von Papst Nikolaus I. einberufenen Synode in Rom auf Urteilsspruch
des Papstes ihrer Ämter enthoben und aus der Kirchengemeinschaft ausge-

534 MGH Cone. IV, S. 86-89; vgl. Ubl, Inzestgesetzgebung, S. 351.

535 MGH Cone. IV, S. 89, 12-15: Sed si huiusmodi causa est uxoris, ut possit repudiari etiam ante con-
ventionem legitimam coinquinata, quid erit de viris passim fornicantibus, utrum possint ab uxoribus
repelli? Et hoc quidem ante coniunctionem matrimonii potest, cuius viri dominio subigatur, sed postea
fieri posse nullo exemplo apparet.

536 Vgl. Patzold, Verfahren, S. 402 mit Anm. 56.

537 Die Beschlüsse von Metz sind uns nicht direkt überliefert, Nachricht von der Synode geben uns
Hinkmars Annales Bertiniani sowie die Annales Fuldenses zu 863 und der Bericht der Synode
von Rom 863. Vgl. zum Geschehen Hartmann, Synoden, S. 280-290.

538 Dieses Argument lässt sich jedoch nur aus der späteren Narratio des Bischofs Adventius von
Metz ableiten, die er zur Rechtfertigung seiner Teilnahme nach Verdammung der Synode durch
den Papst, verfasste. MGH Epp. 6, Nr. 5, S. 215-217, vgl. Staubach, Herrscherbild I, S. 153-214.
 
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